Integration von Flüchtlingen im ländlichen Raum
Best-Practices aus den Bereichen Sprache, Wohnen, Beruf, Bildung und Ehrenamt
Integration ist ein Prozess. Mit den anfänglichen Herausforderungen der Migration, erste Sprachkenntnisse zu vermitteln und Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, ist die Arbeit für die Kommunen nicht getan. Um Geflüchtete langfristig zu integrieren, müssen diese in den Bereichen schulischer und beruflicher Bildung gefördert und in das gesellschaftliche Leben aufgenommen werden.
Sprache als Schlüssel der Integration
Anerkannte Flüchtlinge sowie Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive sollten möglichst schnell Sprachkenntnisse erlangen. Dafür muss Sprachunterricht nicht nur angeboten und gefördert, sondern auch entsprechend der individuellen Bedarfe der Geflüchteten angepasst werden. Den Landkreisen obliegt die Aufgabe, Sprachangebote zwischen den Trägern und Teilnehmern zu koordinieren. In ländlichen Kreisen mussten die Kurse dafür weiter ausgebaut oder gar erst geschaffen und entsprechende Kapazitäten eingeräumt werden. Herausfordernd ist hier, neben der Konzeption der Sprachangebote auf die Bedürfnisse der Geflüchteten, die Gewinnung entsprechender Lehrkräfte. Die Sprache ist Grundlage für eine langfristige Integration, daher muss es Ziel sein, Geflüchtete in ihrer Sprachkompetenz einsatzfähig für den Arbeitsmarkt zu machen.
Deutsch Lernen im Burgenlandkreis
Nach den rechtsextremen Geschehnissen und der daraus folgenden negativen Medienpräsenz ist dem Burgenlandkreis Integration ein besonderes Anliegen. Mit der Volkshochschule Burgenlandkreis als Bildungsträger werden Erstorientierungskurse gestaltet, die vom Landkreis finanziert werden. Neben diesen bietet die VHS Burgenlandkreis Beratungen und Einstufungstest sowie Sprachunterricht für schulpflichtige Kinder in Unterkünften an. Bis heute bildet „Deutsch als Fremdsprache“ mit 21 Kursen das stärkste Angebot der Volkshochschule.
VHS als Kursträger nach Zuwanderungsgesetz
Die Volkshochschule des Burgenlandkreises ist als Kursträger zur Durchführung von Integrationskursen nach dem Zuwanderungsgesetz registriert.
Das bedeutet, die Volkshochschule ist zugelassener Träger zur Durchführung von allgemeinen Integrationskursen, Alphabetisierungskursen, Eltern- bzw. Frauenintegrationskursen und Förderkursen sowie Integrationskurstests, des „Deutschtests für Zuwanderer", des Tests „Leben in Deutschland" – sprich Angebote, die bereits über sprachliche Integration hinausgehen und als Nachweise für die Einbürgerung dienen.
Die Integrationskurse werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert. Die VHS bietet auch denen Unterrichtseinheiten an, die noch keine Berechtigung vom Bundesamt erhalten haben und unterstütz dabei, die notwendigen Formalitäten zu erfüllen.
Von der Unterbringung zur Wohnung
Nach § 47 AsylG liegt die Höchstaufenthaltsdauer einer Erstunterkunft bei sechs Monaten. In der Praxis werde Geflüchtete jedoch meist in wenigen Tagen in Folgeunterkünfte gebracht, die unter der Zuständigkeit der Kommunen liegen. Die Gesetzgebung ist hier an die der Länder gebunden, welche sich in diesem Zusammenhang stark unterscheiden. Die Kommunen müssen zeitnah eine dezentrale Unterbringung der Asylbewerber unter Berücksichtigung von Aspekten wie Erreichbarkeit von Sprachkursen, Schulen und Kitas, Ärzten und öffentlichem Nahverkehr gewährleisten, um die Bildung einer Parallelgesellschaft zu vermeiden. Im langfristigen Blick muss mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen und damit einhergehende blockierende Rechtsrahmen gelockert werden.
Bezahlbar Wohnen im Bodenseekreis
Der Bodenseekreis ist ein wirtschaftsstarker Raum, welcher mit immer mehr Zuzug und damit einhergehender Wohnungsknappheit konfrontiert ist. Für Gemeinschaftsunterkünfte standen kaum leerstehende Gebäude zur Verfügung, sodass schnell auf kleinere Einheiten zurückgegriffen wurde und der Bau von neuen Unterkünften beschleunigt werden musste. Dafür wurde der Rahmen des Baurechts gelockert. Die Nachfrage nach bezahlbaren Wohnraum wurde durch die aufgenommenen Flüchtlinge noch weiter verschärft. Um Sozialneid zu unterbinden werden die neuen Sozialwohnungen auch an sonstige Hilfeberechtige vermittelt.
