Das Plattformprinzip für den Staat
Wie öffentliche Dienstleistungen über Plattformen erbracht werden können
Portal oder Plattform?
Online-Portale sind heute Internetangebote mit einer Vielzahl von Funktionen, über die Informationen oder Dienste bereitgestellt werden, normalerweise zu bestimmten Themengebieten. Dagegen konzentrieren sich Plattformen darauf, verschiedene Teilnehmer miteinander zu verbinden. Im Gegensatz zu Portalen stellen Plattformen weniger Informationen oder Dienste bereit, sondern schaffen einen Raum, in dem sich Anbieter und Nachfrager treffen. Daher bietet die Plattform als Organisationsprinzip auch ein völlig anderes Nutzungspotential als ein Portal.
Digitale Plattformen als neues Organisationsprinzip
Unsere Gesellschaft ist traditionell durch zentrale Institutionen wie Behörden, Banken oder Vereine organisiert. Digitale Plattformen bieten ein alternatives Organisationsprinzip, das auf folgenden Erfolgsfaktoren basiert:
- Aufbau einer großen Nutzerbasis, die zu Netzwerkeffekten führt.
- Deutliche Verringerung von Transaktionskosten und Komplexität.
- Die Nutzung von Crowdsourcing.
- Schaffung eines neuen, eigenen Ökosystems.
- Ermittlung und Koordination von Angebot und Nachfrage.
- Hierarchien und festgefügte allgemeine Schemata werden durch selbstorganisierende Strukturen und dezentral organisierte Prozesse ersetzt.
Transaktion und Komposition
Nun sind nicht alle Plattformen gleich, man spricht sowohl bei einem Marktplatz im Internet von einer Plattform als auch bei einem Betriebssystem. Zwischen diesen beiden Ausprägungen gibt es allerdings große Unterschiede: Plattformen lassen sich idealtypisch durch den Fokus auf Transaktionen oder Komposition unterscheiden. Transaktions-Plattformen bringen Angebot und Nachfrage zusammen, meist im Sinne eines Marktplatzes. Kompositions-Plattformen liefern die Grundlage für darauf aufbauende dienste und Angebote, wie ein Betriebssystem die Grundlage für darauf aufbauende Anwendungen ist. In der Praxis vermischen sich diese formen, beispielsweise wenn neben der Vermittlung zwischen Anbietern und Konsumenten eigene Produkte auf dem Marktplatz angeboten werden (wie bei Amazon) oder Plattformen algorithmisch in die Transaktionsprozesse eingreifen (wie bei Uber oder Facebook). Die Unterscheidung kann aber als Ausgangspunkt für Überlegung zur Gestaltung von erfolgreichen Plattformen dienen.
Staatliche Beiträge und Ressourcen zur Initiierung von Plattformen
Die zunehmende Verbreitung von Plattformen führt für den Staat zu einem Erwartungsdruck, ähnliches bereitzustellen. Dafür bestehen mehrere Optionen:
- Daten und Informationen: Die Bereitstellung von Daten und Informationen als wichtige Säule einer Anreizstrategie dienen, um eine kritische Masse von Plattformteilnehmenden zu mobilisieren und Netzwerkeffekte zu generieren.
- Infrastrukturen und Services: Ein weiterer naheliegender Hebel zur Initiierung von Plattformen sind ihre infrastrukturellen Bedingungen, die der Staat bedarfsorientiert (mit)entwickeln kann.
- Stakeholder und Community-Management: Durch Stakeholder und Community-management kann der Staat sicherstellen, dass die zur Verfügung gestellten Ressourcen wie Daten, Infrastrukturen und Services auf die vorhandenen Bedarfe abgestimmt und von den Adressaten wahrgenommen, genutzt und akzeptiert werden.
Basisdienste im Aufgabenspektrum des Staates
Plattformen sind auf Basisfunktionen angewiesen. Staatliche Institutionen können Ihre Basisdienste wiederum selbst in Form von Plattformen realisieren, wie z.B.: digitale Identität, ePayment, Workflow- und Prozessmanagement, Portale und Anwendungen, Archivierung, Dokumentenmanagement oder Datenanalyse.
Handlungsempfehlungen
Für den öffentlichen Sektor ergeben sich aus der Untersuchung bestehender Plattformen eine Reihe von Handlungsempfehlungen. Grundsätzlich sollte der Staat in die Initiierung und den Aufbau von digitalen Plattformen und von Plattformökosystemen einsteigen. Dieser Ansatz ist geeignet, um öffentlicher Güter und Dienstleistungen bereitzustellen. Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von Plattformen ist allerdings eine differenzierte Betrachtung von Plattformen, damit die Merkmale des gewählten Plattform-Ansatzes auch zu dem geplanten Einsatzgebiet der konkreten Plattform passen.
Nach diesen grundsätzlichen Überlegungen entscheiden konkrete Gestaltung und Vorgehen über den Erfolg der Plattformen:
- Vielfältige Betriebs- und Entwicklungsmodelle im öffentlichen Sektor nutzen:
Die konkrete Ausgestaltung rechtlicher, organisatorischer und technischer Regelungen sollten als Teile einer übergreifenden Governance fallspezifisch mit Blick auf das jeweilige Vorhaben erfolgen. - Klein anfangen und die Nutzer einbinden:
Viele der heute erfolgreichen Plattformen sind ursprünglich mit einem begrenzten Leistungsangebot gestartet, indem sie sich beispielsweise darauf fokussiert haben, eine Lösung für ein bestimmtes Problem zu entwickeln. In vielen kurzen Iterationen wurde das Angebot auf Grundlage von Erfahrungen und Feedback weiter optimiert. - Den Portalverbund zum Nukleus für eine Staatsplattform weiterentwickeln:
Der Staat sollte sich die Vorteile des Plattformansatzes zunutze machen, um seinen Bürger:innen ein angemessenes Verwaltungsangebot zur Verfügung zu stellen. Der Portalverbund kann hier als Ausgangspunkt dienen, sollte jedoch wesentlich weitergedacht werden.
Zum vollständigen Whitepaper
Die vollständigen Ergebnisse dazu, wie der Staat die durch Plattformen geschaffenen Organisationspotenziale für die Gemeinwohlsicherung und die Bereitstellung öffentlicher Güter und Dienstleistungen nutzen kann, ist im Whitepaper „Der Staat auf dem Weg zur Plattform“ des Kompetenzzentrums Öffentliche IT (ÖFIT) zu finden.