Zukunftspanel 2025

Dreifaltigkeit zur schnellen Modernisierung

ZuKo-THINKTANK Spezial nach der Bundestagswahl

Am 25. März 2025 fand in der Hertie School der ZuKo-THINKTANK Spezial nach der Bundestagswahl statt. Die Veranstaltung bot exklusive Einblicke in die Ergebnisse einer deutschlandweiten Umfrage zur Effizienz und Reformfähigkeit von Staat und Verwaltung. Gemeinsam mit führenden Expert*innen aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft wurden die dringendsten Reformbedarfe diskutiert.

Die Umfrage, durchgeführt von der Wegweiser Research & Strategy GmbH in Zusammenarbeit mit dem Centre for Digital Governance der Hertie School und unterstützt von der Cassini Consulting AG, der govdigital eG und KPMG, zeichnet ein ernüchterndes Bild: 65 % der Befragten halten den Staat für überfordert – ein Wert, der in der Privatwirtschaft mit 81 % noch kritischer bewertet wurde als innerhalb der Verwaltung selbst (60 %). 

Diese Ergebnisse sowie mögliche Wege aus der wahrgenommenen Handlungsunfähigkeit hin zu einer modernen und effizienten Verwaltung wurden in einem hochkarätig besetzten Panel diskutiert, an dem folgende Expert*innen teilnahmen:

  • Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid (Hertie School)
  • Ralph Brinkhaus (MdB, CDU)
  • Katja Wilken (BVA)
  • Martin Schallbruch (govdigital eG)
  • Dr. Christoph Baron (KPMG)
  • David Wichmann (Cassini Consulting AG)

Verwaltungsmodernisierung als absolutes Führungsthema

Eröffnet wurde der Abend seitens Wegweiser und Prof. Hammerschmid mit einer Präsentation der Umfrage und den wichtigsten Ergebnissen (zum Download auf VdZ). Dabei wurde die Initiative BundOnline 2005 referenziert, in der vor 20 Jahren bereits Ziele für die Staatsmodernisierung geschlossen wurden. Erreicht wurde diese Vision jedoch noch immer nicht, wie die Umfrage verdeutlichte.

Prof. Hammerschmid betonte, dass Personalthemen bei der diesjährigen Umfrage deutlich an Bedeutung verloren haben, während die behörden- und ressortübergreifende Zusammenarbeit stark an Relevanz gewonnen hat. Themen mit direktem Bürgerbezug rangieren hingegen weiterhin ganz unten auf der Prioritätenliste. Zudem sprechen sich zwei Drittel der Befragten gegen Einsparungen aus, rechnen aber gleichzeitig mit steigenden Ausgaben.

Im Anschluss wurden diese Ergebnisse zunächst aus Sicht der Politik durch den Bundestagsabgeordneten Ralph Brinkhaus bewertet. Der CDU-Politiker zeigte sich besorgt darüber, dass selbst innerhalb der Verwaltung die eigene Effizienz so kritisch bewertet wird. Er kritisierte, dass Reformen oft nicht mit einer klaren Ziel- und Wirkungsorientierung erfolgen. Für ihn gibt es zwei Schlüsselpunkte, um die Leistungsfähigkeit zu steigern: Bürger*innen oder Unternehmen müssen als „Kunden“ der Verwaltung stärker berücksichtigt werden. Zudem müsse besonders im Personalbereich ein Umdenken stattfinden, was von einer starken Führung implementiert werden muss. Brinkhaus betont die Wichtigkeit der Führungsaufgabe, nicht nur in den einzelnen Verwaltungen, sondern auch seitens der Politik: "Ohne eine starke Führung erreichen wir vielleicht einzelne Verbesserungen, doch das System an sich wird nicht besser". Entsprechend müsse das Thema nun von den zwei großen Koalitionspartnern getragen werden.

Prof. Hammerschmid beim Vorstellen der Ergebnisse.

