In Zeiten von immer schnelleren Innovationszyklen und disruptiven Technologien stellt sich die Frage, ob die digitale Transformation bereits abgeschlossen ist, oder ob wir uns auf eine permanent transformative Phase einstellen müssen. Insbesondere in der öffentlichen Verwaltung herrscht hier eine gewisse Uneinigkeit darüber, welche Auswirkungen die Digitalisierung bereits hatte, und welche Potenziale für diesen Kontext noch ungenutzt sind. Aus unserer Sicht sehen noch nicht alle Beteiligten, dass es bei der Digitalisierung und Modernisierung um eine grundlegende Veränderung von Prozessen und Strukturen, von Arbeitsweisen und der Organisationskultur geht. Kleine Veränderungen in einzelnen Teams oder Abteilungen sind gut, aber wenn es um eine nachhaltige und wirklich wirksame Veränderung geht, muss diese für die gesamte Organisation und auch die Zusammenarbeit zwischen Organisationen gedacht werden. Das ist eine äußerst komplexe Angelegenheit, weshalb der Wunsch nach „wir sind schon fertig mit dem Transformieren!“ auf emotionaler Ebene absolut nachvollziehbar ist. Auf der sachlichen Ebene ist diese Denkweise fatal.
Die öffentliche Verwaltung hat eine besondere Verantwortung, die Gesellschaft voranzubringen und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat zu stärken. Hier ist aus unserer Sicht die Schaffung transparenter und nutzerorientierter digitaler Verwaltungsleistungen essentiell. Rechtssichere, zur Lebenslage der Bürger:innen passende, einfach zugängliche, den Nutzer:innen verständliche und tatsächlich genutzte Services schaffen am Ende auch eine attraktive und moderne Verwaltung. Damit diese Attraktivität und Modernität erreicht werden kann, müssen jedoch Services gelegentlich neu durchdacht werden und die Entwicklung muss im engen Dialog mit Nutzer:innen erfolgen. Hierfür ist ein Umdenken und eine sich weiterentwickelnde Kultur der Offenheit, Kreativität und Innovation in der Verwaltung unerlässlich.
Eine der größten Herausforderungen bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist die Akzeptanz bei den Mitarbeiter:innen. Viele Menschen haben Angst davor, dass ihre Arbeitsplätze durch die Digitalisierung überflüssig werden könnten. Dies ist jedoch ein Trugschluss. Langfristig sichern die digitalen Technologien, wie zum Beispiel der Einsatz von Künstlicher Intelligenz, ab, dass die öffentliche Verwaltung die geforderte Leistung in hoher Qualität und Geschwindigkeit erbringen kann. Darüber hinaus können digitale Technologien die Arbeit von Menschen erleichtern und optimieren. Und das müssen sie auch, denn in der Verwaltung fehlen schlichtweg Menschen, die all die notwendigen Aufgaben bewältigen können. Gleichzeitig kann die Arbeit in der öffentlichen Verwaltung durch die Digitalisierung sogar attraktiver werden. Technische Unterstützung ist dringend notwendig, damit die Dinge beschleunigt werden können. Aus unserer Sicht werden Technologien niemals den menschlichen Faktor vollständig ersetzen können. Vielmehr schaffen neue Technologien neben der Arbeitserleichterung auch neue Aufgabenfelder und letztlich Karrieremöglichkeiten bei den öffentlichen Verwaltungen.
Es hat sich gezeigt, wie wichtig digitale Technologien und neue Arbeitsweisen mindestens in Krisenzeiten sein können, welches Potenzial die öffentliche Verwaltung letztlich ausschöpfen und welche Geschwindigkeit sie aufnehmen kann, wenn sie entsprechend aufgestellt ist und der Wille da ist. Auch die zuvor undenkbare Möglichkeit des mobilen Arbeitens und der Online-Meetings hat vielen Organisationen das Überleben während der Pandemie gesichert und in der Verwaltung neue Flexibilität für Mitarbeiter:innen geschaffen.
Die digitale Transformation ist außerdem kein rein technisches Thema. So komplex die technologischen Herausforderungen auch sind: Entscheidend ist, ob Mitarbeiter:innen der öffentlichen Verwaltung mit ihrer Expertise und ihren Erfahrungen die digitale Transformation mitgestalten können und wollen.
Wir sehen die aktuelle Digitalisierung und Modernisierung der öffentlichen Verwaltung erst am Anfang eines langen Weges. Wer glaubt, dass die letzten Jahre und das OZG in seiner ersten Fassung ausreichend waren, um die Zeit aufzuholen, in der wichtige Modernisierungsschritte nicht gegangen wurden, hat die derzeitige Situation der Verwaltung und ihre Potenziale noch nicht erkannt. Um den Herausforderungen der digitalen Entwicklungen und auch den Ansprüchen der Nutzer:innen gerecht zu werden, sollten wir uns bewusst sein, dass dies neue Kompetenzen und Fähigkeiten erfordert. Vor diesem Hintergrund empfehlen wir, den Aufbau einer lernenden Organisation zu fördern — einer Organisation, die sich kontinuierlich verbessert und bereit ist, sich zu hinterfragen, um sich in geeigneten Bereichen weiterzuentwickeln oder sogar ganzheitlich neu aufzustellen. Dabei soll einerseits eine innovative Verwaltung möglich sein, ohne dabei die Stabilität und Zuverlässigkeit der Verwaltung zu beeinträchtigen. Wir von Apiarista sind davon überzeugt, dass eine lernende Organisation mit den nötigen Fähigkeiten und Methoden der einzig sinnvolle Weg ist, um auf Veränderungen gut und schnellstmöglich reagieren zu können und damit langfristig erfolgreich zu sein. Aus den Erfahrungen in unserer Praxis wissen wir, dass in der Regel gute Ergebnisse mit positiven Auswirkungen auf die gesamte Organisation entstehen, wenn man den Mitarbeiter:innen in der öffentlichen Verwaltung Möglichkeiten zur nutzerzentrierten Gestaltung von Services gibt.
Es zeigt sich aber auch, dass es eine entsprechende Kultur, Prozesse und Organisationsstrukturen braucht, um aus solchen Impulsen dauerhafte Bewegungen entstehen zu lassen. Die digitale Transformation ist somit keineswegs tot, sondern eher am Anfang und vor allem von permanenter Natur. Die öffentliche Verwaltung tut also gut daran, sich intensiv damit auseinanderzusetzen, wie sie die Potenziale der Digitalisierung und Agilität in Bezug auf Methoden, Organisationsstruktur und Mindset für ihre eigene Weiterentwicklung nutzen kann. Das Gute, wie zum Beispiel die Zuverlässigkeit und Stabilität, soll bewahrt werden können, wobei gleichzeitig Beweglichkeit durch eine ausgeprägte Lern- und Innovationskultur, beispielsweise durch den Einsatz agiler Arbeitsweisen, geschaffen werden sollte.