Verantwortung und Vorteile der Kommunen
Gemeinden und Kommunen fällt ein wesentlicher Anteil der im Rahmen des OZGs zu digitalisierenden Leistungen zu. Bei Gesprächen mit Vertretern der Verwaltungsebenen steht meist die Frage im Zentrum: „Was kommt bei all den aktuell diskutierten und angeschobenen Vorhaben in den Kommunen an?“
Dr. Christine Brockmann, Geschäftsführerin der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH, sieht in einer gelungenen Umsetzung eine nachhaltige Stärkung des Standortfaktors „Kommune“, da ein einheitlicher Zugang über Kommunen hinweg für die Wirtschaft zentral ist. Dies sei Anspruch und Herausforderung für eine wirksame Umsetzung zugleich. Hierzu appelliert sie an Länder und Kommunen, ihrer Steuerungskompetenz bei der Umsetzung gerecht zu werden.
Stadtstaaten als große Kommunen sind bei der Umsetzung im Vorteil, meint Jörn Riedel, CIO der Freien und Hansestadt Hamburg. Allerdings brauche es einen neuen Geist bei der Umsetzung von Digitalisierungsprogrammen wie dem OZG. In Hamburg habe man bereits sehr gute Erfahrungen bei der Anwendung von DesignThinking-Verfahren gemacht, da diese sich am Nutzer orientieren. Die Methodik sorge so bereits für den Grundstein zu einem besseren Service der Verwaltung.
Koordination und pragmatische Umsetzungskonzepte vom Bund gefordert
Der Bund, insbesondere das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), sieht es als seine Aufgabe an, föderale Kooperationen zwecks Aufgabenbewältigung auf ganzer Linie zu unterstützen. Ernst Bürger als Verantwortlicher für die OZG-Umsetzung beim BMI bekräftigt, dass nur ein partnerschaftliches Vorgehen zum Erfolg führen werde. Dies sei zugleich die aktuelle Herausforderung, da Bund, Länder und Kommunen bei der OZG-Umsetzung durchaus weiter sein könnten. So gäbe es zwar Konsens und man orientiere sich an der Nutzerperspektive, doch die Komprimierung auf die wichtigsten Ergebnisse und das Prinzip „einfach mal anfangen“ sei noch ein zu wenig gelebtes Modell.
Die „ELFE-App“ des Landes Bremen habe gezeigt, wie schnell Online-Dienste mit neuen Methoden und Technologien gestaltet und diskutiert werden können. Die App zur kinderleichten Beantragung von Elterngeld ist seiner Ansicht nach ein tolles Beispiel sowie Werbung für gelungenes E-Government und zugleich eine interessante Blaupause für ähnliche Vorhaben.
Neben dem Bund bestätigt auch Dr. Sönke E. Schulz, Geschäftsführer des Schleswig-Holsteinischen Landkreistags, dass Parallelentwicklungen bei Systemen in Kommunen vermieden werden müssen. Länder sollten deshalb den Kommunen verlässliche Vorgaben für die OZG-Umsetzung machen, dann könnten alle anfangen. Das Prinzip Estlands nicht alles neu – im Sinne des "Proud to Copy"— erfinden zu wollen, wird auch für Deutschland als gute Praxis empfohlen.
Portalverbund erfordert Teamwork von allen Verwaltungsebenen
Einen Verbund der Verwaltungsportale von Bund, Ländern und Kommunen aufzubauen, ist eine weitere Herausforderung in den kommenden vier Jahren. Der Portalverbund ist ein Koordinierungsprojekt des IT-Planungsrates unter Federführung des BMI, die Umsetzung basiert auf dem im August 2017 in Kraft getretenen OZG. Zunächst werden dazu die Verwaltungsportale von Bund und Ländern zu digitalen Plattformen auf- und ausgebaut. Eine vom Bund zu errichtende Infrastruktur soll diese intelligent miteinander verknüpfen. Anschließend erfolgt sukzessive der Anschluss aller Länderportale, Leistungen der Kommunen werden ebenfalls darüber angebunden. Frank-Rüdiger Srocke leitet das Vorhaben beim BMI und wirbt für die partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Verwaltungsebenen. Er betont, dass der Portalverbund nur mit der gemeinsamen Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen umgesetzt werden könne.
Portalverbund Bayern
Bayern hat als eines der ersten Länder einen Portalverbund zwischen Land und Kommunen etabliert. Bürger und Unternehmen können dort heute schon Verwaltungsleistungen finden und digital nutzen. Wichtige Komponenten wie die Bayern-ID und Postkorb werden dabei vom Land bereitgestellt und sind für alle Kommunen verfügbar. Carolin Stimmelmayr vom bayerischen Staatsministerium der Finanzen für Landesentwicklung und Heimat berichtet auch hinsichtlich der Entwicklung und Bereitstellung von neuen Online-Diensten über das Bayern-Portal von beachtlichen Fortschritten. Hier haben sich laut Stimmelmayr die Vorleistungen seitens der Landesverwaltung sowie die enge Abstimmung mit Kommunen und deren IT-Dienstleistern ausgezahlt. Künftig wird das Nutzerkonto der Bayern-ID neben Login und Passwort und der eID des Personalausweises auch eine in Bayern schriftformersetzende zwei Faktor Authentifizierung (Authega) sowie die Elster-ID als Verfahren zur einfachen und sicheren Authentifizierung nutzen.
Insgesamt zeigt sich, dass durch die gesetzlichen Verpflichtungen im Rahmen des OZG einiges in Bewegung kommt. Viele Akteure wollen anscheinend die Chance ergreifen, Innovationen und überfällige Modernisierung jetzt in Angriff zu nehmen und den politischen Druck als Motivationstreiber zu nutzen. Allerdings wird auch klar, dass bei einem derart großen und auf zahlreiche Schultern verteilten Vorhaben eine gute Mischung zwischen Koordinierung und pragmatischem Loslegen gefunden werden muss. Alle Akteure sollten daher bestrebt sein, Doppelarbeit oder Stillstand aufgrund des Wartens auf den perfekten Plan zu vermeiden und stattdessen Kooperation und Synergieeffekte zugunsten hoher Umsetzungsgeschwindigkeit und Qualität zu organisieren und zu fördern.
Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von André Göbel und Petra Wolf von Capgemini.