Auf einer Tastatur ist anstelle des L eine Justiz-Waage abgebildet
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Zu maschinenverständlichen und automatisierbaren Gesetzen

Ein Überblick zur digitalen Vollzugstauglichkeit in der Gesetzgebung

Die Digitalisierung des öffentlichen Sektors birgt große Potenziale für einen effizienteren und effektiveren Verwaltungsvollzug. Eine der größten Hürden hierzu liegt in der Gesetzgebung, welche das Fundament für die praktische Umsetzung legt. Das von der Verwaltung zu vollziehende Recht ist häufig nicht „digitaltauglich“, sondern beinhaltet Hürden für durchgehend digitale Verwaltungsprozesse oder automatisierte Prüfungen. Wurde die IT-basierte Umsetzung nicht bereits beim Rechtsetzungsprozess berücksichtigt, können rechtliche Regelwerke nur unter hohem Aufwand und hoher Fehleranfälligkeit in Software und durchgängig digitale Prozesse übersetzt werden. Das Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) gibt einen fokussierten, praxisorientierten Überblick über die fünf Handlungsfelder auf dem Weg zu maschinenverständlichen und automatisierbaren Gesetzen.

1. Eindeutige Entscheidungsregeln sind maschinell ausführbar

Entscheidungsregeln in Gesetzen können nach dem Muster „Wenn … dann …“ gestaltet werden und entsprechen so grundsätzlich der binären Logik der IT (siehe Abbildung 2). Also können die gesetzlichen Konditionalprogramme grundsätzlich in Programmiersprache abgebildet und somit automatisiert vollzogen werden. Hierfür müssen die rechtlichen (Tatbestands-) Voraussetzungen eindeutigen Rechtsfolgen zugeordnet werden. Voraussetzungen könne Bedingungen, Unterbedingungen oder Ausnahmen, die im Verwaltungsverfahren geprüft werden, sein.

Abb. 2: Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, § 1 Absatz 1 als „Wenn-Dann“- Formel dargestellt
© Fraunhofer FOKUS

2. Rechtsbegriffe standardisieren

Im Recht werden oftmals die gleichen Begriffe mit unterschiedlichen Bedeutungen eingesetzt oder es werden unterschiedliche Begriffe für die gleichen Bedeutungen verwendet. Dies erschwert die automatische Rechtsanwendung, da neben der Eindeutigkeit der Regel auch die einzelnen Elemente der Regel eindeutig sein müssen, um maschinenverständlich zu sein. Hierfür müssen klare Definitionen zu allen Begriffen einer Entscheidungsregel vorliegen, damit diese vollständig automatisch geprüft werden können. Ein standardisierter rechtlicher Begriffsraum (siehe Abbildung 3) kann hier helfen, die Vielfalt von Begriffen und Begriffsdefinitionen zu reduzieren und Standarddefinitionen für neue Gesetzesentwürfe zugänglich zu machen.

Abb. 3: Standardisierter Begriffsraum
© Fraunhofer FOKUS

3. Begriffe mit digitalen Datenquellen verknüpfen

Für die automatisierte Rechtsprüfung muss jedem Definitionskriterium eines standardisierten Rechtsbegriffs eine Datenquelle zugeordnet werden, beispielsweise digitale Registerfelder oder Urkunden. Die Verknüpfung von Entscheidungsregeln und Begriffen mit Datenquellen sollte also regelmäßig geprüft werden, um geeignetere Datenquellen für die automatisierte Prüfung heranziehen zu können. Dabei sollte auch bereits bei der Rechtssetzung bedacht werden, auf welche bestehende digitalen Quellen zurückgegriffen werden kann, ehe neue Daten erhoben werden. Dabei hat selbstverständlich der politische Wille Vorrang vor der Dateneffizienz.

4. Gesetze auch vom Vollzugsprozess her denken

Um Praxistauglichkeit und Vollzugsaufwand von Gesetzesentwürfen besser abzuschätzen, werden parallel die nötigen Geschäftsprozesse der Verwaltung modelliert und der daraus folgende Vollzugsaufwand. Durch die Visualisierung können leicht Optimierungspotenziale für den Gesetzentwurfs identifizierten werden.

Abb. 5: Ausschnitt aus dem Soll-Prozess des Projekts »Einfach Leistungen für Eltern (ELFE)« zur Bearbeitung eines Antrages auf Elterngeld
© CC BY NC ND Freie Hansestadt Bremen

5. Gesetzgebungsprozess: Methoden und Kompetenzen erweitern

Um die Maschinenverständlichkeit, Automatisierbarkeit und Praxistauglichkeit von Gesetzen zu gewährleisten, müssen die bereits genannten vier Handlungsfelder in den Gesetzgebungsprozess integriert werden. Dies verlangt unterschiedliche fachliche Kompetenzen. Erforderlich sind interdisziplinäre Gesetzgebungsteams, die mindestens aus Jurist:innen, Softwareentwickler:innen sowie Vollzugsexpert:innen und Prozessverantwortlichen bestehen. Die Visualisierungen helfen, eine Brücke zwischen den verschiedenen Disziplinen zu schlagen.

Impulspapier

Resa Mohabbat Kar, Basanta E. P. Thapa, Simon Sebastian Hunt und Prof. Dr. Peter Parycek vom Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) gehen in ihrem Impulspapier näher auf die bereits genannten Handlungsfelder ein und geben einen kurzen Überblick über Rechtsanwendungen in der öffentlichen Verwaltung.