Diskriminierung (ausdrücklich) erlaubt?
Die neue Rechtsprechung des EuGH zur Behandlung von Unternehmen aus Drittstaaten bei öffentlichen Ausschreibungen in der EU
Grundsatz der Gleichbehandlung/Nichtdiskriminierung im EU-Vergaberecht
Öffentliche Ausschreibungen in der EU richten sich zuvörderst nach den nationalen Gesetzen in den einzelnen Mitgliedstaaten. Sobald bestimmte Auftragswerte überschritten sind, greift indes das EU-Vergaberecht. Die wichtigsten Regelwerke sind die Richtlinien 2014/24/EU für klassische öffentliche Aufträge („Vergaberichtlinie“) und 2014/25/EU für die Sektoren Wasser, Energie und Verkehr („Sektorenrichtlinie“) – in Deutschland im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen („GWB“), in der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) und in der Verordnung über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung (Sektorenverordnung –„SektVO“) umgesetzt. Diese EU-Vergaberichtlinien setzen verbindliche Mindeststandards, um in der gesamten Europäischen Union gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten.
Gleichbehandlungsgrundsatz:
Öffentliche Auftraggeber müssen Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich genauso behandeln wie inländische Unternehmen.
Ein ganz wesentliches Prinzip ist dabei der sog. Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. Art. 18 Abs. 1 S. 1 der Vergaberichtlinie und § 97 Abs. 2 GWB): Öffentliche Auftraggeber müssen Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich genauso behandeln wie inländische Unternehmen. Eine europaweite Ausschreibung muss also allen europäischen Unternehmen offenstehen – unabhängig davon, wo sie ihren Sitz haben.
Jedes Unternehmen hat zudem einen Anspruch darauf, dass der öffentliche Auftraggeber die bieterschützenden Vorschriften des Vergaberechts einhält (vgl. § 97 Abs. 6 GWB). Diese Rechte können notfalls sogar eingeklagt werden.
Gleichbehandlung aufgrund internationaler Abkommen
Diese vergaberechtlichen Grundsätze gelten jedoch nicht nur in der EU. Durch internationale Abkommen, insbesondere das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement – „GPA“) der Welthandelsorganisation (WTO), sowie durch Freihandelsabkommen mit jeweils einem eigenen Kapitel zum öffentlichen Beschaffungswesen, hat sich die EU verpflichtet, Unternehmen aus bestimmten Drittstaaten ebenfalls gleichberechtigten Zugang zum europäischen Beschaffungsmarkt zu gewähren. Entsprechend stellen Art. 25 der Vergaberichtlinie und Art. 43 der Sektorenrichtlinie sicher, dass Unternehmen sowie Waren und Dienstleistungen aus Staaten, mit denen die EU entsprechende internationale Vereinbarungen wie das GPA oder andere verbindliche Abkommen geschlossen hat, genauso behandelt werden wie solche aus der EU. Im Gegenzug erhalten – nach dem Prinzip der Reziprozität – europäische Unternehmen gleichberechtigten Zugang zu den Beschaffungsmärkten der jeweiligen Drittländer.
Vertragsparteien des GPA sind neben den 27 EU-Mitgliedstaaten unter anderem die USA, Kanada, Großbritannien, Japan, Südkorea, Australien, die Schweiz und Israel. Mit einigen Nicht-GPA-Staaten wie Mexiko, Kolumbien, Chile, Peru und Vietnam bestehen Freihandelsabkommen mit Vergaberegelungen. Öffentliche Auftraggeber dürfen daher Unternehmen aus diesen Drittstaaten nicht anders behandeln als europäische Unternehmen. Darüber hinaus haben die Bieter aus Drittstaaten Anspruch auf den gleichen Rechtsschutz.
Doch nicht alle Staaten sind Partei solcher Vereinbarungen. So haben – wirtschaftlich bedeutende – Länder wie China, Indien, Russland und die Türkei weder das GPA unterzeichnet noch ein entsprechendes Freihandelsabkommen mit der EU abgeschlossen.
