Bündeln, beraten, steuern
Großes Segel für die Umsetzung des OZG: Schleswig-Holsteins Kommunen konsolidieren und gründen neues E-Gov-Kompetenzzentrum
Der Landtag Schleswig-Holstein hatte ein entsprechendes Gesetz im Dezember 2018 verabschiedet. Die Neuordnung hat auch etwas mit der politischen Struktur des Landes zu tun – etwa drei Viertel der rund 1.100 Gemeinden in Schleswig-Holstein haben weniger als 1.000 Einwohner.
Gemeinden in übergeordnete Projekte einbinden
Um ihre Verwaltungskraft zu stärken, gehören fast alle Gemeinden einem von 84 Ämtern an. Ein Problem in den vergangenen Jahren lag darin, die weiterhin kleinteiligen Gebietskörperschaften in übergeordnete Projekte einzubinden, gerade in puncto E-Government. Umso mehr ist den kommunalen Spitzenverbänden wie der Landesregierung nun daran gelegen, die anstehenden digitalen Aufgaben zu bewältigen. Das gilt insbesondere mit Blick auf die Zusammenarbeit bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG).
Nun alle Kommunen an AöR beteiligt
Im Zentrum des kommunalen Digitalmanagements steht seit 1. Januar 2019 der neu gegründete „IT-Verbund Schleswig-Holstein“ (ITVSH). Während an dem alten Verbund nur rund 80 Kommunalverwaltungen beteiligt waren, tragen nun alle Gemeinden, Ämter und Kreise des Landes die AöR. Es entsteht eine ausschließlich kommunale Einrichtung, das Land besitzt nur noch die Rechtsaufsicht.
Aus drei mach eins
Die vorherigen Aufgabenabgrenzungen galten als unscharf, die Abstimmungsprozesse als entsprechend schwierig und die Organisation war insgesamt durch erheblichen Steuerungsaufwand geprägt. Der bisherige Verein „Kommunales Forum für Informationstechnik“ (KomFIT), der bislang zur Verbesserung der gemeinsamen IT-Infrastruktur und verwaltungsübergreifender E-Government-Lösungen fungierte, wurde genauso wie die „EA SH AöR“ (zuständig für den Einheitlichen Ansprechpartner) in die neue Anstalt überführt. Der neue ITVSH stellt damit den Rechtsnachfolger des bisherigen ITVSH und des EA-SH dar.
Die Agenda zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes hat den Druck nun noch einmal erhöht.
Länger geplantes Ziel
Dr. Sönke E. Schulz, Geschäftsführer des Landkreistages in Kiel, sieht die Kommunen mit dem neuen ITVSH weitaus besser aufgestellt als bislang: „Wir hatten die Bündelung der Kompetenzen rund um die IT-Strukturen der kleinteiligen Gebietskörperschaften hier im Lande schon länger auf dem Schirm. Die Agenda zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes hat den Druck nun noch einmal erhöht.“ Es gilt, möglichst schnell Verfahren und Lösungen auszuprobieren, zu standardisieren und in der Breite umzusetzen. Auch wenn der neue Verbund viele Leistungen gar nicht selbst erbringen kann und mit verschiedenen externen Akteuren kooperiert bzw. Aufträge vergibt, ist eine stärkere Bündelung des Vorgehens notwendig. U. a. soll der ITVSH folgende Funktionen erbringen:
- Bündelungsfunktion (Repräsentation gegenüber externen IT-Dienstleistern)
- Steuerungsfunktion (etwa im Rahmen der Anteilseignerschaft an Dataport)
- Betreiberfunktion (für gemeinsame Digitalisierungs- und E-Government-Infrastrukturen; etwa Organisation des zentralen Betriebs von kommunalen Verwaltungsverfahren bei kommunalen Dienstleistern)
- Bereitstellungsfunktion (zentrale Wissens- und Dialogplattform zur Förderung des Wissensaustauschs; Stellen, Mittel und Bedingungen für den Zugang etwa zu öffentlichen Registern sowie Datenbanken)
