ÖFIT Digitale Souveränität des Staates
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Digitale Souveränität des Staates

Was heißt digitale Souveränität und wie gelingt sie?

Das Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) macht in einem Whitepaper deutlich, wie der Staat mit digitalen Abhängigkeiten umgehen und dadurch digitale Souveränität erlangen kann. Das Impulspapier zeigt, wie der Ist-Zustand in Deutschland analysiert werden kann und mit welchen Strategien die digitale Autonomie des Staates gelingt.

Nicht erst seit der Corona-Pandemie haben wir gelernt, wie kritisch digitale Technologien für das Funktionieren unserer Gesellschaft sind. Wie stark ist die Verwaltung etwa auf die technische Infrastruktur von einzelnen Unternehmen angewiesen? Die Bundesverwaltung beispielsweise ist in einem hohen Maße auf die Nutzung von Microsoft-Produkten ausgerichtet und weist dementsprechend Abhängigkeiten auf.

Der öffentliche Sektor betrachtet deshalb sorgenvoll seine digitalen Abhängigkeiten von privaten Akteur:innen und anderen Staaten. Diese möglichen tatsächlichen oder befürchteten Gefahren reichen von institutionalisierten Abhörpraktiken, über den Einsatz ökonomischer Druckmittel bis zur Fremdkontrolle staatlicher IT-Systeme.

Bei digitaler Souveränität geht es am Ende nicht um vollständige Autarkie, sondern um das bewusste Managen von Abhängigkeiten. Stets gilt es abzuwägen: Wie strategisch wichtig ist diese Technologie für mich? Was kostet es mich, hier Abhängigkeiten zu reduzieren? Diese gezielte Steuerung erweitert die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der Staaten und ermöglicht im nächsten Schritt die Erhaltung der strategischen Autonomie im Digitalen, die nicht als absoluter Zustand, sondern vielmehr als dauerhafter Prozess gesehen werden muss.

Das Problem erkennen

Die Informationstechnik des Staates steht durch Arbeitsteilung und weltweite Wertschöpfungsketten in einem „komplexen Geflecht von Abhängigkeiten“. Um es managen zu können, muss es jedoch zunächst entflochten werden. Dafür haben die Forscher:innen des ÖFIT ein Analyseraster erstellt, das nach öffentlichen Leistungen, technischen Schichten und Souveränitätsdimensionen differenziert.

Matrix zur Bewertung von Autonomiegraden im Digitalen. Vertikal die generischen Schichten des Technologie-Bündels zur Erfüllung einer Aufgabe. Horizontal die Souveränitätsdimensionen. An den Kreuzungen von technischen Schichten und Souveränitätsdimensionen sind beispielhafte Ist- oder Soll-Grade der strategischen Autonomie des Staates abgebildet.
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Mit einer Ist-Soll-Analyse können so strategische Relevanzen erkannt und dort gezielt nachgefragt werden: „Was kosten Umsetzungsvarianten und welche Vor- und Nachteile bringen sie mit sich?“ Denn Abhängigkeiten sind nicht per se problematisch. Zunächst gilt es sie zu erkennen und zu bewerten. Dabei spielen Fragen nach der Relevanz ebenso eine Rolle wie die Abschätzung der potenziellen Schadensgröße: Wie wirkt sich eine digitale Abhängigkeit auf den Handlungsspielraum des Staates aus, wenn diese zu seinem Nachteil genutzt wird?

Eine Lösung finden

Braucht es für die digitale Souveränität also eine deutsche Smartphone-Fabrik, eine deutsche Office-Lösung und einen deutschen 5G-Standard? Eher nicht. Manchmal kann es schon reichen, einzelne technische Komponenten auszutauschen oder Geschäftsprozesse in der Verwaltung umzustellen. Der Staat kann zudem viele politische Werkzeuge – über Fördermittel und Steuern, Vorschriften und Standards bis hin zu Aufrufen und Kampagnen – nutzen, um Abhängigkeiten zu steuern. Für Schlüsseltechnologien stehen die Strategien „Risikomanagement und Resilienz“, „Strategische Partnerschaften“ und „Gemeingüter“ zur Auswahl – je nach Spielraum des Staates bei der jeweiligen Technologie.

Der Gestaltungsspielraum, den die Staaten und ihre Verwaltungen haben, leitet sich aus den verfügbaren Ressourcen und Fähigkeiten ab. Das Whitepaper schließt mit sechs grundsätzlichen Handlungsempfehlungen. Diese umfassen neben der Identifikation und Steuerung ein gemeinsames europäisches Handeln, vorausschauendes Handeln und die Steuerung von Digitalen Technologien über politische Felder hinweg. Dabei gilt es die Wissens-, Forschungs- und Betriebssouveränität zu beachten und institutionelle Arrangements zu managen.