„Es fehlt schlicht an einer zentralen IKT-Steuerung“
Burkard Dregger: Sicherstellen, dass die Herkulesaufgabe Verwaltungsdigitalisierung besser bewältigt wird als der Bau des BER!
„Verwaltung der Zukunft: Sie haben auf Seiten der damaligen CDU-Koalitionsfraktion im Abgeordnetenhaus federführend das E-Government-Gesetz erarbeitet. Inwiefern glauben Sie ein Instrument auf die Beine gestellt zu haben, mit der auch die seit Ende 2016 regierende rot-rot-grüne Koalition etwas anfangen kann?
Dregger: Wir haben mit unserem Berliner E-Government-Gesetz alle Pflöcke eingeschlagen, um die Transformation der Berliner Verwaltung zu einer modernen, serviceorientierten digitalen Verwaltung unumkehrbar zu machen. Dabei haben wir Wert gelegt auf Medienbruchfreiheit, Standardisierung, Barrierefreiheit, Bürger- und Unternehmensfreundlichkeit und IT-Sicherheit. Und wir haben stringente zeitliche Meilensteine definiert und die nötigen Finanzierungsvoraussetzungen geschaffen. Der rot-rot-grüne Senat muss jetzt liefern.
Wir haben stringente zeitliche Meilensteine definiert und die nötigen Finanzierungsvoraussetzungen geschaffen. Der rot-rot-grüne Senat muss jetzt liefern.
VdZ: Welche Meilensteine im E-Gov-Gesetz sind denn besonders wichtig?
Dregger: Darunter fällt zum Beispiel die flächendeckende Einführung der E-Akte bis zum 1. Januar 2023. Es ist heute niemanden mehr plausibel zu machen, dass Behörden untereinander teils wochenlang auf Akten warten, die elektronisch sekundenschnell einsehbar wären. Verwaltungs-entscheidungen wie Baugenehmigungen, Kfz-Ummeldungen, Geburtsurkunden etc. dürfen sich nicht länger unnötig hinziehen – zu Lasten von Bürgern und Unternehmen. Die Ausschreibung für die E-Akte läuft an. Seit Anfang 2018 sind zudem alle Berliner Behörden verpflichtet, zur Durchführung ihrer elektronischen Prozesse auf Leistungen des IT-Dienstleistungszentrum Berlin (ITDZ) zurückzugreifen. Ziel sind eine standardisierte IKT-Struktur wie eine einheitliche Server-Landschaft und IT-Arbeitsplätze sowie die zentrale Verwaltung der Software-Lizenzen.
Bereits 2016 haben wir 34 zusätzliche Stellen für die IKT-Steuerung bewilligt. Diese Mitarbeiter sind immer noch nicht alle gefunden.
VdZ: Klingt theoretisch gut – wie läuft es in der Praxis?
Dregger: In der Praxis macht mir zuallererst die politische Leitungsebene Sorgen: Das Gesetz legt eine zentrale Steuerung der Digitalisierung und Modernisierung der Berliner Verwaltung fest. Wir wollten damit das zuvor oft unkoordinierte Vorgehen zwischen den Senatsverwaltungen und das Klein-klein auf bezirklicher Ebene einfangen. Diese grundsätzliche Weichenstellung sehe ich derzeit aber gefährdet!
VdZ: Woran machen Sie das fest?
Dregger: Es fehlt schlicht an der zentralen IKT-Steuerung auf der politischen Führungsebene. Wir haben dafür im E-Gov-Gesetz einen CIO im Rang eines Staatssekretärs mit weitreichenden Machtmitteln zur IKT-Steuerung ausgestattet. Er verfügt über die gesamten Haushaltsmittel des Landes für die verfahrensunabhängige IKT und sitzt dem IKT-Lenkungsrat vor, in dem alle Senats- und Bezirksverwaltungen eingebunden sind. Der rot-rot-grüne Senat hat diese zentrale Steuerung schon dadurch vereitelt, dass er neben Frau Smentek als IKT-Staatssekretärin in der Senatsinnen-verwaltung mit dem Staatssekretär für Verwaltungsmodernisierung in der Senatskanzlei, Christian Nägele, sowie Staatssekretär Christian Rickerts aus der Senatsverwaltung für Wirtschaft eine unklare Kompetenzverteilung vorgenommen hat. Hinzu kommt, dass Frau Smentek erst jetzt – zwei Jahre nach Amtsantritt! – einen Abteilungsleiter bestimmt hat, der sich nun wiederum erst einmal einarbeiten muss. Seit zwei Jahren beschäftigt sie sich mit der Suche nach geeigneten Mitarbeitern, mit der sie die gesetzliche Steuerung ausüben kann. Das ist entschieden zu langsam!
Das ITDZ muss durch sämtliche Ämter und Bezirke „tingeln“, um die Bedarfe und Standards zu klären. Aber das ist die Aufgabe der IKT-Staatssekretärin.
VdZ: Wie viele Mitarbeiter müssten aus Ihrer Sicht denn die Verwaltungsdigitalisierung aus dem Umfeld von Landes-CIO Smentek vorantreiben?
