Zwei Jungs spielen am Rand eines Teichs
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Einhaltung von Kinderrechten in Kommunen: Pflicht oder Kür?

Der Verein Kinderfreundliche Kommunen unterstützt Städte und Gemeinden dabei, Kinderrechte umzusetzen. Ein Interview mit Geschäftsführer Dominik Bär

Geht es um die Frage, wie eine stärkere Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene erreicht werden kann, so sind meist Erwachsene im Fokus. Kinder und Jugendliche werden als Zielgruppe oftmals nicht in Betracht gezogen, ihre Interessen damit auch nicht berücksichtigt. Dabei sind sie es, die als Heranwachsende lernen können und sollten, wie Partizipation und damit auch ein Stück weit Demokratie funktioniert. Es ist eine Investition in die Zukunft, denn die jetzt Jüngsten werden unser Zusammenleben von morgen prägen. VdZ sprach mit Geschäftsführer Dominik Bär über die Arbeit des Vereins Kinderfreundliche Kommunen, der Städte und Kommunen bei diesem Prozess begleitet.

Das Programm ist eine Initiative von Unicef und dem Deutschen Kinderhilfswerk, das vom Bundesfamilienministerium gefördert wird. Was müsste darüber hinaus passieren, damit das wichtige Thema der Teilhabe von Kindern und Jugendlichen stärker in den Fokus von Kommunen, aber auch von Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft rückt?

Dominik Bär: Die UN-Kinderrechtskonvention ist von Deutschland 1992 ratifiziert worden und gilt spätestens seit der Rücknahme der Vorbehalte 2010 uneingeschränkt als Bundesgesetz. Dies ist leider viel zu wenig bekannt, weshalb viele Rechte, die dort festgeschrieben sind, immer noch als freiwillige Leistungen wahrgenommen werden. Beziehungsweise gar nicht bei den Pflichtenträgern Bund, Ländern und Kommunen bekannt sind. Wir haben hier ein klares Umsetzungsdefizit, dass sich in der Fläche verstärkt. Es müsste also einerseits in der Rechtsaufsicht mehr auf die Einhaltung der Kinderrechte geachtet werden. Andererseits würde die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz wie von unseren Trägern dargelegt, die Teilhabemöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen mit der stärkeren Wahrnehmung der Kinderrechte sicher deutlich verbessern.

Nehmen wir ein Beispiel: Weil am Rhein ist eine von sechs Pilotkommunen, die Sie seit 2012 unterstützen. Mittlerweile hat die Stadt den zweiten Aktionsplan vorgelegt. Wenn Sie zurückblicken: Wo lagen besondere Herausforderungen? Und welche Entwicklung hat Weil am Rhein in den zehn Jahren seit dem Start des Programms gemacht?

Wir sind gerade dabei die Wirkung, die unser Programm in den teilnehmenden Kommunen erzielt hat, wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Die Ergebnisse werden uns in der zweiten Jahreshälfte vorliegen. Erste Ergebnisse zeigen aber, dass in allen Kommunen deutliche Veränderungen messbar sind. In Weil am Rhein, einer Stadt, in der die Interessen von Kindern und Jugendlichen schon lange ernst genommen werden, hat sich durch die Teilnahme trotz aller guten Praxis noch einiges entwickeln können. So hat die Stadt viele neue Angebote für Kinder und Jugendliche geschaffen, die auf deren Vorschlägen und Interessen beruhen. Beispielhaft seien hier nur der Street-Workout-Park oder die Open-Air-Sporthallte oder die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen bei der neuen Rheinpromenade erwähnt. Aber auch auf der strukturellen Ebene haben Dinge entwickelt. So hat die Stadt eine Kinder- und Jugendbeauftragte berufen, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen ressortübergreifend in der Verwaltung vertritt und es wurde ein Verwaltungsleitfaden für Kinder- und Jugendbeteiligung erarbeitet.

