Berlin, 2021: Verletzung der Grundwerte der Demokratie in Europa?
Wie europäische Wahlgrundsätze in Berlin interpretiert werden
Die Grundprinzipien von Europas Wahlerbe
Der Europarat hat 1990 die Venedig-Kommission eingesetzt, die sich mit Demokratie, Menschenrechten und der “Rule of Law“ befasst. Dazu gehört an prominenter Stelle auch die Befassung mit Wahlen und Abstimmungen innerhalb der Mitgliedsstaaten des Europarats. Zu den Ergebnissen der Kommission zählen neben der Befassung mit Themen, die weit außerhalb des Horizonts der meisten europäischen und insbesondere des deutschen Wahlgesetzgebers sind wie e-Voting, auch fundamentale Themen wie ein Code of Good Practice in Electoral Matters, der das zusammenfasst, was man innerhalb Europas unter (Mindest)Standards in Wahlangelegenheiten versteht. Neben den Grundprinzipien das allgemeinen, gleichen, freien, geheimen und direkten Wahlrechts gibt es noch das Kapitel “Procedural safeguards“, in welchem dargelegt ist, wie diese Grundprinzipien gesichert werden müssen. Hierzu zählt ein effektives System der Behandlung von Widersprüchen und Beschwerden, wie die Autoren „an effective system of appeal“ übersetzen würden. Hierfür gibt es zwei prinzipielle Möglichkeiten, nämlich
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Beschwerden an ordentliche Gerichte oder spezielle Gerichte oder das nationale Verfassungsgericht
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Beschwerden an eine Wahlkommission, wobei dies prinzipiell nur als erstinstanzliche Möglichkeit gesehen wird, danach muss in jedem Fall eine gerichtliche Instanz vorgesehen sein.
Die in Deutschland im Artikel 41 GG implementierte Lösung, wonach der Bundestag (möglicherweise auf Grund der diesen Einsprüchen zugrundeliegenden Unregelmäßigkeiten falsch zusammengesetzt) „Richter in eigener Sache“ ist, wird von der Venedigkommission auch thematisiert, so heißt es „Appeal to parliament, as the judge of its own election, is sometimes provided for but could result in political decisions. It is acceptable as a first instance in places where it is long established, but a judicial appeal should then be possible.“.
Dass in Wahlangelegenheiten Schnelligkeit geboten ist, ist dem Europarat ebenfalls klar: „In addition, decisions on the results of elections must also not take too long, especially where the political climate is tense. This means both that the time limits for appeals must be very short and that the appeal body must make its ruling as quickly as possible.“.
Berlin, 26. September 2021
Am 26. September 2021 fanden in Berlin Wahlen zum Deutschen Bundestag sowie Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen statt. Zusätzlich fand auch ein Volksentscheid über „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ statt. Medienberichten und offiziellen Quellen nach gab es zahlreiche Unregelmäßigkeiten dergestalt, dass
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Falsche Stimmzettel ausgegeben wurden (Niederschrift 4. Öffentliche Sitzung Landeswahlausschuss, Anlage 1, S. 1)
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In Wahllokalen Stimmzettel nicht ausgegeben wurden (Anlage 1, S. 2)
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Stimmzettel fehlten und die Wahlhandlung unterbrochen wurde (Anlage 1, S. 3)
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73 Wahllokale temporär geschlossen wurden (Anlage 1, S. 3)
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Auffallend viele ungültige Stimmen gezählt wurden.
Der Ablauf der Wahlen insgesamt und die Berichterstattung darüber führten dazu, dass die Berliner Landeswahlleiterin kurz nach der Wahl zurücktrat.
Insgesamt kann man auf Basis der Berichterstattung und v.a. der Protokolle des Landeswahlausschusses davon sprechen, dass bei dieser Wahl grobe Unregelmäßigkeiten zu vermuten sind. Nun stellt sich die Frage, wie das deutsche und das Berliner Rechtssystem mit den darauf folgenden Beschwerden umgehen und ob sie die Standards des demokratischen Europas erfüllen.
