Auch dieses Jahr kamen wieder viele Führungskräfte bei der Leitveranstaltung des öffentlichen Sektors für digitalen Wandel, dem Zukunftskongress Staat & Verwaltung, zusammen. Seit dem ersten Zukunftskongress im Jahr 2013 hat sich nicht nur die Technik weiterentwickelt, auch die Anforderungen der Digitalisierung an alle Behördenbereiche sind gestiegen. Seit Jahren werden Statusberichte und Pläne verschiedener Einrichtungen des öffentlichen Sektors präsentiert. In der Beschreibung der Defizite herrscht weitgehend Einigkeit. Ebenso in der Einsicht, dass die Digitalisierung ambitionierter vorangebtrieben werden muss. Aber alle eint auch die Herausforderung der Veränderung im bestehenden System: 200 Register, föderale Abstimmungsprozesse, Ängste der Mitarbeiterschaft und technologische Inkompatibilitäten, um nur einige zu nennen. Zahlreiche Institutionen und Vorgehensweisen müssen vielfach nicht nur angepasst, sondern komplett neu gedacht werden.
Planspiel „Grüne Wiese“ – das Konzept
Hier setzt das Planspiel „Grüne Wiese“ auf. Horváth & Partners hat mit den anwesenden Fachleuten aus dem öffentlichen Sektor im Rahmen des interaktiven Workshops die digitale Behörde der Zukunft komplett neu konzipiert. Was sind die zentralen Elemente dieser Behörde? Welche Bremsklötze und Schranken hindern uns daran, die vorhandenen Ideen schon heute umzusetzen? Welche Stakeholder einer Behörde und ihres Umfelds sind mit der Digitalisierung befasst? Welche Lösungsansätze gibt es, um die Vision auf der „Grünen Wiese“ überhaupt umsetzen zu können? Um keine Luftschlösser zu bauen, sollten am Ende konkrete Handlungsvorschläge entstehen, welche den Weg zur Behörde der Zukunft ebnen können.
Für die fünf zentralen Digitalisierungsbereiche einer Behörde wurden im Vorfeld jeweils drei Thesen aufgestellt. Zu diesen Bereichen zählen „Strategie“, „Kunde & Bürger“, „Organisation & Prozesse“, „Personal & Kultur“ sowie "Technologie". Frank Weise, Global Head Public Sector & Health Care bei Horváth & Partners, zitierte zu Beginn des Workshops Klaus von Dohnanyi. Dieser merkte während des Kongresses an, dass die Deutschen Behutsamkeit und Gründlichkeit auszeichne. Doch die digitale Veränderung lasse manchmal keine Behutsamkeit zu. Deshalb waren die Thesen teils provokant formuliert, um den aktuellen Stand der Diskussion aufzubrechen und einen Impuls für neue Ideen zu setzen.
Die Thesen adressierten die zentralen Herausforderungen, welche sich für jeden der fünf Bausteine der digitalen Behörde der Zukunft stellen. Die gesamte Bandbreite der digitalen Revolution wurde durch die Thesen abgedeckt - von der Notwendigkeit eines CIOs bis hin zum Nutzen von Predictive Analytics in der Organisationssteuerung.
Die teilnehmenden Fachleute hatten nun die Möglichkeit, über die Thesen abzustimmen. Für jeden der Digitalisierungsbereiche suchten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entsprechend ihrer Interessen eine These aus, die sie in der nachfolgenden Gruppendiskussion behandeln wollten. Per App wurden die Stimmen auf dem Smartphone oder Tablet abgegeben, die Ergebnisse dann in Echtzeit errechnet. So konnte die Schwarmintelligenz der Anwesenden optimal genutzt werden.
Strategie – kundenorientierte Strategieentwicklung
Im Feld „Strategie“ entschieden sich die Teilnehmenden für das Thema kundenorientierte Strategieentwicklung. Unter der Diskussionsleitung von Prof. Dr. Jörn von Lucke von der Zeppelin Universität, kamen die Teilnehmenden zu dem Ergebnis, dass Transparenz die Basis der Strategieentwicklung sein müsse. Die Bürgerinnen und Bürger sollten von Anfang an mit Blick auf die Aufgabe in Vorplanung durch Befragungen und Workshops eingebunden werden. Offene und agile Innovationsansätze sollten dies dauerhaft und partizipativ verankern. Konkret Form annehmen, kann dies in einem unabhängigen, offenen Bürgerbeirat mit Möglichkeiten, sich einzubringen.
