Wenn die AG Innovativer Staat tagt, herrscht eine Stimmung des Anpackens. Alle sind sich einig, dass es eines Beitrags zur Umsetzungsbeschleunigung der Digitalisierung des Staates bedarf. So eröffnete die Geschäftsführerin Lena-Sophie Müller die Sitzung in einem Jahresrückblick auch mit der Frage nach der Ausrichtung der Initiative D21. Die Welt befindet sich in einer riesigen Umwandlung. Wie kann es uns gelingen, nicht nur mit Puzzleteilen einer Lösung beschäftigt zu sein? Lena-Sophie Müller greift diesen Gedanken auf mit der Erinnerung an die Grundfrage: Was definiert die Innovativität eines Staats oder was sind seine Aufgaben der Zukunft?
Aus der jüngsten hauseigenen Studie zeichnet sie ein Bild, das dem Tenor des vergangenen Jahres entspricht: Es passiert wenig. Vielleicht noch entscheidender, so Müller, dass das die Bevölkerung auch gar nicht erwartet hatte. Wir können daraus auf das geringe Zutrauen in den Staat ableiten. Müller betonte allerdings, dass es bislang und noch eine Sache des Zutrauens sei, und nicht der Verlust des Vertrauens in den Staat. Der Staat skaliert nicht, dass habe das eGovernment Monitoring gezeigt - es fehle das digitale Backoffice. Gibt es keine Kehre in dieser Bewegung, ist es eine Frage der Zeit, wann das sinkende Zutrauen in Vertrauensverlust mündet. Müller erinnert daran, dass die Initiative D21 gegründet wurde, um die digitale Spaltung zu verhindern. Im kommenden Jahr wird die Aktivität sich daher auf 4 Schwerpunkte konzentrieren:
- Resiliente Individuen
- Digitale Wertschöpfung
- Nachhaltigkeit
- Innovationskraft
"Wer mit Gesundheitsdaten umgehen kann, kann mit allem umgehen"
Im sich anschließenden Vortrag wirft Prof. Dr. Dirk Heckmann, von der Technischen Universität München, einen weiteren Aspekt als notwendige Ergänzung von Resilienz in den Raum: Empathie. Datenschutz sei aktuell sehr polarisierend und wird in der öffentlichen Diskussion eher unsachlich besprochen. Der Datenschutz und seine Beauftragten stehen dabei häufig auf der 'hellen' Seite. Doch müssen wir und auch die Datenhüter die Frage beantworten können, was passiert alles, ob der Nichtnutzung der Daten, die wir haben? "Datenschutz ist keine Datenaskese", so Heckmann. Schon der Name der DSGVO ist leider hierbei irreführend. Es geht auch in der Verordnung bereits um den Fluss von Daten. Heckmann regt deshalb an, Datenspenden in den Blick zu nehmen und stellt der AG Innovativer Staat seine Empfehlung für zukünftige Abwägungskriterien vor:
- Solidarische Daten anstelle eines Vorrangs der Privatheit
- DSGVO als Verfahrensaufsicht
- Inkaufnahme von Risiken der Preisgabe
- Datenschutz auf Missbrauchsabwehr fokussieren
Aufgrund der Gefahr der Arbeits- und Handlungsverlangsamung des Staates durch einen einseitig ausgelegten unbegrenzten Datenschutz, fordert Heckmann zusätzlich:
- die Pflicht zur Folgenabschätzung in Hinblick auf jede Datenschutzaufsichtsmaßnahme
- Offenlegung der Abwägungskriterien bei Aufsichtsmaßnahmen
- Justitiabilität der Entscheidungen
Auf diese Weise könne eine gesellschaftliche Akzeptanz der digitalen Transformation besseren Boden finden. Der Vortrag von Prof. Dr. Heckmann war insgesamt ein eindrucksvolles "Plädoyer für einen konstruktiv-abwägenden Datenschutz".
Die Sitzung wurde in der Folge durch eine angeregte Diskussion und einen ergänzenden Einblick in die Spruch- und Urteilslage der EU zum Thema Datenschutz, vorgetragen in einem Impuls von Judith Faust (BMI), bestimmt und schloss mit der Wahl von Cornelia Gottbehüt (EY) und Dr. Pablo Mentzinis (SAP) als neue Leitung der AG Innovativer Staat.