Fata Morgana oder Realität: Smarte Regionen in Deutschland
Wo Bad Hersfeld steht und der Landkreis Mayen-Koblenz hin will
Digitalisierung selbstbestimmt nutzen
Die Stabsstelle Smart Cities des Landkreis Mayen-Koblenz ist eine recht junge Einrichtung. Sie wurde erst geschaffen, nachdem der Landkreis 2020 vom BMI zusammen mit weiteren Kommunen als Modellprojekt Smart Cities ausgewählt wurde. Seit Sommer 2021 leitet Sonja Gröntgen die Stabsstelle und übernimmt auch die Gesamtleitung der Smarten Region Mayen-Koblenz. Wie viel Bedeutung man dem Projekt beimisst, zeigt sich an der Anzahl der Stellen: das Projektteam besteht aus insgesamt acht Personen inklusive Leitung.
Die 29-jährige Sonja Gröntgen hat sich große Ziele gesetzt. Sie will es jedem im Landkreis ermöglichen, unabhängig von „finanziellen, sozialen und geografischen Faktoren“ ein gutes Lebens zu führen. Was vor allem bedeutet: Die Digitalisierung „selbstbestimmt und selbstsicher“ zu nutzen. Damit meint sie nicht nur, neue Technologien anwenden zu können, sondern auch ein Bewusstheit für die eigenen Daten und deren Sicherheit zu entwickeln. Doch wie lässt sich das erreichen?
Dazu schaut das Projekt Smart Region Mayen-Koblenz in die Orte und Städte, bezieht Bürger*innen, Unternehmer*innen und Politiker*innen mit ein. Alle haben unterschiedliche Ansichten, verschiedene Interessen – diese unter einen Hut zu bringen, ist die Aufgabe der CDO Sonja Gröntgen.
Mobilität als ein Treiber für Smarte Regionen
Anfang 2022 fand nun der erste Zukunftsdialog statt. Über 600 Antworten kamen aus dem gesamten Landkreis auf die Fragen: „Welche Herausforderungen begegnen den Mayen-Koblenzern im Alltag? Wie werden die Lebensbereiche davon auf welche Art beeinflusst? Wie ließe sich ihr Lebens- oder Arbeitsalltag verbessern?“
Wertet man die Antworten thematisch aus, so zeigt sich: Das Thema, das am meisten bewegt ist – verständlicher Weise – Mobilität. Eine ganze Reihe von Schwachstellen wurden identifiziert und genannt: Öffentlicher Nahverkehr, Radwege, Car-Sharing-Stationen auf dem Lande. Weitere Themen, die von den Mayen-Koblenzern eingereicht wurden, waren die Unübersichtlichkeit von Freizeitangeboten, Digitalisierung von Vereinsarbeit und Schutz persönlicher Daten.
Bad Hersfeld: Straßenbeleuchtung der Zukunft
Im hessischen Bad Hersfeld ist man in puncto smartes Landleben nicht nur viele Meilen voraus, sondern kann sich gar als Vorreiter rühmen. Bürgermeister Thomas Fehling und sein Team stellen unermüdlich ein Projekt nach dem anderen auf die Beine. Bereits 2019 erhielt die Kreisstadt den Innovation in Politics Award in der Kategorie Lebensqualität; nun Anfang April 2022 konnte Bürgermeister Fehling den Smart 50 Award im US-amerikanischen Columbus entgegennehmen. Die Stadt konnte die Jury mit ihrem Licht-Projekt „Light as a service“ im öffentlichen Raum überzeugen: Light as a service gelingt es, den verschiedenen, auch gegensätzlichen Anforderungen an Straßenbeleuchtung gerecht zu werden: Helligkeit versus Energieverbrauch, Sicherheitsgefühl der Bürger*innen versus Lichtverschmutzung, selbst die Insektentauglichkeit der Lichtquellen wurde berücksichtigt.
Kleinste Stadt mit breitester Teilhabe
Beim Innovation in Politics Award, den Bad Hersfeld bereits 2018 gewann, war die Konkurrenz groß: 80 Finalisten aus 20 Länder gingen um die Preise in acht Kategorien ins Rennen. Bad Hersfeld überzeugte die Jury in der Kategorie „Lebensqualität“: als kleinste Stadt in Deutschland, die ein Projekt implementiert hat, das Verwaltung, Bürger und Unternehmen mit einbezog (breite Partizipation), um das Landleben zu verbessern. Ein Parkleitsystem dirigiert Autofahrer zu freien Parkplätzen, städtische Ladestationen für Elektroautos machen umweltfreundliches Fahren leichter, Smart-Boxen an viel befahrenen Straßen sammeln Daten zu Verkehrslärm.
Ein Smart City Cockpit sammelt Daten aus Verkehr und Wetter und stellt sie den Einwohner*innen digital zur Verfügung. Es zeigt Parkplatzsuchenden die Auslastung von Parkhäusern, dokumentiert Lärmmessungen, misst sogar den Füllstand bei drei städtischen Papierkörben. Auch rund 60 Straßenlaternen messen das Wetter in ihrem Umgebung: Helligkeit, Niederschlag, Bewölkung. Zudem registrieren sie Bewegungen und leuchten beim Herannahen eines Fußgängern, Rads oder Autos heller.
In diese Richtung könnte es also auch für Mayen-Koblenz gehen. Und wer weiß, vielleicht ist der Landkreis auch eines Tages Gewinner eines Innovation in Politics Award oder des Smart 50 Award.