Standards statt Zentralisierung
Eine echte Digitalisierung der Verwaltung schafft man nur mit digitalen Ende-zu-Ende-Prozessen
Judith Gerlach, Staatsministerin im Bayerischen Staatsministerium für Digitales, setzte die Akzente in ihrem Grußwort auf dem 8. Zukunftskongress Bayern: Sie lobte, dass der Bund bei der OZG-Umsetzung die Länder einbeziehe und zog für Bayern eine positive Bilanz: Der Großteil der Top-OZG-Leistungsbündel sei fertig und stünde jetzt schon Kommunen über das BayernPortal zur Verfügung. Was jetzt dringend umgesetzt werden müsse: die Durchgängigkeit digitaler Prozesse, die bis in die Fachverfahren greifen. Denn das OZG beachte bisher nur den Zugang des Bürgers zu Verwaltungsleistungen. Außerdem wichtig: eine Verknüpfung der unterschiedlichen Register, die Realisierung mobiler Identitäten auf dem Smartphone und die Forcierung von Open Data, damit Bürgerinnen und Bürger an den kommunalen Prozessen teilnehmen. Letzteres sei ganz im Sinne der Nutzerzentrierung, der Partizipation der Bürger. So ist es kein Zufall, dass vor wenigen Wochen alle Bayern aufgefordert wurden, sich mit ihren Ideen, Meinungen und Anregungen zum Digitalplan Bayern 2030 einzubringen. Im Frühsommer, versprach Gerlach, soll dann auch das neue Digitalgesetz vom Landesparlament verabschiedet werden.
EfA-Prinzip auf dem Prüfstand
Trotz einiger kritischer Stimmen waren sich die meisten in den vielen Vorträgen und Stammtisch-Diskussionen einig: Das EfA-Prinzip ist ein Schritt in die richtige Richtung, um Verwaltungs-Online-Dienste in die Fläche zu bekommen. Allerdings seien die Nachnutzungsmodelle oft noch nicht klar definiert und die Finanzierung nach 2022 auch nicht. In seinem Beitrag am Stammtisch VI mit dem Titel Net ois doppet macha, vui is scho da! So bringen wir digitale Bürgerservices in die Fläche brachte Michael Diepold, Senior Vice President Digital Government, AKDB, ganz konkrete Beispiele, wo EfA ein Erfolg sei: etwa bei der Zusammenarbeit zwischen AKDB und dem Land Brandenburg, aus dem EfA-Fachdienste für das Ausländerwesen hervorgegangen sind. Diese werden bereits bei über 100 Ausländerbehörden in 11 Bundesländern ausgerollt.
Open Source ist die Lösung
Diepold machte klar, dass EfA-Dienste nur dann ein Erfolg sind, wenn sie nach bestimmten Kriterien entwickelt werden: als Open-Source-Software, als Microservices und in Containern bereitgestellt. Das würde maximale Flexibilität erlauben: So geartete Online-Dienste könnten nämlich problemlos in jeder kommunalen Website integriert werden, ganz unabhängig davon, welches Portal im Einsatz ist – und ganz unabhängig davon, ob überhaupt ein Portal genutzt wird. Die Containerisierung von Online-Fachdiensten sei der erste Schritt, um eine hoch skalierbare Verwaltungs-Cloud aufzubauen, bei der viele (öffentliche) Rechenzentren sich die Rechenleistung teilen. Diepold hielt ein Plädoyer gegen Silos, gegen Konkurrenzdenken zwischen Bund, Ländern und Kommunen und zwischen Bundesländern. Eine offene Entwicklergemeinschaft, Transparenz, Kollaboration, kommunale Einbindung und die Cloud: Das seien die wesentlichen Erfolgsrezepte für ein funktionierendes E-Government.
Die Zukunft des Bürgerservice-Portals: kein Portal
Ähnlich äußerte sich Torsten Frenzel, E-Government-Experte in der Stabsstelle Digitale Verwaltung bei der AKDB. Er nahm am Stammtisch I mit dem Titel Es pressiert! Wie setzen wir das OZG best- und schnellstmöglich um? teil. Frenzel prognostizierte etwas provokant und ganz im Sinne offener Software-Architekturen das Aus für den Portalrahmen des Bürgerservice-Portals. Denn in dem Maße, in dem Fachdienste nach Open-Source-Kriterien und nach einer Web Components-Architektur entwickelt werden, wird ein starres Portal zwar optional, aber nicht notwendig sein.
Smarte Lösungen und Internet of Things
Kommunen zu digitalisieren ist viel mehr als Fachdienste und Fachverfahren zur Verfügung zu stellen. Einen Blick in die nicht allzu weite Zukunft bot der Stammtisch mit dem Titel A gscheide Digitalisierung! Wie machen wir Stadt und Land smart? Hier ging es um die Frage, wie künftig die Daseinsvorsorge in Kommunen aussehen soll. Auch hierbei unterstützen digitale Lösungen. Steffen Kleinmanns, Geschäftsführer der AKDB-Tochter digitalfabriX, präsentierte den digitalen Winterdienst, der Kommunen einen besseren Überblick über Ressourcenverbrauch liefert. Das Stichwort lautet: Sensorik und Internet-of-Things. Hierbei erfassen Sensoren an Streudienstfahrzeugen oder in Salzsilos Füllstände, ausgebrachte Salzmengen, abgefahrene Strecken und Zeitaufwand. Das Ganze dient optimalen Prognosen zu Verbrauch und Bedarf. Aber Sensorik kann auch Leben retten. Kleinmanns verzeichnet zum Beispiel großes Interesse am digitalen Wassermanagement, mit dem Kommunen in Echtzeit Pegelstände oder den Zustand der Kanalisation und der Trinkwasserversorgung monitoren können. Besonders in Hochwassergebieten kann man so zuverlässig die Überlaufwahrscheinlichkeit errechnen.
Standards statt Zentralisierung
Last but not least fasste das Schluss-Panel mit Jan-Lars Bey von Cassini Consulting, Christian Bähr (Digitalministerium), Dirk Arendt (Trend Micro), Petra Wolf (digital@M GmbH) und Gudrun Aschenbrenner (AKDB-Vorstandsmitglied) den Tag zusammen. Einigkeit herrschte bei diesen Punkten: Wir brauchen mehr Zusammenarbeit und Transparenz zwischen den Beteiligten der Verwaltungsdigitalisierung und wir brauchen Standardisierung statt Zentralisierung.
Die Frage, wie wir Bund, Länder und Kommunen und - nicht zu vergessen! - die Zivilgesellschaft an einen Tisch bringen, um E-Government zu einem vollen Erfolg zu machen, ist noch nicht beantwortet. Klare rechtliche Rahmenbedingungen, klare Finanzierungsbedingungen, Transparenz und Akzeptanz der Vielfalt sind wichtige Pfeiler für den Erfolg. Der Weg dorthin führt über Open Source, Cloud und klare Standards, die der Bund vorgeben muss.