Ricarda Lang
© Grüne-Jugend/Erik Marquardt

Weg vom „Passierschein A38“

Grüne-Jugend-Vorsitzende: Verwaltung nicht als ein technokratisches „Kuddelmuddel“ abtun / Behörden als Säule der Demokratie verständlicher gestalten

Aus der Sicht von Ricarda Lang ist die öffentliche Verwaltung in der Bundesrepublik in den vergangen Jahren ein vielfältigerer Ort geworden und könnte durch die Digitalisierung vor allem in puncto Bürgernähe profitieren. Im Gespräch mit „Verwaltung der Zukunft“ kritisiert die Bundesvorsitzende der Grünen-Jugend aber den politischen Umgang mit der Verwaltung.

Verwaltung der Zukunft: Gibt es ein Amt, ein Ministerium oder eine andere Behörde, die sie an dieser Stelle einmal richtig loben möchten? Was gibt Ihnen Anlass dazu?

Lang: Ich glaube, dass man in den letzten Jahren gemerkt hat, wie die Verwaltung ein vielfältigerer Ort geworden ist. Das betrifft nicht nur die Diversität der Mitarbeiter. Die Arbeit etwa von Diskriminierungs- und Frauenbeauftragten wirkt ebenso in die Gesellschaft hinein: Es finden z. B. immer mehr Menschen Unterstützung, die auf verschiedene Weise Erfahrungen mit Gewalt gemacht haben. Die öffentliche Verwaltung sollte ein Spiegel der Gesellschaft sein und ist dies in der Vergangenheit – gerade mittels Emanzipation und Vielfalt – ein Stück mehr geworden. Das freut mich sehr!

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Ich glaube, dass man in den letzten Jahren gemerkt hat, wie die Verwaltung ein vielfältigerer Ort geworden ist.

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VdZ: Was haben Sie in den vergangenen Jahren in einer Verwaltung vielleicht erlebt, dass Sie geärgert hat und Grund zur Sorge gibt?

Lang: Frustriert hat mich ein Ereignis vor ein paar Wochen als wir an der bayerisch-österreichischen Grenze gegen die Kontrollen der Landesregierung protestieren und auf deren rassistische Vorgehensweise aufmerksam machen wollten. Das wurde uns seitens des dortigen Landratsamtes und verschiedenen anderen Stellen unglaublich erschwert. Es gab weder Informationen noch rechtzeitige Bestätigungen oder Bescheide, die unserem Anliegen hätten gerecht werden können. Wir kamen uns tatsächlich vor, wie auf dieser klischeehaften Suche nach dem „Passierschein A38“ in einem der Asterix-Filme. Dabei sollten Verwaltungen Bürger dabei unterstützen, ihre demokratischen Rechte wie die Versammlungsfreiheit wahrzunehmen, statt ihnen Steine in den Weg zu legen.

Ricarda Lang, geboren 1994, ist Bundesvorsitzende der Grünen-Jugend und studiert Jura in Berlin. Hier im Bild mit Mikrofon bei einer Podiumsdiskussion im Juni 2018 auf dem 6. Zukunftskongress Staat & Verwaltung.
© Wegweiser Media & Conferences GmbH / Sera Z. Kurc

VdZ: Glauben Sie, dass ein Großteil der Bevölkerung ein solches Bild von der Verwaltung hat?

Lang: Diese Vorstellung besteht meines Erachtens vielfach immer noch: Verwaltung nicht als ein Ort, an dem einem geholfen wird, zu meinem Recht zu kommen, sondern der mir Dinge erschwert und der sogar mit Angst verbunden ist. Auch wenn ich an meinen letzten Bafög-Antrag zurückdenke, habe ich keine schöne Erinnerung. Die Verwaltung sollte zentraler Stützpfeiler der Demokratie und gerade für Menschen da sein, die Hilfe benötigen. Daran müssen wir weiter arbeiten!

VdZ: Was fällt Ihnen dann zuerst ein, wenn Sie an eine „Verwaltung mit Zukunft“ denken?

Lang: Für mich heißt das: Digitalisierung so nutzen, dass zugleich mehr Bürgernähe und größere Effizienz erreicht wird. Bislang muss die Verwaltung oft in ganz kleinen bürokratischen Schritten vorgehen, durch die viel Zeit verloren geht, die im Grunde aber für den direkten Kontakt mit Bürgern genutzt werden könnte. Anträge für Leistungen wie etwa der Personalausweis sollten möglichst komplett digital laufen. Wenn ich jedoch eine persönliche Beratung brauche, wie im Fall des Bafög-Antrags, sollte entsprechend Zeit vorhanden sein. Zudem spielt eine Rolle, dass die Verwaltung zu einem modernen Arbeitsplatz für junge Menschen wird, mit fairen Bedingungen und guten Möglichkeiten zur Entwicklung.

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Selbst mit akademischen Hintergrund wird man aus vielen Formularen nicht schlau. Durch mehrsprachige Angebote sollte zudem die Zugänglichkeit der Leistungen für Menschen verbessert werden, die kein gutes Deutsch sprechen. 

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VdZ: Wie wird sich die Verwaltungsarbeit in den nächsten fünf Jahren verändern?

Lang: Neben der kompletten Digitalisierung einfacher Leistungen und mehr Beratungszeit für Bürger muss die Verwaltung in dieser Zeit auch weitaus verständlicher werden. Selbst mit akademischen Hintergrund wird man aus vielen Formularen nicht schlau. Durch mehrsprachige Angebote sollte zudem die Zugänglichkeit der Leistungen für Menschen verbessert werden, die kein gutes Deutsch sprechen. 

VdZ: Wo sehen Sie in der deutschen Verwaltungslandschaft den größten Nachholbedarf?

Lang: Auf politischer Ebene! Ich glaube, es muss sich etwas daran ändern, wie die politische Seite über die Verwaltung spricht. Ziel muss es sein, Verwaltung nicht als ein technokratisches „Kuddelmuddel“ abzutun – das passiert gerne, wenn etwas schief gelaufen ist –, sondern als unglaublich wichtige Säule der Demokratie! Es geht hierbei um die Frage, inwieweit die Menschen Vertrauen in unsere Ämter und Behörden und damit in unsere Demokratie haben.