Keine einheitlichen Regeln für den Umgang mit Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten
Wie aber sind Unternehmen aus Ländern, die weder das GPA unterzeichnet noch ein Freihandelsabkommen mit der EU abgeschlossen haben („sonstige Drittstaaten“), bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu behandeln? Zwar finden sich vereinzelt Regelungen, die den Marktzugang aus sonstigen Drittstaaten beschränken. Art. 85 RL 2014/25/EU – in Deutschland umgesetzt in § 55 SektVO – regelt etwa die Behandlung von Angeboten, die Waren mit Ursprung in sonstigen Drittstaaten beinhalten, und berechtigt Sektorenauftraggeber bei Lieferaufträgen, Angebote von Waren mit einem Drittstaatenanteil von mehr als 50 % zurückzuweisen. Art. 5k der Russland-Embargo-Verordnung 833/201 verbietet – vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der daraufhin von der EU verhängten Sanktionen – die Vergabe öffentlicher Aufträge an Unternehmen aus Russland und schränkt die Teilnahme von Unternehmen mit Russlandbezug an öffentlichen Ausschreibungen in der EU stark ein.
Die Verteidigungsvergaberichtlinie 2009/81/EG stellt es öffentlichen Auftraggebern wiederum frei, Unternehmen aus Drittstaaten vom Vergabeverfahren auszuschließen (vgl. Erwägungsgrund 18 der Richtlinie). Dies gilt sogar für Unternehmen aus Ländern, mit denen die EU Abkommen geschlossen hat. Denn Aufträge im spezifischen Kontext der Verteidigungs- und Sicherheitsmärkte sind unter Verweis auf die stärkere Souveränität der Mitgliedstaaten in Sicherheitsfragen regelmäßig vom Anwendungsbereich des GPA und anderer Abkommen ausgenommen.
Eine einheitliche Regelung über den Marktzugang für drittstaatliche Unternehmen fehlt indes. Aus diesem Grund war auch die Rechtspraxis in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten bislang sehr unterschiedlich. Während etwa Italien und Belgien Angebote von Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten untersagten, wurde den öffentlichen Auftraggebern in Österreich, Ungarn und Estland mit Blick auf die Zulassung von Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten ein eigenes Ermessen eingeräumt.
Bisherige Rechtslage in Deutschland
Bislang wurden Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten in Deutschland (weitgehend) unterschiedslos behandelt. Das bedeutete, dass sich beispielsweise chinesische oder indische Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen konnten, ohne aufgrund ihrer Herkunft vom Vergabeverfahren ausgeschlossen oder in anderer Weise diskriminiert zu werden. Zudem stand ihnen der Rechtsweg offen, um Verstöße gegen das Vergaberecht vor den Nachprüfungsinstanzen und Gerichten geltend zu machen. Diese Praxis, die in der Rechtslehre ebenfalls breite Unterstützung fand, erhielt maßgeblichen Zuspruch durch die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.5.2017 – VII-Verg 36/16
In seiner Entscheidung betreffend die Beschaffung von israelischen Heron-Drohnen für die Bundeswehr urteilte das OLG Düsseldorf im Jahr 2017, dass allen Unternehmen aus Drittstaaten ein Recht auf Einhaltung des Vergabeverfahrens nach § 97 Abs. 6 GWB zustünde. Weder aus vergaberechtlichen Vorschriften noch aus dem GPA ergebe sich, dass der Schutz vor Willkür des Auftraggebers und die Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens auf Unternehmen mit Sitz in Europa beschränkt sei. Das Europäische Vergaberecht kenne (bisher) keine geographischen Einschränkungen für die Beteiligung an Vergabeverfahren. Vergabeverfahren seien daher für Unternehmen aus Drittstaaten frei zugänglich.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.12.2021 – VII-Verg 53/20 - 55/20
Auch in seiner späteren Entscheidung aus dem Jahr 2021 zur Vergabe von Arzneimittelrabattverträgen bekräftigte das OLG Düsseldorf diese Auffassung. Die Benachteiligung von Bietern sei nur zulässig, wenn sie ausdrücklich gesetzlich geregelt sei – wie beispielsweise in § 55 SektVO. Ein Recht zur Ungleichbehandlung von Unternehmen ergebe sich insbesondere nicht aus Art. 25 der Vergaberichtlinie. Diese Vorschrift verpflichte öffentliche Auftraggeber zwar, Bieter aus GPA-Staaten nicht schlechter zu behandeln als EU-Unternehmen, daraus ergebe sich aber umgekehrt nicht das Recht, Drittstaatenunternehmen zu diskriminieren.
