Angesichts des Fachkräftemangels, der in den kommenden Jahren insbesondere den öffentlichen Sektor treffen wird, stellt sich die Frage, wie die Verwaltungsinstitutionen für junge Menschen als Arbeitgeber (wieder) interessant werden können. Die digitale Transformation ist ein essenzieller Punkt, aber woran mangelt es noch? Welche Anregungen, Wünsche und Lösungsvorschläge haben die zukünftigen Führungskräfte der Verwaltungsinstitutionen? Diese und ähnliche Fragen werden im Rahmen des Barcamp U30 behandelt: In dem Workshop entwickeln junge Verwaltungsmitarbeitende in kurzer Zeit mit agilen Methoden neue Ideen. Zum ersten Mal nimmt eine Barcamp-Gruppe dieses Jahr am Zuko-THINKTANK, dem kreativen Satelliten des Zukunftskongresses Staat und Verwaltung, teil. Ein VdZ-Interview mit Manuel Schmid.
Manuel Schmid unterstützt als Senior Projektmanager bei Orphoz McKinsey die Institutionen und Akteure der öffentlichen Verwaltung bei der Entwicklung von Digitalstrategien und begleitet die Förderung von Innovation im öffentlichen Sektor. Herr Schmid hat das 5. Barcamp U30 auf dem 9. Zukunftskongress Staat und Verwaltung mitorganisiert. Gemeinsam mit Monika Betz (Orphoz McKinsey) wird er am 31. August auf dem 2. ZuKo-THINKTANK das Panel Feedback zum Zielbild Verwaltung(en) 2030 vom Barcamp U30 moderieren.
Verwaltung der Zukunft: Herr Schmid, was hat das Barcamp U30 mit der digitalen Transformation der Verwaltung zu tun und warum begleitet McKinsey Orphoz dieses Projekt?
Schmid: Das Barcamp U30 findet jedes Jahr im Rahmen des Zukunftskongresses Staat & Verwaltung statt und richtet sich explizit an junge Mitarbeitende der Verwaltung. Ziel ist es, ihnen ein Forum für den Austausch und die Entwicklung ihrer Ideen für die Verwaltung der Zukunft zu bieten, die sie maßgeblich gestalten werden. Im Barcamp kommen genau die Mitarbeitenden zusammen, für die die digitale Transformation von zentraler Bedeutung sein wird: Zum einen muss diese Transformation erfolgen, damit ihnen eine nachhaltig funktionierende Verwaltung übergeben werden kann, zum anderen ist diese Transformation Voraussetzung, um die junge Generation überhaupt langfristig für einen Arbeitsplatz in der Verwaltung zu begeistern. Als McKinsey und Orphoz freuen wir uns, mit dieser Gruppe im Rahmen des Barcamp U30 einen Tag zu gestalten. Wir bieten dabei ein interessantes Programm, in dem wir beispielsweise neue Innovationsmethoden vorstellen und wollen so über den Austausch hinaus praktischen Nutzen für die Teilnehmenden schaffen.
Das 5. Barcamp U30 beim Brainstorming
VdZ: In diesem Jahr fand das 5. Barcamp U30 statt. Inwiefern haben sich das Barcamp und seine zu behandelnden Problemstellungen in dieser Zeit gewandelt?
Schmid: In den Anfangsjahren des Barcamps lag ein starker Fokus auf Lösungen für bestehende Herausforderungen der Verwaltung. Dabei entstanden unzählige spannende und innovative Ideen, wie z. B. ein KI-basierter Übersetzer für das Dolmetschen während Behördenterminen oder ein Wissens-Matching-Tool für Verwaltungsmitarbeitende. Wir mussten aber feststellen, dass die zeitlichen Kapazitäten der Teilnehmenden – so sehr sie sich auch „streckten“ – für die Umsetzung dieser Ideen im Arbeitsalltag nicht ausreichten und Freistellungen hierfür nicht möglich waren. Wir haben das Konzept deshalb kontinuierlich auf Basis des Teilnehmenden-Feedbacks weiterentwickelt und legen nun – neben der Ideenentwicklung – einen stärkeren Fokus auf Vernetzung und Methodenwissen. Beides übrigens auch Herausforderungen der Verwaltung, die seit Beginn vor 5 Jahren von den Teilnehmenden genannt werden. Jedes Jahr hören wir, dass immer noch zu stark innerhalb der eigenen Organisation, oft sogar nur im eigenen Referat gearbeitet wird und Prozesse und Herangehensweisen an Fragestellungen sich seit Jahrzehnten kaum geändert haben.
... wir legen nun – neben der Ideenentwicklung – einen stärkeren Fokus auf Vernetzung und Methodenwissen. Beides übrigens auch Herausforderungen der Verwaltung, die seit Beginn vor 5 Jahren von den Teilnehmenden genannt werden.
VdZ: Die Teilnehmenden kommen aus ganz unterschiedlichen Institutionen, wie zum Beispiel dem Bundesamt für Migration, der Senatsverwaltung für Finanzen Berlin, dem deutschen Roten Kreuz e.V., der Stadt Eberswalde oder der Polizei Berlin und begegneten sich auf dem 9. Zukunftskongress zum ersten Mal. Wie wurde das Eis gebrochen?