Wahlgerichtliche Aufarbeitung Land Berlin
Es wurden Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen eingereicht von
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Landeswahlleitung
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Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport
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AfD
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DIE PARTEI.
Es ist auffällig, dass die „etablierten“ Parteien wie CDU, SPD, B90/Grüne, FDP aber auch die Linke offenbar keine Einsprüche einreichten.
Das Berliner Verfassungsgericht gab am 28. September 2022, also mehr als ein Jahr nach der erfolgten Wahl in Form einer Pressemitteilung bekannt, dass
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Die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen „in einer ersten, vorläufigen Einschätzung als ungültig“ anzusehen sind
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Es dazu neigt, „die Wahlen [..] insgesamt für ungültig zu erklären“
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„In der Folge sei es dann zu unzumutbar langen Wartezeiten vor den Wahllokalen, zur zeitweisen Schließung von Wahllokalen und zur Austeilung von zu wenig oder falschen Stimmzetteln gekommen.“
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„Es hätten „teilweise chaotische“ Zustände geherrscht, viele Wahllokale seien „völlig überlastet“ gewesen.“
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„Zudem habe ein Teil der Wählenden ihre Stimme abgegeben, während bereits erste Hochrechnungen in der Presse veröffentlicht wurden.“
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„dass die Vorgänge am Wahltag nur sehr lückenhaft dokumentiert worden seien und es sich bei den dokumentierten von Wahlfehlern betroffenen Stimmen nur um „die Spitze des Eisbergs“ handeln dürfte.“
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Die Entscheidung hierzu am 16. November 2022 verkündet werden wird.
Weiters geht aus der Pressemitteilung hervor, dass bereits die Vorbereitung der Wahl den rechtlichen Anforderungen nicht genügt habe.
Inwieweit ein volles Jahr den Vorgaben und Standards des Europarats entspricht, ist zweifelhaft. Vergleicht man dies mit der Schnelligkeit des US Supreme Court in Sachen Gore vs. Bush 2000, so urteilte dieser am 12. Dezember 2000 über die US-Präsidentenwahl, die am 7. November 2000 stattfand. Der österreichische Verfassungsgerichtshof urteilte bei der Bundespräsidentenwahl 2016 am 1. Juli 2016 über ebendiese Wahl, die am 22. Mai 2016 stattfand. Dass diese zwei Erkenntnisse, die jeweils etwas mehr als einen Monat brauchten, als „ruling as quickly as possible“ anzusehen sind, steht außer Zweifel. Zweifelhaft ist hier nach Ansicht der Autoren, dass die Entscheidung in Berlin fast 14 Monate braucht und Berlin somit über ein Abgeordnetenhaus und Bezirksverordnetenversammlungen verfügte, die nicht den Ergebnissen der Wahl nach zusammengesetzt waren, sofern das Verfassungsgericht seine in der Pressemitteilung veröffentlichte Meinung beibehält.
Wahlgerichtliche Aufarbeitung Bund
Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei den zwei Wahlen am 26. September 2021 in Berlin um gleichzeitig in den gleichen Wahllokalen abgehaltene Wahlen handelt. Konstatiert der Landeswahlausschuss etwas und urteilt das Berliner Landesverfassungsgericht zu den einen Wahlen, so ist mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit, eigentlich schon Sicherheit davon auszugehen, dass es bei den Bundestagswahlen in Berlin ebenso zutraf. Wesentlicher Unterschied ist, dass bezüglich der Bundestagswahlen der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages, also genau des möglicherweise nicht korrekt zusammengesetzten Organs, zunächst über die Beschwerde entscheidet. Damit ist der Bundestag „judge in its own election“, wie es die Venedigkommission formuliert. Es sind vom Bundeswahlausschuss in der Niederschrift über die 3. Sitzung am 15. Oktober 2021 i.W. genau dieselben Mängel festgehalten wie bereits zur Landeswahl. Bis heute, 31. Oktober 2022 hat der Wahlprüfungsausschuss nicht entschieden, wie seinen Webseiten zu entnehmen ist. Insgesamt zeichnet sich der Webauftritt nicht durch Transparenz aus, so fehlt u.a. die Information, wer Einsprüche eingelegt hat.