- Mitwirkungsfunktion (an Steuerungsgremien auf Landes-/Bundesebene, u. a. Arbeitsgruppen des IT-Planungsrats, FIM, koordinierende Gremien; beim BMWi im Kontext des EA-SH; in kommunalen Gremien, u. a. eGewerbebeirat; in Standardisierungsgremien, u. a. xGewerbe)
Aktive Mitgestaltung der kommunalen Basis
Mit der Neugründung der Anstalt wollen die Akteure also eine ganze Reihe an Leistungen aufbauen, die es den Kommunen besser ermöglichen sollen, von der Digitalisierung zu profitieren. In der Vergangenheit war es oft auch schwierig, die kommunalen Vertreter in gemeinschaftliche Projekte einzubinden. Es mangelte etwa an einer wirksamen Anreizstruktur, sodass Praktiker ihre Arbeit in übergreifenden Projekten meist ohne adäquate individuelle oder organisationale Kompensation leisten mussten. Im Gesetz wurden nun Maßnahmen und Kompensationen fixiert:
- Finanzieller Ausgleich: Kommunalvertreter werden aus Projektmitteln finanziell für ihre Mitwirkung entschädigt (z. B. im Rahmen einer Nebentätigkeit) oder Kommunen erhalten für die Bereitstellung ihrer Personalressourcen einen direkten finanziellen Ausgleich.
- Zeitliche Freistellung: Mit den einzelnen Kommunen wird die projektbezogene zeitliche Freistellung von Mitarbeitern vereinbart.
- Trainee- oder Ausbildungsstationen: Die Zielorganisation kann für geeignete Aufgaben oder Projekte Trainee-Stationen für kommunale Praktiker anbieten. Dadurch wird der Wissenstransfer zwischen Trägern und Zielorganisation gefördert.
- On-The-Job-Learning: Im Rahmen der Personal- und Karriereentwicklung werden Personen von Kommunen für eine befristete Zeit, z. B. im Rahmen der personalrechtlichen Instrumente der Gestellung oder Abordnung, für die Zielorganisation tätig. Durch Praxislernen (On-The-Job-Learning) wird die Kompetenzentwicklung unterstützt. Dies kann seitens der Kommune durch passende Personalentwicklungsmaßnahme flankiert werden.
Direkter Anteilseigner am öffentlichen IT-Dienstleister
Der ITVSH ist unmittelbarer Träger von Dataport, soll auch an dessen Steuerung mitwirken und unter den insgesamt sieben Trägern die kommunalen Bedarfe vertreten. Das ermöglicht es den schleswig-holsteinischen Kommunen, den norddeutschen IT-Dienstleister vergaberechtsfrei zu beauftragen bzw. Inhouse-Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dataport ist der „präferierte Umsetzungspartner“ für gemeinsame Digitalisierungsprojekte, insbesondere wenn es um die zentralen Verwaltungsverfahren für digitale Service-Leistungen geht.
Der ITVSH ist unmittelbarer Träger von Dataport, soll auch an dessen strategischer Steuerung mitwirken und unter den insgesamt sieben Trägern die kommunalen Bedarfe vertreten.
Die kommunale Perspektive bei Dataport einbringen
„Der neue ITVSH ist als Träger an der strategischen Steuerung von Dataport beteiligt“, erklärt Uwe Störmer, verantwortlich für die E-Government-Strategie bei Dataport. Das sei vor allem deshalb wichtig, weil der Verbund als kommunaler Anteilseigner ganz besonders die Perspektive und die Bedarfe der Bürger-Services und E-Government-Leistungen für Ämter, Gemeinden, Städte und Landkreise eines Flächenlandes einbringen kann. „Wir freuen uns, auf eine gute Zusammenarbeit sowie eine starke und kritisch-konstruktive Haltung des ITVSH, der nunmehr alle schleswig-holsteinischen Kommunen vertritt und deren Interessen uns gegenüber als Dienstleister sicherlich noch besser bündeln kann“, so Störmer.
