Vergabeverfahren
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Spielräume in Verhandlungsverfahren nutzen

Was geht? Was geht nicht? - Tipps für die Praxis!

Im Rahmen eines Fachforums der 20. Beschaffungskonferenz hat Nils-Alexander Weng, Fachanwalt für Vergaberecht, Rede und Antwort gestanden. In einem kurzen Interview mit Verwaltung der Zukunft gibt der Vergabeexperte Tipps für das nächste Verhandlungsverfahren.
Nils-Alexander Weng ist Fachanwalt für Vergaberecht und berät nationale und europaweite Vergabeverfahren. Er vertritt vor allem Unternehmen im Gesundheitsbereich, Museen und Landbetriebe, Sektorenauftraggeber sowie private und öffentliche Investoren.
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VdZ: Wo im Vergabeverlauf hat der Auftraggeber den größten Spielraum? Wie kann dieser optimal genutzt werden?

Weng: Den zunächst größten Spielraum hat der Auftraggeber  bei der Konzeption des Verfahrens und der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs. Wie das Oberlandesgericht Düsseldorf es mal so schön formuliert hat: ‚Das Vergaberecht regelt nicht was der Auftraggeber beschafft, sondern wie er es beschaffen muss‘. Das heißt mit anderen Worten, dass der Auftraggeber sich bereits im Vorfeld der Ausschreibung intensiv damit auseinandersetzen muss, was er eigentlich genau haben möchte.

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Den zunächst größten Spielraum hat der Auftraggeber  bei der Konzeption des Verfahrens und der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs.

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Im Verfahren selbst sind die Spielräume zwangsläufig eingeschränkter, jedoch kann er nach Abgabe der Erstangebote und im Rahmen der Verhandlungen noch an sehr vielen Stellschrauben drehen, um seine mit der Beschaffung verfolgten Ziele im Verhandlungswege zu erreichen.

VdZ: Wie kann der Auftraggeber im Verfahren verhandeln? Was ist zulässig und was nicht?

Weng: Grundsätzlich kann der Auftraggeber über alles verhandeln. Davon ausgenommen sind grundsätzlich nur die Zuschlagskriterien und die geforderten Mindestkriterien. Selbstverständlich darf auch über den Preis verhandelt werden, wobei aber natürlich keine Preise der Konkurrenten offenbart werden dürfen. 

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Grundsätzlich kann der Auftraggeber über alles verhandeln. Davon ausgenommen sind grundsätzlich nur die Zuschlagskriterien und die geforderten Mindestkriterien.

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Die Aussage, dass das Angebot sich jedoch in preislicher Hinsicht deutlich vom Wettbewerb unterscheidet ist zulässig. Ebenso ist der Vergleich mit anderen Bietern zulässig, sofern dabei keine konkreten Angebotsinhalte offenbart und besonders keine Geschäftsgeheimnisse verraten werden.

VdZ: Welche Verhandlungstipps haben Sie für Vergabestellen?

Weng: Eine gute Vorbereitung der Verhandlungen ist das A und das O eines konstruktiven Verhandlungsgesprächs und eines erfolgreichen Verhandlungsverfahrens. Dazu gehört auf Seiten des Auftraggebers eine umfassende Kenntnis des Angebotsinhalts. Bestenfalls wird den Bietern im Vorfeld bereits eine Agenda zur Verfügung gestellt, die konkrete Fragenstellungen an die Bieter enthält. Damit können sich Bieter gut vorbereiten und wissen, für welche Themen sie gegebenenfalls Experten aus dem eigenen Haus mitbringen müssen, damit Fragen auch qualifiziert geklärt werden können.

VdZ: Welchen Nutzen kann eine funktionelle Ausschreibung für den Auftraggeber haben? Wie kann diese (möglichst flexibel) ausgestaltet werden?

Weng: Der Nutzen einer funktionalen Ausschreibung liegt vor allem darin, das Know-how der Bieter ‚anzapfen‘ zu können und davon bei der weiteren Schärfung des Leistungsgegenstandes im Rahmen der Verhandlungen zu profitieren.

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Der Nutzen einer funktionalen Ausschreibung liegt vor allem darin, das Know-how der Bieter ‚anzapfen‘ zu können.