Dregger: Bereits 2016 haben wir 34 zusätzliche Stellen für die IKT-Steuerung bewilligt. Diese Mitarbeiter sind immer noch nicht alle gefunden. Und da liegt das Problem: Dem rot-rot- grünen Senat fehlt es an einer Strategie zur Personalgewinnung von Fachleuten für die IKT-Steuerung. Er hat keine Vorstellung davon, wie er das unter den demographischen Gegebenheiten und dem Fachkräftemangel gestalten soll. Die Folge ist, dass sich die IKT-Staatssekretärin nur mit ihrer Abteilung beschäftigt, aber nicht mit der IKT- Steuerung. Das ITDZ versucht, dies zu kompensieren. Es muss dazu durch sämtliche Ämter und Bezirke „tingeln“, um die Bedarfe und Standards zu klären. Aber das ist die Aufgabe der IKT-Staatssekretärin. Nur sie hat die politische und rechtliche Autorität dafür. Ohne zentrale politische Steuerung geht es nicht. Die aber fehlt.
Wir werden die zeitweilige Unterstützung von externen erfahrenen Projektmanagern brauchen, die wir im öffentlichen Dienst nicht dauerhaft bezahlen und beschäftigen können.
VdZ: Als AöR muss das ITDZ aber letztlich wirtschaftlich arbeiten und einzelne Verträge mit den vielen Behörden schließen…
Dregger: Es geht darum, 80.000 derzeit zum Teil inkompatiblen IT-Arbeitsplätze samt einiger Hundert Fachverfahren zu einer kompatiblen, medienbruchfreien, wirtschaftlichen, benutzerfreundlichen und sicheren IKT-Infrastruktur umzubauen. Um diese Aufgabe zu erfüllen, sucht auch das ITDZ nach IT-Fachleuten und Projektsteuerern. Als AöR hat das Unternehmen zwar Möglichkeiten, attraktivere Vergütungen außerhalb der bestehenden Tarife anzubieten, trotzdem ist das angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt eine Herausforderung.
Während ich auf Arbeitsebene das Gefühl habe, dass der viel beschriebene Kulturwandel eingesetzt hat, dilettiert die rot-rot-grüne Landesregierung in Sachen Digitalisierung weiter herum.
VdZ: Was schlagen Sie also vor, wie es in Berlin schneller und besser vorangehen könnte in puncto Personalgewinnung?
Dregger: Wir kommen nicht daran vorbei, die Tarifstrukturen im öffentlichen Dienst in Frage zu stellen, um IT-Experten stärker für uns gewinnen zu können. Darüber hinaus gilt es natürlich, eigene Leute auszubilden und aufzubauen. Auch hier gilt es, die Ausbildungsvergütungen und -Rahmenbedingungen attraktiver zu gestalten. In einer Phase der Hochkonjunktur haben wir aber in den letzten Jahren auch gesehen, dass es ohne externe Hilfe nicht funktionieren wird. Wir werden die zeitweilige Unterstützung von externen erfahrenen Projektmanagern brauchen, die wir im öffentlichen Dienst nicht dauerhaft bezahlen und beschäftigen können. Auch wenn das manche kritisch sehen, führt aus meiner Sicht derzeit kein Weg daran vorbei.
VdZ: Es geht also darum, mehr bzw. besser zu investieren?
Dregger: Ja, wir müssen in Personalgewinnung investieren. Der aktuelle Haushalt und die konjunkturelle Lage geben die notwendigen Finanzmittel dafür her. Und Staatssekretärin Smentek hat durch eigene Projektmittel alle Möglichkeiten, diese in die richtigen Bahnen zu lenken. Während ich aber auf Arbeitsebene das Gefühl habe, dass der viel beschriebene Kulturwandel eingesetzt hat, dilettiert die rot-rot-grüne Landesregierung in Sachen Digitalisierung weiter herum. Mehr noch: Es gibt erste Stimmen aus der Senatsverwaltung für Finanzen, die ernsthaft forderten, dass das ITDZ nun langsam mal Gewinne an den Landeshaushalt abführen müsse – welch eine Realitätsferne!
Unsere digitale Dividende liegt nicht darin, dass wir zeitnah monetäre Gewinne abschöpfen, sondern darin, die Verwaltung fit zu machen und ihre Leistungsfähigkeit zu vervielfachen und ihren Service bürger- und unternehmensfreundlich zu machen.
VdZ: Welche Bedeutung messen Sie der Digitalisierung der Verwaltung in Berlin gesamtpolitisch bei?
Dregger: Es handelt sich hierbei nicht um „Peanuts“, weder finanziell noch politisch. Unsere digitale Dividende liegt nicht darin, dass wir zeitnah monetäre Gewinne abschöpfen, sondern darin, die Verwaltung fit zu machen und ihre Leistungsfähigkeit zu vervielfachen und ihren Service bürger- und unternehmensfreundlich zu machen. Das ist dringend nötig. Die Bedeutung dieses Ziels rangiert für mich auf gleicher Ebene wie die Fertigstellung des Flughafens BER! Wir stehen im nationalen, oft im internationalen Standortwettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen. Dass wir die Wirtschaft für Berlin gewinnen können, hat die erfolgreiche Neuansiedlung des Siemens-Innovationscampus in Berlin-Charlottenburg gezeigt: Voraussetzung dafür waren Zusagen über superschnelle Internetverbindungen und eine Verwaltung, die die zeitlichen Planungsziele des Konzerns ernst nimmt und die notwendigen Verwaltungsentscheidungen schnell und effizient treffen kann. Dafür kommt es immer stärker auf eine moderne digitalisierte Verwaltung an. Ich will sicherstellen, dass diese Herkulesaufgabe besser bewältigt wird als der Bau des BER.