Auf der Website des Kreises steht Vermietern und Grundstückeigentümern eine Schnittstelle zur Verfügung, Geflüchteten ihren Wohnraum anzubieten.
Migration als Chance für die Arbeitswelt
Teil langfristiger Integration kann in Deutschland nur ein möglichst zielgerichtetes und schnelles Einbinden der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt sein. Dafür müssen sind in jedem Fall die Kompetenzen aller beteiligten Behörden und Träger zu bündeln und Kooperationen mit Unternehmen und Sozialpartnern zu arrangieren.
Asylbewerbern muss möglichst zeitnah die Möglichkeit zur Arbeitserprobung sowie der Erwerb neuer Qualifikationen geboten werden. Die Qualifizierung und Integration sollte als Chance begriffen werden, demografischen Entwicklungen und Fachkräftemangeln entgegen zu wirken. So soll verstärkt die Ausbildung in Bereichen wie beispielsweise Pflege angeboten werden.
Berufsvorbereitung im Werra-Meißner-Kreis
Der Werra-Meißner-Kreis hat einen klaren Integrationsprozess, welchen ein Geflüchteter bis zur Arbeitsstelle durchläuft. Das IvAF (Integration von Asylbewerberinnen, Asylbewerbern und Flüchtlingen) macht Geflüchtete bereit für den Arbeitsmarkt. Das beginnt beim Prüfen der Aufenthaltspapiere, geht über das Informieren zu Fördergeldern und Ausbildungsunterstützung wie BAföG bis hin zu Sprach- und Integrationskursen.
Das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ hilft dabei, ausländische Schul-, Ausbildungs-, oder Studienabschlüssen anzuerkennen. Diese werden im Vergleich mit einem deutschen Abschluss auf Gleichwertigkeit überprüft. Wenn die Qualifikation gleichwertig ist, wird sie damit auch anerkannt. Während des Prozesses fallen in der Regel Kosten an, daher informiert der Landkreis auch über Förderungen.
Nähe schafft Beschäftigung
Das Projekt IdEE (Integration durch Eingliederung in das Erwerbsleben) vermittelt unter der Prämisse „Nähe schafft Beschäftigung“ Geflüchtete an Unternehmen. Dabei wird auch im Bereich Ausbildung oder schulischer Weiterbildung beraten. Das Projekt bietet unter anderen eine Anlaufstelle für Arbeitgeber, sich in Bezug auf die Einstellung von Geflüchteten zu bilden und so Verständnis auf beiden Seiten zu schaffen.
Das Projekt ‚Berufsstart Bau‘, das vorerst vor allem für junge Menschen vorgesehen war, wurde ebenfalls eingesetzt, um Geflüchteten eine Perspektive zu bieten. Berufsstart Bau bietet im Rahmen eines vergüteten Praktikums die Möglichkeit, alle Berufe des Baugewerbes zu testen. Teil des Projektes ist es ebenso, die Teilnehmer direkt an eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle zu vermitteln.
Schule und Bildung für Geflüchtete
Bildung schafft die Grundlage einer nachhaltigen Integration in Arbeit und Gesellschaft. Kommunen wird die Aufgabe zu Teil, relevante Akteure im Bildungsbereich zu vernetzen und Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund schnell an Schulen aufzunehmen und am Regelunterricht teilhaben zu lassen. Dafür müssen vorerst spezielle Klassen in entsprechender Sprache angeboten werden. Für ältere Schüler sind Beratungsangebote zur Weiter- und Berufsbildung einzuräumen sowie das Nachholen von Abschlüssen über verschiedene Bildungswege.
Lernen im Rhein -Kreis-Neuss
Rahmen der schulischen Integration ist das Bundesprogramm „Kommunale Koordinierung der Bildungsangebote für Neuzugewanderte“.
In Kreisen und kreisfreien Städten in Nordrhein-Westfalen werden zusätzlich Kommunalen Integrationszentren (KI) durch Komm-An-NRW gefördert.
Das KI Rhein-Neuss-Kreis fördert zahlreiche Projekte, um die Ausbildung an Schulen für Geflüchtete zu gestalten. Neben Sprachkursen gibt es Beratungen über einen Quereinstieg in das Schulsystem oder den Übergang von Schule zu Beruf, das Programm "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage" sowie systematisches Anti-Gewalt-Training bzw. Sozialkompetenztraining für Geflüchtete sowie einheimische Schüler.
Der Landkreis organisiert sogenannte Willkommensklassen, in denen vorerst die deutsche Sprache vermittelt wird, bevor die Kinder dem regulären Unterricht beiwohnen. Zusätzlich wird herkunftsprachlicher Unterricht angeboten, um nicht durch Sprachbarrieren im Stoff zurückzufallen.