Bürger und Kunde – digitale Plattformen
Beim Feld „Bürger und Kunde“ waren digitale Plattformen das Thema. Demnach ist Bürgerinnen und Bürgern ein einfacher Zugang zu allen Dienstleistungen und Daten behördenübergreifend über ein Online-Portal bereitzustellen. Moderiert von Prof. Dr. Hermann Hill von der Universität Speyer, arbeiteten die teilnehmenden Fachleute heraus, dass die Nutzerinnen und Nutzer beim Design digitaler Lösungen und Angebote in den Mittelpunkt zu stellen sind, um somit für diese einen echten Mehrwert zu schaffen. Auch das Thema Datenschutz wurde miteinbezogen. So sollten Nutzerinnen und Nutzer selbst die Zugangsberechtigungen für die zugreifenden Behörden festlegen. Um die Nutzungsquoten zu erhöhen, sollte der Zugang zudem so leicht und bedienfreundlich wie möglich gemacht werden.
Organisation und Prozesse – digitalisierungsfeste Aufbauorganisation
Marcus Kirchner aus dem Bundesverwaltungsamt diskutierte mit der Gruppe „Organisation & Prozesse“ über die digitalisierungsfeste Aufbauorganisation. Um dem Kundenanspruch der digitalen Welt gerecht werden zu können, muss die Behörde demnach Change als Daueraufgabe anerkennen und professionell managen und dabei den Beschäftigten Verantwortung übertragen. „Einfach machen“ war ein vielgetätigter Ausspruch in der Diskussion. Ausprobieren sollte im kleinen Rahmen durch die Behörde nicht nur ermöglicht, sondern auch gefördert werden. Die Organisation, Prozesse und Kompetenzen der Behörden müssen regelmäßig überprüft, angepasst und weiterentwickelt werden.
Personal und Kultur – Arbeitswelt
In der Diskussion zum Thema “Personal & Kultur” ging es unter der Leitung von Martin Grüning, Dell Technology, um die Zukunft der Arbeitswelt. Im Zentrum stand die Frage, wie die Behörde es ihren Beschäftigten ermöglicht, flexibel orts- und zeitungebunden in individualisierten Beschäftigungsmodellen arbeiten zu können. Nicht nur müsse das Thema in der Gesamtstrategie der Behörde verankert werden, sondern die neue Mentalität nach Innen als Leitbild vorgelebt und nach Außen im Rahmen des “Emyployer Brandings” kommuniziert werden. Des Weiteren müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen flexibilisiert werden, um zukunftsfähige Arbeitszeitmodelle in der gesamten öffentlichen Verwaltung möglich zu machen.
Technologie – Once Only
Die fünfte Gruppe diskutierte im Digitalisierungsbereich „Technologie“ das Thema Once Only, also dass Behörden technisch und rechtlich in der Lage sein müssen, von Kunden einmal mitgeteilte Stammdaten jederzeit behördenübergreifend abzurufen. Alexander Scholz, T-Systems, stellte in der Diskussion schnell fest, dass es sich hierbei, wie so oft weniger um ein technologisches Thema als vielmehr um ein juristisches handle.
Dementsprechend müsse eine gemeinsame, übergreifende Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden, die als rechtliche Klammer dient. Die Verantwortung sollte zentral im Bundeskanzleramt angesiedelt sein, um die notwendigen Änderungen mit entsprechender Autorität auf den Weg zu bringen.
Zudem sei die Schaffung eines zentralen Kerndatensatzes, der mit rechtlichen Ermächtigungen versehen ist, von zentraler Bedeutung. Dieser müsse durch themen- und ebenenspezifische Datensätze, welche mit Zugriffsrechten versehen sind, modular ergänzt werden.
Mehr Partizipation durch Bürgerräte, ein zentrales Online-Portal für alle Behörden, die Verwaltung als attraktiver Arbeitgeber, das Once-Only-Prinzip und Digitalisierung und Wandel als einen voranschreitenden Prozess betrachten - diese Themen durchzogen nicht nur das Planspiel, sondern wurden innerhalb des Kongresses immer wieder aufgegriffen. In welchen Bereichen werden wir im nächsten Jahr wohl einen Schritt weiter sein?