Wie hat der EuGH entschieden?
Mit zwei aktuellen Urteilen hat der EuGH dieser gefestigten deutschen Rechtspraxis nun wohl ein Ende bereitet.
EuGH, Urt. v. 22.10.2024, C-652/22 – „Kolin“
In einer Entscheidung vom 22. Oktober 2024 ist der EuGH – erstmalig – der Frage nachgegangen, inwieweit Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten Rechte in europäischen Vergabeverfahren zustehen. Konkret beschäftigte sich der EuGH mit der Frage, ob sich ein türkisches Unternehmen auf die Bestimmungen der Sektorenrichtlinie berufen kann, um Vergaberechtsverstöße bei einer europaweiten Ausschreibung für den Bau einer Eisenbahninfrastruktur in Kroatien geltend zu machen.
Der EuGH setzt sich in seiner Entscheidung im Kern gar nicht mit den ihm vom kroatischen Gericht gestellten Fragen auseinander. Er weist das Vorabentscheidungsersuchen als bereits unzulässig zurück und stellt dabei klar, dass Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten – wie der Türkei – keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit EU-Bietern hätten. Dies folgert der EuGH insbesondere aus dem Umkehrschluss zu Art. 43 der Sektorenrichtlinie. Denn die Türkei sei weder Unterzeichnerstaat des GPA noch bestehe zwischen ihr und der EU ein Freihandelsabkommen mit vergaberechtlichen Regelungen. Schließlich sei die Türkei kein Mitgliedstaat der EU, so dass sich türkische Unternehmen nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des EU-Vergaberechts berufen können. Aus dem Status als EU-Beitrittskandidaten folge nichts anderes, da das Verhandlungskapitel mit Bezug zum Vergaberecht noch nicht abgeschlossen sei. Dies bedeutet, dass Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten laut EuGH weder einen Anspruch auf Zulassung zu öffentlichen Ausschreibungen im Sektorenbereich haben noch sich auf die Sektorenrichtlinie und die daraus resultierenden Rechte berufen können.
Der EuGH belässt es aber nicht dabei: Die EU-Mitgliedstaaten seien nicht befugt, den Zugang von Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten zu regeln. Eine solche Regelung falle unter die gemeinsame Handelspolitik im Sinne des Art. 207 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“) und damit nach Art. 3 I lit. e AEUV in die ausschließliche Zuständigkeit der EU. Im Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit könne nach Art. 2 I AEUV wiederum nur die EU selbst gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte setzen. Abgesehen von der Durchführung von Rechtsakten der EU dürften die Mitgliedstaaten in diesen Bereichen nur mit Ermächtigung der EU tätig werden. Das sei jedoch gerade nicht der Fall.
Gleichzeitig stellt der EuGH in seinem Urteil klar, dass das EU-Recht Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten jedenfalls nicht per se von Vergabeverfahren (nach der Sektorenrichtlinie) ausschließe. Es sei vielmehr Sache des jeweiligen (Sektoren-) Auftraggebers zu entscheiden, ob drittstaatliche Unternehmen zugelassen und wie ihre Angebote im Vergleich zu Unternehmen aus EU-Mitgliedstaaten gewertet werden. Dem öffentlichen Auftraggeber sei es allerdings untersagt, die nationalen Umsetzungsvorschriften, sprich die meisten Vorschriften der SektVO, pauschal auf Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten anzuwenden. Rechtsbehelfe drittstaatlicher Unternehmen seien nur am Maßstab des nationalen Rechts, aber nicht nach EU-Recht zu prüfen.
