Herr Schaps, sollten Kommunen in die Cloud gehen? Wenn ja, warum?
Die Anforderungen an die IT in den Kommunen wachsen täglich: die Cybersicherheit muss in Zeiten wachsender Bedrohungen aus dem Internet gewährleistet werden, es gibt einen Wettlauf neuer Technologien bei der Digitalisierung. Dazu gesellen sich eine zunehmende Komplexität der IT-Infrastruktur und kürzere Software-Lebenszyklen. Außerdem wird der Ruf nach längeren Supportzeiten lauter. Auch die zunehmende Mobilität der Arbeit und die notwendige strategische Transformation auf dem Weg zur „Green IT“ sind eine Herausforderung für Kommunen.
Das belastet die oft chronisch unterbesetzten EDV-Abteilungen. Wir sehen jetzt bereits, dass Kommunen uns zunehmend bitten, ihre IT-Landschaft in unserem Rechenzentrum zu betreiben, unter anderem, weil es höchsten Sicherheitsstandards entspricht und in regelmäßigen Abständen BSI-zertifiziert wird. Wir haben dazu unser Angebot „NextGo“ entwickelt. NextGo stellt die Infrastruktur, die Anwendungen und den Support für die Kunden vollumfänglich aus dem Rechenzentrum der AKDB bereit. Die Kommune benötigt dann keinen Server mehr vor Ort und kann sich voll ihren Digitalisierungsaufgaben widmen. Aber die Cloud geht noch deutlich weiter.
Nämlich?
Durch die Digitalisierung brauchen Kommunen immer mehr skalierbare Rechenzentrumsleistungen. Bürger stellen in Zukunft Online-Anträge zu jeder Tageszeit, sieben Tage die Woche. Diese Möglichkeit fordert das Onlinezugangsgesetz. Es wird Smart-City-Anwendungen geben, bei denen Sensoren über ganze Stadtgebiete verteilt sind und Daten speichern bzw. weiterleiten. Oder denken Sie ans Homeoffice, an Videokonferenzen, an digitale Ratssitzungen. Das alles erfordert gewaltige Rechenpower und riesigen Speicherplatz. Von den steigenden Kosten ganz zu schweigen. Dafür braucht es ein leistungsfähiges Rechenzentrum, das rund um die Uhr „tickt“, und hoch spezialisiertes IT-Personal.
Wie würde so eine AKDB-Cloud aussehen?
Kommunen könnten Software, Services und Leistungen ad hoc je nach Bedarf über ein Webportal dazubuchen und dann wieder „entbuchen“. Per Klick. Gezahlt wird nach Verbrauch, so wie wir das von unserer Wasseruhr kennen. Um die IT-Sicherheit, Firewalls, Software-Updates und Hardware-Refresh kümmert sich die AKDB. Und Kommunen hätten mehr Flexibilität, um sich für die Zukunft auszurichten und Digitalisierungsprojekte in ihren Fachabteilungen in Angriff zu nehmen. Voraussetzung ist natürlich eine ausreichende Bandbreite.
Wie sind da die Pläne der AKDB?
Um uns für die Herausforderungen unserer Kunden zu rüsten, bauen wir an einem unserer Standorte ein großes, neues Rechenzentrum nach modernsten Standards, das all diesen Anforderungen gerecht wird. Damit stellen wir uns für die Zukunft auf. Wir werden unsere Dienste aus der AKDB-Cloud anbieten. Etwa Infrastructure-as-a-Service, wo sich Kommunen Rechenleistungen oder Netzwerkressourcen einfach dazubuchen können, je nachdem wann mehr Rechenkapazitäten gebraucht werden. Oder Platform-as-a-Service, wo man Webanwendungen oder Datenbanken laufen lassen kann. Und schließlich Software-as-a-Service (SaaS), das sind die Fachverfahren oder Online-Dienste für Bürgerinnen und Bürger, die wir heute schon aus der Cloud anbieten.
Wie sähe das Cloud-Angebot bei den Online-Diensten aus?
