Lieferantenmanagement
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Lieferantenmanagement im Public Procurement

Experten über die Möglichkeiten der Bieter-Organisation im öffentlichen Sektor

Lieferantenmanagement trotz Vergaberecht und unzulässiger Wettbewerbsbeschränkung? Prof. Dr. Marc Helmold, Prof. Dr. Matthias Einmahl und Klaus Rassmann erklären wie Lieferantenmanagement in der Privatwirtschaft organisiert wird, was die öffentliche Hand davon lernen kann und wo Lieferantenmanagement in der Vergabe seine Grenzen hat.

"Es gibt für mich keinen Einkauf, es gibt Lieferantenmanagement!" Prof. Dr. Marc  Helmold kann auf einen großen Erfahrungsschatz als Einkäufer im Privatsektor zurückblicken. Neben Bombardier und Panasonic war er auch für Porsche und Ford auf nationalen wie internationalen Märkten tätig. Unter anderem unterrichtet er an der iubh Berlin, der zweitgrößten Privatuniversität Deutschlands, Lieferantenmanagement und strategische Management.

"In großen Betrieben hat  jeder Einkäufer zwischen 80  bis 90 Lieferanten zu managen“, so Helmold, daher bestehe Einkauf zu großen Teilen aus Lieferantenmanagement.

Prof. Dr. Marc Helmold bei seinem Impulsvortrag auf dem ersten Tag der 20. Beschaffungskonferenz.
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Kosten managen heißt Lieferanten managen

Immer wieder werden Projekte der öffentlichen Hand in den Medien wegen zu hoher Kosten auffällig oder „laufen aus dem Ruder". Als Beispiele nennt Helmold das Transportflugzeug A400 und die Elbphilharmonie.  Auch der Berliner Flughafen BER und die fehlgeschlagenen Rüstungsprojekte der Bundeswehr seien auf schlechtes Lieferantenmanagement zurückzuführen.  Durch Lieferkettenfehler komme es regelmäßig zu höheren Kosten, einer verzögerten Fertigstellung sowie qualitativen und quantitativen Mängeln.

Innovation statt „Kostendrücker“

Der Einkauf hat  Einfluss auf  die gesamte Wertschöpfungskette: von Kundenaufträgen  über die Planung, Beschaffung, Produktion, Logistik bis hin zum Service.Trotzdem ist die Reputation des  Einkaufs  eine andere: In einer Umfrage des Magazins „Markt und Mittelstand“ aus dem Jahre 2017 geben 75 % der Führungskräfte an, dass  Sie den Einkauf und damit das Lieferantenmanagement als „Kostendrücker“ betrachten.

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75 % der Führungskräfte geben an, dass sie den Einkauf als „Kostendrücker“ betrachten.

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Dabei muss das Lieferantenmanagement dem Wandel durch Industrie 4.0, weltweite Digitalisierung und dem Wunsch nach innovativeren und schnelleren Produkten nachkommen und dementsprechend optimiert werden.

Aktuell zeigt sich laut Helmold ein Trend zur globalen und digitalen Vernetzung der Lieferantensysteme. Statt nur auf schlechte Lieferantenperformance oder  -eskalation zu reagieren werden partnerschaftliche, proaktive Maßnahmen getroffen, um eine stetige Verbesserung von Qualität, Kosten, Logistik und Technik zu gewährleisten. Traditionelles wird durch innovatives Lieferantenmanagement abgelöst.

Strategisches Lieferantenmanagement als zentrale Managementfunktion für Lieferantennetzwerke.
© Helmold & Terry (2016)

Handlungsempfehlungen nach Helmold und Terry, 2016

  1. Einbindung des Lieferantenmanagments in die strategische Unternehmensplanung
  2. Ganzheitliche Funktion des Strategischen Lieferanten-managements (SLM) im strategischen Einkauf
  3. SLM als zentrale Koordinierungsfunktion von Lieferantenproblemen
  4. Sensorik durch effiziente Nutzung von Informations-und Kommunikationstechnik
  5. Einbeziehung von adäquaten Methoden zur Bewertung der Lieferantenperformance
  6. Angepasste Personalpolitik und Qualifikation der Lieferantenmanager
  7. Aufbau von strategischen Allianzen in der Lieferkette
  8. Nutzung messbarer Indikatoren zur Verbesserung (Kaizen) der Performance
  9. Nachhaltigkeit bei der Entwicklung von Lieferanten
  10. Detailorientierung in einer lernenden Organisation

Integrativ und zentral strukturiert

Ein zentraler, globaler Lieferantenmanager koordiniert regionale und divisionale Manager, darüber hinaus den Qualitätsbeauftragten sowie verschiedene Industrie- und Materialgruppen. Integrativ und zentral – so strukturiert der Konzern Bombardier seinen Einkauf - für den Beschaffungsexperten ein Best Practice-Modell.