Frühzeitig das Thema Migration und Integration vermitteln
Schülern soll nicht nur die Möglichkeit geboten werden, gleichwertige Bildung zu erfahren, auch das Schulumfeld muss zum Lernen motivieren. Daher müssen auch die einheimischen Schüler in den Integrationsprozess einbezogen werden.
Um Konflikte und Missverständnisse zu verhindern, müssen sich Schüler frühzeitig mit dem Thema Migration und Integration beschäftigen. In einem Projektkurs „Flüchtlinge im Rhein-Kreis-Neuss“ erarbeiteten Schüler Filme zum Thema Flüchtlinge und Integration, welche im Juli dieses Jahres im Kulturforum in Neuss präsentiert wurden. Dabei setzen sich die Kinder mit dem Leben von Flüchtlingen im Rhein-Kreis Neuss, dem Streit um ein Flüchtlingsheim in Allerheiligen und Flüchtlingen als potenzielle "Neu-Neusser“ auseinander.
Ehrenamt als Stütze der Integration
Nur durch staatliche Organisation und ohne ehrenamtliches Engagement ist Integration schwer zu tragen. Daher ist es Aufgabe der Kommune, ehrenamtliche Helfer zu koordinieren und zu fördern.
Die Einsatzmöglichkeiten der ehrenamtlichen Helfer sollten sich dabei den verändernden Anforderungen für Integration anpassen. Dafür sind Schulungsprogramme für ehrenamtliche Helfer zu entwickeln, um gut auf die veränderten Anforderungen bei der Integration vorbereitet zu sein.
Für die ehrenamtliche Arbeit ist die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Außerdem ist Selbstorganisation zu fördern. Ehrenamt sollte außerdem als Chance betrachtet werden, Geflüchtete einzubinden, sie selbst im Ehrenamt aktiv werden zu lassen und so anderen Geflüchteten zu helfen. Elementar für die Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlichen Organisationen und den Kommunen ist eine schnelle, stetige und effektive Kommunikation sowie ein Ausdruck von Wertschätzung. Neben der kommunikativen Form der Wertschätzung sollte auch der Zugang zu Fördermitteln für Ehrenamtsorganisation einfacher, schneller und unbürokratischer gestaltet werden.
Ehrenamt koordinieren im Enzkreis
Mit der "Enzkreis-Strategie Flüchtlinge" wurde ein Gesamtkonzept aus 29 Bausteinen geschaffen, die die Bereiche Wohnen, Gesundheit, Sicherheit oder auch den Umgang mit Ehrenamtlichen umfasst.
Um Geflüchtete im Enzkreis kümmern sich die Mitarbeiter des Landratsamts, die Leiter der Unterkünfte der Fachdienst für Flüchtlinge des Vereins miteinanderleben e.V. und die Q-Prints and Service gGmbH.
Aber auch weitere ehrenamtliche Vereine wie die Koordinierungsstelle für Flüchtlingsarbeit der Diakonie im Enzkreis, das Netzwerk Asyl in Straubenhardt, der Freundeskreis Asyl in Ispringen oder der Helferkreis für Flüchtlinge Neulingen helfen Flüchtlingen bei rechtlichen Fragen, organisieren Unterkünfte und Wohnraum und unterstützen bei Behördengänge.
Insgesamt gibt es 1.500 aktive Ehrenamtliche im Enzkreis, welche durch die Kommune koordiniert werden müssen. Dafür wurde eine Stabstelle für Integration im Sozialdezernat eingerichtet. Zusätzlich gibt es zwei Ansprechpartner, welche Ehrenamtlichen in ihrer Arbeit beratend zur Seite stehen. Die Kommune organisiert Ehrenamtskonferenzen und begleitet und fördert die Arbeit der Vereine.
Gesellschaftliches Zusammenleben als Ziel
Langfristig betrachtet gilt es, ein Zugehörigkeitsgefühl bei den Migranten und ein friedliches Zusammenleben zu schaffen. Die Aufgabe der Kommune ist es hier, Konfliktfällen vorzubeugen sowie das Grundgesetz, gesellschaftliche Werte und kulturelle Gepflogenheiten durch geeignete Wege und Medien zu vermitteln. Dabei muss klar kommuniziert werden, welche sozialen Verhaltensweisen von den Geflüchteten erwartet werden. Konkret sind hier die deutschen Werte Gleichberechtigung sowie Meinungs- und Religionsfreiheit zu vermitteln.
Um im Gegenzug Akzeptanz der Geflüchteten in der einheimischen Bevölkerung zu schaffen, sind Veranstaltungen der Begegnung zu organisieren und die direkte und offene Kommunikation zu unterstützen. Positive wie negative Entwicklungen müssen transparent und angemessen kommuniziert werden.