Es stellt sich die Frage, inwieweit so eine Situation mit den Auffassungen vertretbar ist, welche die Venedigkommission beispielsweise in ihrer Joint Opinion on the Draft Electoral Law of the Kyrgyz Republic vertritt, namentlich
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“Ensure clarity in the powers of the various complaints and appeals bodies”
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“Require that all hearings and proceedings on election disputes be open to the public, observers, and the media;” – Die Sitzungen des Wahlprüfungsausschusses des Bundestags finden hingegen größtenteils nicht öffentlich statt.
Gesichert ist ein Einspruch des Bundeswahlleiters in sechs Berliner Wahlkreisen. Nur der Presse ist zu entnehmen, dass eine vollständige Wiederholung der Wahl in Berlin nicht angedacht sei. Mit einer Entscheidung ist frühestens am 11. November 2022 zu rechnen, wie der Presse zu entnehmen ist. Erst nach Vorliegen der Entscheidung des Wahlprüfungsausschusses ist binnen zweier Monate eine Wahlprüfungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht möglich.
Nimmt man schnelles Handeln des Bundesverfassungsgerichts an, welches sich in den in Europa üblichen demokratischen Standards bei Wahlprüfungen bewegt, so ist günstigstenfalls am 11. November 2022 plus zwei Monate Beschwerdefrist plus sechs Wochen Verhandlung Ende Februar 2023, also fast anderthalb Jahre nach der betroffenen Wahl mit einem gerichtlichen Urteil zu den Wahlunregelmäßigkeiten auf Bundesebene zu rechnen.
Zwei zuständige Verfassungsgerichte – O.J. Simpson reloaded?
1995 fand in den USA der berühmte Strafprozess gegen O.J. Simpson statt, bei dem er des Mordes an seiner Exfrau und deren neuen Lebensgefährten angeklagt war. Zwar erfolgte im Strafprozess ein Freispruch, aber im folgenden Zivilprozess, den die Familie des Opfers angestrengt hatte, wurde er zu 33,5 Mio. Dollar Schadenersatz verurteilt, da er nach Meinung der Zivilrichter Schuld am Tod seiner Exfrau hatte.
Natürlich ist es völlig paradox, dass zwei Gerichte in ein und derselben Sache verschieden urteilen, aber in Berlin könnte jetzt genau so ein Ergebnis kommen: Wenn das Landesverfassungsgericht am 16. November 2022 und das Bundesverfassungsgericht irgendwann in 2023 oder noch später zu unterschiedlichen Auffassungen über die gleiche Sache kommt.
Ein Vergleich der Rechtslage in Österreich mit jener in Deutschland – was ist anders, was nicht?
Wesentlicher Unterschied zur Rechtslage in Deutschland ist die so genannte „Eigenzuständigkeit“ des österreichischen Verfassungsgerichthofs (VfGH). Rechtswidrigkeiten bei der Abwicklung von Wahlen bzw. Wahlereignissen (darunter fallen auch Volksabstimmungen, Volksbefragungen, Volksbegehren u.ä.) können ausschließlich beim VfGH, in erster und letzter Instanz, bekämpft werden. Die „Eigenzuständigkeit“ ist in Art. 141 des Bundes-Verfassungsgesetzes (es entspricht dem deutschen Grundgesetz) nicht nur für bundesweit stattfindende Wahlereignisse, sondern auch für Wahlen auf der Ebene der Gebietskörperschaften, darunter fallen „Länder“ (so nennt man die österreichischen Bundesländer kraft Gesetzes) und Gemeinden, verankert. Somit erstreckt sich die „Eigenzuständigkeit“ in der Praxis auf Nationalratswahlen, Bundespräsidentenwahlen, Europawahlen, Volksabstimmungen, Volksbefragungen, Volksbegehren, Landtagswahlen, Gemeinderatswahlen (nicht Bezirksvertretungswahlen in Wien), Bürgermeisterwahlen sowie einige Formen der Plebiszite in den Ländern.