EuGH, 13.03.2025, C-266/22 – „CRRC Qingdao Sifang“
In einer weiteren Entscheidung vom 13. März 2025 konkretisiert der EuGH seine Rechtsprechung zur Teilnahme von Drittstaaten in Vergabeverfahren. Der jüngst entschiedene Fall betrifft ein chinesisches Unternehmen, das – als Teil eines Konsortiums – gegen eine Vergabeentscheidung eines französischen öffentlichen Auftraggebers zum Bau einer Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke geklagt hatte. Das Unternehmen berief sich dabei auf den Gleichbehandlungsgrundsatz der Vergaberichtlinie.
Erneut stellt der EuGH klar, dass Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit EU-Unternehmen hätten. Dies gelte sowohl für die Teilnahme als Einzelbieter wie für Bietergemeinschaften. Damit bestätigt der EuGH die in der Rechtssache „Kolin“ (C-652/22) zur Sektorenvergaberichtlinie aufgezeigten Grundsätze und bejaht die bis dahin noch zweifelhafte Übertragbarkeit auf die allgemeine Vergaberichtlinie.
Einordnung der Entscheidung in die europäische rechtspolitische Entwicklung
Beide Entscheidungen des EuGH fügen sich nahtlos in das Geflecht der jüngsten rechtspolitischen Entwicklungen in der EU. Waren die europäischen Märkte lange Zeit überwiegend offen, haben sich andere Staaten – wie China oder Indien – durch protektionistische Maßnahmen stark abgeschottet. Das Prinzip der Reziprozität gewinnt daher zunehmend an Bedeutung: Die EU setzt nun selbst verstärkt darauf, ihren Beschaffungsmarkt nur bei reziproker Marktöffnung für Drittstaaten zu öffnen.
Diese Entwicklung spiegelt sich nicht nur in den aktuellen EuGH-Urteilen wider, sondern darüber hinaus in der IPI-Verordnung Verordnung (EU) 2022/1031 und der FSR-Verordnung (mehr zu diesem Instrument im vergaberechtlichen Kontext erfahren Sie im rechts verlinkten Beitrag). Beide Rechtsinstrumente ermöglichen es der Europäischen Kommission, unter bestimmten Voraussetzungen die Teilnahme von Unternehmen aus (sonstigen) Drittstaaten an Vergabeverfahren in der EU zu beschränken, um so ein „level playing field“ herzustellen. All diese Entwicklungen erhöhen den Druck auf sonstige Drittstaaten, dem GPA beizutreten oder eigene Beschaffungsabkommen mit der EU auszuhandeln, was langfristig zu einem ausgewogeneren internationalen Wettbewerb führen könnte.
Folgen für öffentliche Auftraggeber
Aber was folgt aus den EuGH-Entscheidungen für die Vergabepraxis öffentlicher Auftraggeber in Deutschland? Mangels Regelungsbefugnis der EU-Mitgliedstaaten können diese nun – entgegen der bisherigen deutschen Rechtspraxis – frei entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen sie die Beteiligung drittstaatlicher Unternehmen an Vergabeverfahren ermöglichen.