Das ist leicht beantwortet, denn wir betreiben solche Dienste bereits in der Cloud. Es sind elf Verwaltungs-Online-Dienste und sie stehen schon jetzt jedem Bundesland und jeder Kommune aus unserem Rechenzentrum zur Nachnutzung bereit. Als Web-Anwendung. Wir haben sie im Zusammenhang mit der OZG-Umsetzung nach dem Einer-für-Alle-Prinzip entwickelt: etwa den Antrag auf Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit, den Antrag auf Daueraufenthaltsbescheinigung oder den Antrag auf Einbürgerung. Sie werden schon heute in elf Bundesländern und 129 Kommunen genutzt. Auch für den häufig genutzten Online-Dienst iKFZ4 fürs Verkehrswesen haben wir mit dem Kommunalen Rechenzentrum Niederrhein eine Cloud aufgebaut, die jetzt schon mit Containern arbeitet, sodass Lastenspitzen aufgefangen werden können und eine optimale Verfügbarkeit des Dienstes garantiert wird.
Es ist immer öfter die Rede von einer Verwaltungs-Cloud. Wird die AKDB Teil davon?
Das ist der Plan. Über die govdigital, eine bundesweite Genossenschaft von öffentlichen IT-Dienstleistern, werden wir Kräfte bündeln und unsere vereinten Rechenzentrumsleistungen der Verwaltung zur Verfügung stellen. Das passiert dann nach den Standards und Vorgaben des IT-Planungsrats. Um das zu realisieren, sind wir in zahlreichen Arbeitsgruppen des IT-Planungsrats und tauschen uns auch intensiv mit öffentlichen IT-Dienstleistern anderer Bundesländer aus. Wir wollen am Aufbau eines Ökosystems arbeiten, an dem verschiedene Rechenzentren beteiligt sind.
Es gibt schon einige Hyperscaler, also Cloud-Anbieter wie AWS, GooglePlatform oder Microsoft Azure, die auch nach Europa und Deutschland schielen. Sind sie unsere Konkurrenten?
Ja und nein. Eins ist sicher: Die Hyperscaler investieren jährlich viele Milliarden Dollar in ihre Cloud-Angebote und entwickeln permanent neue Funktionalitäten, inzwischen sogar Quanten-Computing. Wir schauen über den Tellerrand und analysieren, welche davon wir für die Verwaltungen nutzen könnten. Aber nur zu einer „beinharten“ Bedingung: absolute Einhaltung europäischer Datenschutzstandards. Die sensiblen Verwaltungsdaten aus Deutschland dürfen die EU nicht verlassen. Datenschutz muss immer gewährleistet sein. Dazu erarbeiten wir gerade einen Proof-of-Concept. Es geht konkret darum, bestimmte Funktionalitäten von Microsoft Azure direkt in unserem Rechenzentrum zu betreiben. Die Kommune braucht sich dann nicht mehr um den Datenschutz zu sorgen. Man könnte die Microsoft-Services benutzen, die wir in unser Portfolio aufnehmen und aus unserem Rechenzentrum bereitstellen.
Warum wird die digitale Souveränität Deutschlands an der Cloud festgemacht?
Es liegt auf der Hand: Die Verwaltungs-Cloud ist souverän, also unabhängig, weil die Daten die EU nicht verlassen. Und sie ist souverän, weil der Bund sehr stark die Entwicklung von Open-Source-Anwendungen unterstützt, die dann in der Verwaltungs-Cloud angeboten werden. Also Software, die nach offenen Standards entwickelt wird. Damit kann man quasi in die Software „hineinschauen“ und weiß genau, wie sicher sie ist. Und man entgeht dem Preis- und Produkt-Monopol einiger weniger Anbieter.
Bedeutet steigende Rechenkapazität nicht auch eine große Umweltbelastung?
Es entstehen immer mehr „sauberere“ Rechenzentren. Das, was wir bauen, entspricht den höchsten Umwelt-Standards. Es ist nicht nur bestens isoliert, wir haben auch hochmoderne Klimaanlagen, die sehr energieeffizient arbeiten. Wir benutzen natürlich nur grüne Energie aus erneuerbaren Quellen. Wir werden Photovoltaik einsetzen und nutzen Flash-Speichersysteme, die 50 Prozent weniger Energie verbrauchen als Festplatten. Auch unsere Hardware ist effizienter und verbraucht im Umkehrschluss wesentlich weniger Energie pro Transaktion. So können wir künftig komplett klimaneutral arbeiten.