Wir freuen uns, auf eine starke und kritisch-konstruktive Haltung des ITVSH, der nunmehr alle schleswig-holsteinischen Kommunen vertritt und deren Interessen uns gegenüber als Dienstleister sicherlich noch besser bündeln kann.
Ausweitung der Inhouse-Vergaben denkbar
Das Organisationskonzept wirft zudem die Möglichkeit auf, die ausschreibungsfreien Vergabemöglichkeiten für die Kommunen noch zu erweitern. „Zur Deckung des IT-Bedarfs der Mitglieder kann, neben der Beteiligung an Dataport, eine Ausweitung der Beteiligung auf weitere IT-Dienstleister erfolgen. Dies würde „im Sinne der Angebotserweiterung und Wahlmöglichkeit mehrfach kommunizierten kommunalen Bedarfen entsprechen“, heißt es in dem Papier, das die öffentlich-getragene Beratungsgesellschaft Partnerschaft Deutschland (PD) im Auftrag der kommunalen Verbände erstellt hat. Demnach sei potenziell auch ein Genossenschaftsmodell möglich, das inverse Inhouse-Vergaben (Auftrag der Tochter an die Mutter) sowie horizontale Inhouse-Vergaben (Auftrag der Mutter an die Mutter im Rahmen von Mehrmuttergesellschaften) ermöglichen würde.
Die Mittel für den ITVSH stellen Land und Kommunen gemeinsam bereit. Das Land Schleswig-Holstein bleibt der größte Finanzgeber und überweist dabei künftig rund drei Millionen Euro.
Gemischte Finanzierung
Die Mittel für den ITVSH stellen Land und Kommunen gemeinsam bereit. Das Land Schleswig-Holstein bleibt der größte Finanzgeber und überweist künftig rund drei Mio. Euro an den ITVSH. Davon fließen eine Mio. Euro für IT-Maßnahmen mit kommunalem Schwerpunkt. Rund eine halbe Million Euro zahlt das Land entsprechend seines bisherigen Finanzierungsanteils für den Einheitlichen Ansprechpartner. Die Kommunen stellen ihrerseits weiterhin eine Million Euro aus dem kommunalen Investitionsfonds (KIFMittel) bereit.
Zwei Abordnungen aus dem Digitalministerium
Zudem fließen 1,5 Mio. Euro von Landesseite an den Verbund, gemäß einer Vereinbarung mit den Kommunalverbänden. Darüber hinaus ist eine personelle Abordnung im Umfang zweier Vollzeitäquivalente (VZÄ) durch das Land vorgesehen, sozusagen als „Brückenkopf“, um den Austausch beider Ebenen mit Blick auf die OZG-Prozesse zu gewährleisten.
Geschäftsführer und OZG-Leiter noch vakant
Während der „alte“ ITVSH über kein eigenes Personal verfügte, übernimmt die neue Organisation nun insgesamt neun Mitarbeiter vom „KomFIT“ und „EA-SH“. Aktuell laufen zudem Ausschreibungen für die Position eines/r Geschäftsführers/in sowie für den/die Leiter/Leiterin des Bereichs „OZG-Umsetzung“. Vorgehsehen sind also insgesamt elf VZÄ-Stellen, die das künftige E-Government und die kommunalen Aktivitäten rund um die Umsetzung des OZG bündeln und steuern sollen.
Nach Abzug vor allem der geplanten Personalkosten summiert sich das geplante Projektbudget des ITVSH auf etwa drei Mio. Euro. Von dieser Summe könnten bis zu ca. 2,6 Mio. Euro für externe Projektausgaben verwendet werden, heißt es in dem PD-Konzept.