Die Modalitäten der Behandlung von (sonstigen) drittstaatlichen Unternehmen sind bereits vor Ausschreibungsbeginn zu klären. Jeder Auftraggeber hat daher im Einzelfall zu prüfen, ob und zu welchen Bedingungen (sonstige) drittstaatliche Unternehmen an Vergabeverfahren teilnehmen können. Die Entscheidung sollte aus Gründen der Transparenz in den Vergabeunterlagen und der Auftragsbekanntmachung festgehalten werden. Bei Zulassung von sonstigen Drittstaaten sind im nächsten Schritt die Wertungsmaßstäbe festzulegen, anhand derer sich die ggf. unterschiedliche Behandlung von (sonstigen) drittstaatlichen Unternehmen und EU-Unternehmen vollzieht (bspw. Punktabzug in der Wertung). Es steht öffentlichen Auftraggebern aber auch frei, solche Unternehmen ganz ohne Bewertungsanpassung zulassen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang jedenfalls nur, dass sich die Unternehmen dabei aber nicht pauschal auf die EU-Vergaberichtlinien berufen und nicht eine Gleichbehandlung ihres Angebots mit den Angeboten fordern können, die Bieter aus den Mitgliedstaaten und Bieter aus Drittländern im Sinne von Art. 25 der Vergaberichtlinie abgegeben haben. Denn dies würde den zuvor dargestellten Grundsätzen des EuGH widersprechen. Wertungs- oder Zuschlagskriterien, wie die vom OLG Düsseldorf einst verworfene „geschlossene EU-Lieferkette“, dürften mit den Entscheidungen des EuGH nunmehr wohl nicht mehr gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.
Für Auftraggeber im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich bringen die Entscheidungen des EuGH hingegen im Ergebnis wenig Neues, bestätigt sich doch vielmehr der im Verteidigungsbereich ohnehin vorherrschende Grundsatz, dass öffentliche Auftraggeber über einen weiten Spielraum verfügen, um Unternehmen aus Drittstaaten nicht zu Vergabeverfahren zuzulassen.
Herausforderungen für Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten
Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten sehen sich freilich vor neue Herausforderungen gestellt, ihnen wird der Zugang zu EU-Ausschreibungen nun deutlich erschwert. Sie müssen damit rechnen, künftig keinen diskriminierungsfreien Zugang zu EU-weiten Vergabeverfahren in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten mehr zu erhalten. Der Fokus dürfte dabei auf Unternehmen aus China liegen.
Doch selbst wenn ein Auftraggeber Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten zu Vergabeverfahren zulässt, stehen diesen jedenfalls keine subjektiven Bieterrechte zu, weder aus den Vergabe- und Sektorenrichtlinien noch den dazugehörigen Rechtsmittelrichtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG, jeweils (grundlegend) geändert durch die Änderungs-Rechtsmittelrichtlinie 2007/66/EG. Drittstaatliche Unternehmen haben daher – jedenfalls in Bezug auf europäisches Vergaberecht – keinen Zugang zu den Vergabenachprüfungsinstanzen. Ein entsprechender Nachprüfungsantrag wäre unzulässig.
Auf welchem Rechtsweg Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten künftig Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze geltend machen können, die sich aus (ausschließlich) nationalem Vergaberecht ergeben, ist noch nicht geklärt. § 156 Abs. 2 GWB spricht für die Zuständigkeit der Vergabenachprüfungsinstanzen. Denn nach dieser Vorschrift können auch „sonstige Ansprüche“ auf Vornahme oder Unterlassung einer Handlung in einem Vergabeverfahren nur vor den Vergabekammern und dem Beschwerdegericht geltend gemacht werden.
Zwecks Beteiligung an Vergabeverfahren könnte es sich für Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten als sinnvoll erweisen, Tochtergesellschaften mit Sitz in der EU zu gründen, die sich dann als „EU-Unternehmen“ als Einzelbieter oder als Teil einer Bietergemeinschaft an Ausschreibungen beteiligen. Schließlich empfiehlt es sich Bieterfragen zu stellen, um bei Zweifeln möglichst schnell Klarheit über die Zulassung von Unternehmen aus Drittstaaten und damit eine rechtsschutzfähige Selbstbindung des Auftraggebers zu erreichen. Eine fehlende Zulassungsentscheidung in der Bekanntmachung indiziert indes grundsätzlich, dass Unternehmen aus sonstigen Drittstaaten nicht zum Vergabeverfahren zugelassen sind.