Anfechtungslegitimiert, und auch dies ist ein großer Unterschied zur deutschen Rechtslage, sind ausschließlich die jeweils „zustellungsbevollmächtigten Vertreterinnen und Vertreter“ der einzelnen Wahlvorschläge, in der Praxis somit zumeist die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der jeweiligen Parteiorganisationen. Andere Stellen, wie z.B. Behörden – analog, wie oben beschrieben, in Berlin – oder Privatpersonen sind nicht anfechtungslegitimiert. Grundsätzlich sind nur die Vertreterinnen von zugelassenen („veröffentlichten“) Wahlvorschlägen legitimiert, Vertreterinnen und Vertreter nicht zugelassener Wahlvorschläge können jedoch diese Nicht-Zulassung bekämpfen.
Vereinfacht ausgedrückt gelten für den VfGH immer zwei Entscheidungskriterien:
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War ein Vorgehen oder Handeln einer Wahlbehörde nicht gesetzeskonform?
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Kann das rechtswidrige Vorgehen einer Wahlbehörde auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sein?
Beim zweiten Kriterium geht der VfGH stets vom „worst case“ aus. Die Wahrscheinlichkeit auf den Einfluss ist von keiner Relevanz. Als bestes Beispiel für die Spruchpraxis des VfGH kann die Aufhebung des zweiten Wahlgangs zur Bundespräsidentenwahl 2016 herhalten: rechtswidrige Handlungen in 14 von insgesamt 113 Bezirkswahlbehörden (im Wesentlichen wurden auf Niederschriften die Abhaltung von Sitzungen beurkundet, die in Wirklichkeit nicht stattgefunden haben) haben dazu geführt, dass die Wahl – mit Blick auf die Stochastik der Briefwahl-Wahlkarten – bundesweit aufgehoben worden ist, obwohl der Einfluss der rechtswidrigen Handlungen auf das Gesamtergebnis zwar mathematisch möglich, jedoch von der Wahrscheinlichkeit betrachtet, als ziemlich unwahrscheinlich betrachtet werden muss.
Ohne dass es hierfür wissenschaftliche Untersuchungen oder gar Belege geben würde, hat die beschriebene Rechtslage – insbesondere nach der erwähnten Aufhebung der Stichwahl zur Bundespräsidentenwahl 2016 – über die Jahre bewirkt, dass die Mitglieder der Wahlbehörden (in Deutschland mit „Wahlhelferinnen“ und „Wahlhelfern“ zu vergleichen) auf allen Ebenen sich ihrer Verantwortung bewusst sind, im Wissen, dass ein von ihnen zu vertretender Fehler nicht nur zu einer Aufhebung der Wahl, sondern wie man bei der erwähnten Wahl gesehen hat, auch zu einer strafrechtlichen wie zivilrechtlichen Verfolgung der betroffenen Personen führen kann.
Für die Einbringung der Anfechtung einer Wahl beim VfGH gelten unterschiedliche, jedenfalls aber eng bemessene Fristen. Für Bundespräsidentenwahlen und Europawahlen steht dem VfGH jeweils eine gesetzlich festgelegte, sehr kurze Frist für das Treffen einer Entscheidung zu. Auch wenn sich der VfGH an diese Frist für nicht gebunden erachtet, hat er 2016 fristgerecht ein Urteil gefällt. Bei Nationalratswahlen ergibt sich – unbeschadet der beschriebenen „Eigenzuständigkeit“ – eine Rechtslage, die an die oben beschriebene unbefriedigende Gegebenheit erinnern mag. Wie vermutlich in Berlin, so musste die Öffentlichkeit nach einer Aufhebung der Nationalratswahl 1995 in einer Gemeinde und in einem Wahlsprengel einer anderen, größeren Gemeinde etwa ein Jahr warten, bis die Wahl tatsächlich wiederholt werden konnte und der Mandatsstand in der gesetzgebenden Körperschaft kurz darauf bereinigt wurde.
