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"Hatten vergessen, dass wir irgendwann auch leisten müssen: Jetzt."

Das 1. ZuKo-Sozialversicherungsforum - ein Bericht in eigener Sache

Das 1. Zuko-Sozialversicherungsforum bot am 9.11.2022 eine neue Begegnungsstätte für den Austausch unter mehr als 150 Vertreter:innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, die die gemeinsame Zielsetzung zusammenbrachte: den deutschen Sozialstaat stark, modern und leistungsfähig erhalten. Das Forum hinterfragt bestehende Strukturen und Prozesse vor dem Hintergrund neuer digitaler (und teils disruptiver) Veränderungen.

Jedem Neuen liegt ein gewisser Zauber inne...
 

Mit diesem Satz, frei nach Hesse, eröffnet Oliver Lorenz das 1. Sozialversicherungsforum am Morgen des 9. November. Tag "zwischen Pogrom und demokratischen Aufbruch", wie Eröffnungsmoderator Jürgen Zurheide vom Deutschlandfunk annotiert, mit Blick auf die brisante Bedeutung des Sozialstaatssystems für den Fortbestand des sozialen Friedens. Darum geht es, wenn es um Sozialversicherung geht. Sie ist die Basis für die Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft. Auch Anja Dujić, BMAS, weist darauf hin, wie relevant aktuell Unterstützungsleistungen sind. Der soziale Staat ist die Säule unserer Demokratie und zugleich auch Abbild der Leistungsfähigkeit derselben, so Dujić. Dabei gilt es besonders auf sensible Sektionen zu achten: Rente, Arbeitslosengeld, Unfallversicherung. Denn es sind die hochsensiblen Berührungspunkte zwischen Bürger und Staat, welche zugleich die Häufigsten sind. Dujić berichtet auch aus dem Arbeitskreis KI, über die bevorstehende Veröffentlichung selbstverpflichtender Leitlinien. Als Basis für den KI-Einsatz werden jetzt Wertegrundlagen festgelegt: Menschenzentrierung, Transparenz und Sicherheit, sowie Vermeidung von Diskriminierung. Leitfragen waren:

  • Wie kann die Einführung menschenzentriert gestaltet werden? So, dass die Technologie dem Menschen folgt, nicht umgekehrt.
  • Wie können Folgen von künstlicher Intelligenz frühzeitig abgeschätzt und minimiert werden? Grundsatz: Je größer das Risiko für den Einzelnen, desto höher müssen die Anforderungen sein.
  • Wie sieht eine gute Datenqualität aus?  'Schlechte' Daten führen zu Bias - verzerrte und u.U. diskriminierende Daten.

Ziel sei, dass alle Behörden der Sozialverwaltung jetzt geschult werden und die Leitlinien beginnen einzusetzen. Das BMAS teilt außerdem die Erkenntnisse mit Behörden, die ähnliche Strukturen (konkrete Bürgerdaten...) haben.

Das Forum blickt auf die Zahlenlage
 

Die Chefvolkswirtin der HELABA, Gertrud Traud, brachte das Forum im Anschluss auf die Flughöhe der Zahlen und Fakten. Sie beschrieb zunächst die Weltstimmung. Diese ist zwar generell von Verunsicherung geprägt, mit Blick auf Deutschland wird aber deutlich, dass wir hier eine sehr besondere Situation haben. Deutschlands aktuelle Verunsicherung ist laut den dargestellten Statistiken 4x größer als die der Weltgemeinschaft. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Inflation ist da und wächst, die Verbraucherpreise steigen. Die Geldillusion der Vergangenheit ist zerstört. Schlimmer als in den 70er Jahren, so Traud, die eine Rezession erwartet. Die größte Herausforderung sieht sie in unserem demografischen Wandel.

Digitalisierung geht hier Hand in Hand. Traud erinnert daran, dass vor 5 Jahren ein Fernsehphilosoph prognostizierte, dass wir durch die Digitalisierung in eine Massenarbeitslosigkeit geraten würden - er irrte.

Aus dem Publikum ergänzte Johannes Ludewig, dass bereits 2017 vom Normenkontrollrat eine ständige Digitalisierungstauglichkeitsprüfung bei jeder Gesetzgebung gefordert wurde: ohne Reaktion! Alle redeten nur vom Datenschutz und hatten - mit Ausnahme der BA - Furcht vor der Digitalisierung. "Hatten aber vergessen, dass wir irgendwann auch leisten müssen: Jetzt." Darin sieht Ludewig den Grund für Vertrauenszweifel in den Staat und unsere Demokratie. Es liegt wohl auch an einem Generationenwechsel.

Strategie und Gebot
 

Das 1. Sozialversicherungsforum wurde durch eine Vielzahl von Best-Practice-Dialogen und Fachforen, sowie einem Lightning Talk zum Rentensystem vertieft. Auch die Anforderungen an eine Digitalstrategie wurden unter die Lupe genommen. Im Umgang mit sich wiederholenden Vorankündigungen der großen Strategie tritt leicht der Effekt auf, dass keiner mehr daran glaubt. Besonders zielführende Hinweise kamen hier aus der Wirtschaft, Ralf Schneider von der Allianz lehrte, dass jede neue Strategie ohne Exekution derselbigen ein Phantom bleiben muss. Wie der Gefahr eines Luftschlosses entkommen? Vielleicht hilft hier ein Lernen von erfolgreichen Unternehmensstrategien, die auf Content, Context, Execution und Konsequenz von Beginn an setzen.

Schneider berichtet: "Wir hatten z. B. damals viel, viel Papier, vor 15 Jahren. Das Paradigma war: Scanning before Processing. Solche absoluten Paradigmen brauchen wir. Sonst brauchen wir nicht anfangen."

 
Das 2. ZuKo-Sozialversicherungsforum wird am 4.+5.12.2023 stattfinden.
Das war das 1. ZuKo-Sozialversicherungsforum
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