Dreifaltigkeit: Leidensdruck, Handlungsfreiheit und Priorisierung

Katja Wilken, Präsidentin des Bundesverwaltungsamtes, folgte mit einer Einordnung aus der Sicht der Verwaltung. Sie stimmte der Einschätzung weitgehend zu und betonte, dass sich Verwaltungsmitarbeitende für die Wahrnehmung ihrer Institutionen schämen, insbesondere was die fehlend wahrgenommene Nutzerorientierung betrifft. Gleichzeitig zeigte sie sich optimistisch, dass moderne Technologien zunehmend Akzeptanz finden. Auch hat sie weiterhin Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Staats und führte den als positives Beispiel den Umgang in der Flüchtlingskrise an. Als Grund für den Erfolg nannte sie einen hohen Leidensdruck, gleichzeitige Handlungsfreiheit mit richtig gesetzten Priorisierungen  – dann gelinge eine schnelle Umsetzung.

Doch wie bringt man insgesamt einen Drive in die Verwaltung? Als entscheidenden Erfolgsfaktor nannte sie eine klare, messbare Zielsetzung für Mitarbeitende, die durch regelmäßige Evaluationen und produktivitätsorientierte Kennzahlen überprüft werden müssen.

Anschließend bewerteten die Partner des Zukunftspanels die Ergebnisse und Diskussion. govdigital CEO Martin Schallbruch erläuterte, man brauche mehr Zusammenarbeit mit gemeinsamen Infrastrukturen und Plattformen. David Wichmann, Partner bei der Cassini Consulting AG, ergänzte, dass wir auch keine weiteren Strategien "um der Strategie Willen" schreiben sollen, sondern klare Wirkungsziele formulieren, die dann auch der Bevölkerung gegenüber transparent gemacht werden können. Dr. Christoph Baron (Director bei KPMG) schloss den Bezug zum eingangs erwähnten BundOnline 2005: Auch dort wurde die Ende-zu-Ende-Digitalisierung als Ziel festgehalten. Dort wurde auch bereits über digitale KfZ-Zulassungen gesprochen, die den Staat aber bis heute jedes Jahr 800 Millionen Euro kosten und keinen Nutzen stiften.

Katja Wilken, Prof. Gerhard Hammerschmid, Ralph Brinkhaus.

Zentrale Herausforderungen, die diskutiert wurden:

  • Führung und Steuerung: Verwaltungsmodernisierung braucht politische Führung und ressortübergreifende Zusammenarbeit.
  • Bürokratieabbau: Prozesse müssen deutlich vereinfacht werden, um die zunehmende Aufgabenlast zu bewältigen.
  • Digitalisierung und Technologie: Die Verwaltung muss stärker auf evidenzbasierte Analysen setzen, um Produktivität zu messen und effizienter zu werden.
  • Priorisierung: Verwaltung müsse ihr Recht auf Führung durch die Politik stärker einfordern, um klare Prioritäten zu setzen und Ressourcen gezielt einzusetzen. Die Politik muss hier jedoch auch zuhören.
  • Föderalismus-Monster: Die föderale Struktur erschwert Reformen – wie kann sie handlungsfähiger gestaltet werden?

Fazit: Wie schaffen wir endlich die Modernisierung?

Die Veranstaltung verdeutlichte, dass die Modernisierung der Verwaltung kein Selbstläufer ist. Ohne klare Ziele, eine stärkere Nutzerorientierung und politisch getragenen Reformwillen droht Deutschland in der Verwaltungsmodernisierung weiter hinterherzuhinken. Die Ergebnisse der Umfrage sowie die Diskussion mit den Expert*innen zeigen aber auch: Es gibt Ansätze und Potenzial für Veränderung – die Umsetzung erfordert jedoch entschlossenes Handeln und muss von der Führung priorisiert werden.

Die Digitalisierung der Verwaltung leidet weniger an technischen Herausforderungen als an fehlender Führung, mangelnder Nutzerorientierung und komplexen Strukturen. Eine konsequente Priorisierung, messbare Ziele und eine stärkere Führungskultur sind notwendig, um echte Fortschritte zu erzielen.