Eine solche Konstellation könnte sich – und dies gilt ohne Zweifel für Wahlen in Deutschland gleichermaßen – insbesondere dann als sehr unbefriedigend erweisen, wenn der VfGH eine Nationalratswahl zur Gänze aufhebt oder wenn eine partiell verfügte Aufhebung und damit eine lediglich in bestimmten Gebieten erforderliche Wiederholung der Wahl zu einem Kippen bestimmter Mehrheitsverhältnisse führt.
Mit einer Rechtslage nach österreichischem Modell wäre bei der Aufarbeitung der Wahlen in Berlin manches diametral anders, manches hingegen nicht. Aufgrund der „Eigenzuständigkeit“ des VfGH wäre sichergestellt, dass nicht dem gewählten Gremium selbst die Kompetenz für eine Vorentscheidung zukommt, sondern dass sofort ein einziges unabhängiges (Höchst)Gericht befasst wird. Eine unterschiedliche Aufarbeitung der beiden Wahlen wäre nur dann denkbar, wenn bei den bewiesenen Rechtswidrigkeiten tatsächlich Unterschiede zwischen den beiden gleichzeitig durchgeführten Wahlen erkennbar wären, z.B. weil das Vorhandensein der Stimmzettel in einem Fall als ordnungsgemäß zu betrachten ist, im anderen Fall nicht. Auch die Vorankündigung eines Gerichts, dass es „dazu neigt“ eine Wahl aufzuheben, wäre wohl nicht vorstellbar, es zählt immer nur die Frage, ob der Einfluss auf das Ergebnis möglich ist oder nicht. Kein Unterschied wäre hingegen bezüglich der Wartezeit auf eine Entscheidung zu verzeichnen. Auch in Österreich würden die gewählten Gremien in der möglicherweise nicht korrekten Zusammensetzung monatelang bestehen, auch noch eine längere Zeit nach Ergehen der Entscheidung.
Fazit
In Berlin ist es offensichtlich zu Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen auf Landes- und Bundesebene am 26. September 2021 gekommen. Das Problem ist hierbei weniger die Tatsache, dass es Unregelmäßigkeiten gab, sondern die Aufarbeitung durch die Wahlgerichtsbarkeit des Landes Berlin und der Bundesrepublik. Während die eine immerhin nach 14 Monaten zu einem Urteil eines Verfassungsgerichts zu kommen scheint, ist im anderen Fall das – möglicherweise falsch zusammengesetzte – Parlament Richter in eigener Sache, ehe das Ganze (hoffentlich vor Ende der laufenden Legislaturperiode) an das Bundesverfassungsgericht geht. Die Bundestagswahl in Berlin bzw. ihre u.a. vom Bundeswahlleiter angezweifelten Ergebnisse führten dazu, dass „Die Linke“ dank zweier Direktmandate in Berlin trotz Verfehlen der 5-Prozent-Hürde in den Bundestag einzog.
Dies entspricht nicht dem, was man im Europarat unter „principles of European Electoral Heritage“ versteht, sondern steht im fundamentalen Widerspruch dazu.
Nimmt man die Äußerungen deutscher Politiker zur Situation der Demokratie in anderen EU-Mitgliedsländern und auch in den USA, so stellt sich die Frage, ob hier nicht manchmal zu überheblich agiert wird. Es würde der Bundesrepublik besser anstehen, das eigene System der Wahlgerichtsbarkeit zu sanieren, so dass Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit von Wahlen zu Landtagen und zum Bundestag regelmäßig innerhalb weniger Wochen getroffen werden – vorzugsweise von Gerichten, nicht vom gewählten Organ selbst in eigener Sache.