Mit Pankow und Marzahn-Hellersdorf nehmen auch zwei Berliner Stadtteile an dem Programm teil. Welche Unterschiede gibt es in Bezug auf Kinderfreundlichkeit zwischen einer Metropole und zum Beispiel einer Stadt wie Zeven im Landkreis Rothenburg (Wümme)?

Wir begleiten in unserem Programm ja sehr unterschiedliche Städte und Gemeinden, von Algermissen mit knapp 8.000 Einwohner_innen bis zur Millionenstadt Köln. Ein wichtiger Unterschied dabei ist, dass es völlig verschiedene Zuständigkeiten gibt. Gerade zwischen kreisfreien und kreisangehörigen Kommunen unterscheiden sich ja die Handlungsmöglichkeiten sehr. In Großstädten gilt es die Multiplikator_innen aus sehr vielen Themengebieten zu erreichen, damit das Thema Kinderfreundlichkeit in einer Verwaltung mit tausenden Mitarbeitenden wirklich ankommt. Hier gilt es stärker verbindliche Beschlüsse, Leitfäden und Strukturen aufzubauen, während in kleineren Gemeinden der direkte Kontakt in der Verwaltung viele Absprachen vereinfacht. Dennoch sind auch hier verbindliche Grundlagen zu schaffen, die die Umsetzung der Kinderrechte langfristig verbindlich absichern. Außerdem haben kreisfreie Städte den Zugang zu Daten, die sie selbst erheben und daher für ihre Planungen nutzen können. In kreisangehörigen Städten ist der Zugang zu Daten über die Situation der Kinder und Jugendlichen sehr schwer, da sie auch bei Abfrage oft nicht zugänglich sind. Das erschwert hier die evidenzbasierte Planung von Maßnahmen sehr.

Wenn sich eine Kommune für das Programm entscheidet: Wie gehen Sie vor? Welche Unterstützung kann die Stadt oder Gemeinde von Ihrem Verein erwarten?

In einem ersten Schritt verschaffen wir uns in einer umfangreichen Standortanalyse ein fundiertes Bild der Kommune, dass wir mit den Akteur_innen vor Ort diskutieren und anpassen. Im Anschluss bekommt jede Kommune individuelle Empfehlungen und Hinweise, wie die Kinderrechte besser umgesetzt werden können, die sich an der Situation vor Ort orientieren. Auf Grundlage dieser Empfehlungen entwickelt jede Kommune einen eigenen Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen. Auch bei diesem Prozess unterstützen wir die Kommune.

Wir blicken nun auf eine zehnjährige Erfahrung mit mittlerweile 42 Kommunen zurück. Bislang haben alle Kommunen, die einen Aktionsplan erarbeitet haben, auch eine Verlängerung beantragt. Von daher kann man sagen, dass die Kommunen von uns die Teilnahme an einem nachhaltigen Prozess erhalten. Wir bieten einen professionellen Blick von außen und unterstützen die Kommunen zudem durch ein interdisziplinäres Netzwerk an Sachverständigen. Wichtig ist uns auch der interkommunale Austausch. Die Kommunen nehmen regelmäßig an den Netzwerktreffen und an den Workshops des Vereins teil. Bei Bedarf gibt es auch Unterstützung von regionalen Fortbildungsangeboten oder Empfehlungen von Referent_innen. Zudem haben unsere Träger Netzwerke, die die Kommunen nutzen können, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Als Teil der Child Friendly Cities Initiative hat das Vorhaben einen klaren internationalen Bezug. Die Kommunen werden mit Best Practice-Beispielen aus Europa und der ganzen Welt vernetzt. Und als Höhepunkt unseres Programms erhalten die Kommunen eine Auszeichnung durch zwei anerkannte Träger – Das Deutsche Kinderhilfswerk und UNICEF Deutschland.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bär.

Kinderfreundliche Kommunen e.V.

Geschäftsführer Dominik Bär

 Tel: +49 (0)30 202 192 09

baer[at]kinderfreundliche-kommunen.de

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