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Zunächst ist sehr genau zu prüfen, in welchem Umfang die Ausschreibung funktional erfolgen soll und welchen Rahmen der Auftraggeber als zwingende Mindestkriterien vorgeben möchte. Sodann sollte darauf geachtet werden, dass der Spielraum, der den Bietern durch die rein funktionale Beschreibung der Leistung eingeräumt wird, im Rahmen der Wertungsmatrix abgebildet wird. Freiräume, in welchen die Bieter kreativ sein können und ihr Know-how einbringen können, sollten auch entsprechend bewertet werden, um hier für die Bieter die richtigen Anreize zu setzen.

Anstatt mit allen fünf zunächst aufgeforderten Bietern beispielsweise nur mit den drei besten in die nächste Verhandlungs- und Angebotsrunde gehen - eine Anregung von Fachanwalt Weng, links im Podium.
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VdZ:  Welche weiteren Möglichkeiten hat die Vergabe für mehr Flexibilität innerhalb der Ausschreibung?

Weng: Im Rahmen des Verhandlungsverfahrens sollte vorab nicht zu starr festgelegt werden, wie der genaue Ablauf des Verfahrens aussehen wird. Vielleicht wird es später im Verfahren notwendig, noch mal eine ursprünglich nicht geplante Verhandlungs- und Angebotsrunde durchzuführen. Diese Möglichkeit sollte man sich offen gehalten haben.

VdZ: Können Sie unseren Lesern Beispiele aus der Praxis an die Hand geben, wie Auftraggeber ihre Ausschreibung besonders flexibel aufgestellt haben?

Weng: Bereits in mehreren Verfahren haben unsere Mandanten von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die zuvor bereits beschriebene „Extrarunde“ durchzuführen, insbesondere wenn es aus wirtschaftlichen Gründen noch keine Zuschlagserteilung erfolgen sollte oder auch wenn in technischer Hinsicht auf Basis der eigentlich letzten Angebote noch Optimierungspotentiale entdeckt wurden.

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Es besteht auch immer die Möglichkeit, Optionen oder Vertragsverlängerungen in die Ausschreibung mit aufzunehmen.

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Des Weiteren hat es auch bereits geholfen, während des Verhandlungsverfahrens einzelne Bieter zurückzustellen und anstatt mit allen fünf zunächst aufgeforderten Bietern beispielsweise nur mit den drei besten in die nächste Verhandlungs- und Angebotsrunde zu gehen. Dabei hat sich der Auftraggeber vorbehalten, die zurückgestellten Bieter bei einem Scheitern der Verhandlungen mit den ausgewählten Bietern wieder ins Verfahren aufzunehmen. Schließlich besteht auch immer die Möglichkeit, Optionen oder Vertragsverlängerungen in die Ausschreibung mit aufzunehmen. Insbesondere wenn es um längere Liefer- oder Dienstleistungsverträge geht, sollte dies in Erwägung gezogen werden, um auch in der Vertragsdurchführung flexibel zu bleiben.“

VdZ:  Welche Möglichkeit haben Auftraggeber, um mit dem Markt in Kontakt zu treten - innerhalb und außerhalb der Verfahren?

Weng: Eine ausdrücklich in der VgV vorgesehene Möglichkeit im Vorfeld der Ausschreibung ist die Markterkundung nach § 28. Auch außerhalb dieser ist es aber zulässig, dass der Auftraggeber mit potentiellen Bietern in Kontakt tritt und sich über Produkte und aktuelle Innovationen informiert.

Falls gewünscht, kann dies auch durch Betriebsbesichtigungen erfolgen. Auch die Mitteilung, dass bald eine Ausschreibung ansteht, ist zulässig und angesichts der derzeitigen Konjunkturlage angebracht, um sicherzustellen, dass eine Ausschreibung nicht versehentlich übersehen wird. Dabei sollte jedoch darauf geachtet werden, dass kein Bieter einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil erhält.

Während des Verfahrens hat die Kommunikation grundsätzlich über die offiziellen Kanäle zu erfolgen, da heißt üblicherweise über die vom Auftraggeber genutzte Vergabeplattform. Dabei ist stets darauf zu achten, dass die vergaberechtlichen Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung eingehalten werden. Auf Einzelkommunikation mit Bietern sollte dann möglichst verzichtet werden.