An erster Stelle kommt für den Professor beim Liefererantenmanagement immer die Qualität. Danach folgen Kosten- und Zeitmanagement. Um eine zuverlässige Lieferkette zu gewährleiste, empfiehlt sich dennoch ein Lieferantennetzwerk mit Vorzugs-, Alternativ-, und Benchmarkt-Lieferanten aufzubauen.

Lieferanten bewerten und coachen

„Trotz Vergaberecht ist Lieferantenmanagement möglich!“ Auch wenn man aufgrund von Wettbewerbsbeschränkung keine Lieferanten blocken oder bevorzugen könne, sei es dennoch möglich, deren Leistungsfähigkeit aufzulisten und eine Lieferantenbewertung durchzuführen. Ebenso sei das Coaching von Lieferanten ein gangbarer Weg. Die Deutsche Bahn baue dafür beispielsweise Lieferantenakademien auf.

Prof. Dr. Matthias Einmahl ist seit 2005 Professor an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW in Köln.
© FHöW NRW

95 % des Beschaffungsbedarfs sind standardisierte Produkte

Prof. Dr. Matthias Einmahl ist seit 2005 Professor an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW in Köln und legt seinen Themenschwerpunkt auf öffentlicher Beschaffung und Vergaberecht.

Einmahl sieht im öffentlichen Sektor das Problem, dass vor allem viele standardisierte Produkte zu beschaffen seien. „Für Bleistifte müssen keine intensiven Lieferantenbeziehungen aufgebaut werden.“  

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Für Bleistifte müssen keine intensiven Lieferantenbeziehungen aufgebaut werden.

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Prof. Dr. Matthias Einmahl

Gerade in Kommunen seien 95 % des Beschaffungsbedarfes standardisierte Produkte – unabhängig von der Besonderheiten der Region sei der Einkauf hier relativ gleichförmig. Spezialbedarf entstünden vorrangig in technischen gezeichnete Behörden oder bspw. der Bundeswehr.

Helmold widerspricht hier. Für standardisierte Bedarfe müsse zwar kein neues Produkt entwickelt werden, trotzdem könne man die Leistung der Lieferanten optimieren und managen.

Klaus Rassmann ist seit 2006 Zentraleinkäufer im Landesbetrieb Straßenbau.NRW.
© Landesbetrieb Straßenbau.NRW

Personalkosten sind sichtbarer als Lieferantenkosten

Auf der Führungsebene fehlt oft die Bereitschaft  für Innovation im Einkauf. Mehrkosten durch schlechtere Lieferanten sind etwa im Vergleich zu Personalkosten nur wenig sichtbar und werden daher politisch kaum unterstützt, so Einmahl.

Klaus Rassmann war zuvor Einkäufer bei zahlreichen Industrieunternehmen und Gesundheitsdienstleistern, Vorsitzender des  Vergabe- und Rechnungsprüfungsausschusses der Stadt Gelsenkirchen und ist seit 2006 Zentraleinkäufer im Landesbetrieb Straßenbau.NRW. Auch Rassmann sieht einen starren Fokus auf Personalkosten als Problem. Im Einkauf könne das meiste gespart werden, doch das Bewusstsein in der Verwaltung dafür fehle. Ein weiteres Problem sei die Verortung: Kompetenzen und Fachwissens sind beim Land gebündelt - das erschwere ein gutes Lieferantenmanagement in dezentralen Einheiten zusätzlich.

Dialog zwischen Markt und Staat

Ist ein Bedarf erst einmal ausgeschrieben und das Vergabeverfahren gestartet, verhindere das Vergabrecht erst einmal, dass der Beschaffer mit den Bietern in Kontakt tritt. Rassmann empfiehlt deshlab, den Markt schon vor der Ausschreibung zu erkunden und Besichtigungen bei potenziellen Lieferanten zu unternehmen und sich Ideen zu holen, welche Produkte bereits verfügbar sind.

Lieferanten sollen  über bevorstehende Ausschreibungen informiert und vorbereitet werden: „Frühzeitig mit dem Markt in Gespräch gehen“, empfiehlt Helmold. Um den Markt schließlich sachgerecht abzubilden, sollte der Beschaffer zusätzlich externe Expertise hinzuziehen.