Schmid: Das ist das Schönste am Barcamp. Hier findet wirklich ein Austausch Gleichgesinnter über die Verwaltungsebenen hinweg statt – von kleiner Kommune über Landesamt bis hin zum Bundesministerium. Nach einer lockeren Vorstellungsrunde herrscht deshalb direkt eine sehr positive Stimmung und es wird bereits angeregt diskutiert, da sehr schnell klar wird, dass fast alle mit gleichen Herausforderungen konfrontiert sind. Übrigens sind wir von Anfang an und eigentlich immer ohne es vorher anzukündigen sofort beim Du untereinander, das fördert den offenen Austausch.
VdZ: Auf dem Zukunftskongress haben die Teilnehmenden des Barcamp-Workshops zunächst nach dem Double-Diamond-Konzept Problemstellungen definiert und dann in interdisziplinären Gruppen Lösungen erarbeitet. Welche Erfahrungen haben Sie mit agilen Ansätzen wie diesen im Umfeld der Verwaltungen bislang gemacht?
Schmid: Ausschließlich positive, dort wo sie zum Einsatz gekommen sind. Innerhalb der Verwaltung ist so viel Wissen und Innovationskraft vorhanden, was selbstverständlich auch für die Projektteams von z. B. Digitalisierungsprojekten in der Verwaltung gilt. Dort, wo man mit Hilfe der richtigen Methoden, z. B. agilem Projektmanagement oder Design-Thinking, dieses Wissen verknüpft, entstehen immer bessere Lösungen in kürzerer Zeit. Es ist dabei jedoch sehr hilfreich, erfahrene Methodenexperten mit an Bord zu haben. Die Erfahrung lehrt nämlich auch, dass „Buzzwords“ wie z. B. agil schnell als Stempel auf ein Projekt gedrückt werden, das dann in der Praxis nicht wirklich agil umgesetzt wird.
Das ist das Schönste am Barcamp. Hier findet wirklich ein Austausch Gleichgesinnter über die Verwaltungsebenen hinweg statt – von kleiner Kommune über Landesamt bis hin zum Bundesministerium.
VdZ: Wenn es um die Attraktivität von Verwaltungen für junge Arbeitnehmer*innen geht, werden häufig die stark hierarchischen Strukturen erwähnt und auch im Barcamp-Workshop wurde der Wunsch nach mehr Austausch und Vernetzung zwischen den Abteilungen geäußert. Wie könnte hier ein Lösungsweg aussehen? Wie denken Sie beispielsweise über eine Änderung der Laufbahnstrukturen, die eine Durchmischung der Altersgruppen bewirken könnte?
Schmid: Der öffentliche Sektor insgesamt muss an Flexibilität gewinnen, um weiterhin attraktiv für junge Fachkräfte zu sein. Dies ist umso wichtiger vor dem Hintergrund, dass dem Staat bis 2030 etwa 840.000 Vollzeitkräfte fehlen werden, wie wir kürzlich in einer Studie analysiert haben. Die Voraussetzungen sind dabei ja eigentlich hervorragend: in der Verwaltung können Sie mit Ihrer Arbeit einen echten Mehrwert für 83 Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürger haben. Laufbahnstrukturen sind dabei natürlich insbesondere für junge Personen ein Hemmnis; hier wären flexiblere Wege sicher hilfreich. Ich würde den Lösungsraum aber breiter machen und den Pool an Fachkräften größer und insbesondere diverser denken. Für Quereinsteiger, Väter oder Mütter mit schulpflichtigen Kindern oder Menschen, die erst vor kurzem nach Deutschland gekommen sind, können die Sicherheit und die Rahmenbedingungen eines Jobs in der Verwaltung auch ein Vorteil sein. Es kommt also auf eine individuellere Gestaltung der einzelnen Stellen und Anforderungen von Bewerberinnen und Bewerbern an.
...und wird sich am 31. August auf dem 2. ZuKo-THINKTANK mit den Anwesenden über das Zielbild Verwaltung(en) 2030 austauschen.
VdZ: Wenn Sie in Punkto Arbeitsbedingungen eine Sache für die Verwaltungsmitarbeitenden sofort ändern könnten, – was wäre das? Was drängt am meisten?
Schmid: Ganz klar und wenig überraschend: Die umfassende Digitalisierung der Arbeit in der Verwaltung. Angefangen vom Notebook und Diensthandy über Kollaborationstools und KI-gestützte Automatisierung von Arbeitsschritten hat das mit Sicherheit den größten Effekt für die Verwaltungsmitarbeitenden und ist Ausgangspunkt und Bedingung für viele weitere Verbesserungen.
VdZ: Auf dem 2. ZuKo-THINKTANK beschäftigen wir uns – ausgehend von den ersten Ergebnissen des Zukunftspanels Staat und Verwaltung – mit der Frage, wie das Zielbild Verwaltung(en) 2030 aussehen soll. Wie sieht dieses für Sie aus?
Schmid: Da möchte ich natürlich dem THINKTANK nicht vorweggreifen, aber Sie können davon ausgehen, dass die angesprochenen Stichworte Digitalisierung und KI, Flexibilisierung und Vernetzung darin sehr prominent vorkommen. Viel wichtiger jedoch ist, wie die junge Generation von Verwaltungsmitarbeitenden des Barcamp U30 darüber nachdenkt. Viele dieser Personen werden 2030 ja am Steuer sitzen und in Führungspositionen die Verwaltung gestalten. Deshalb freue mich auf sehr spannende Diskussionen und den Meinungsaustausch in der Barcamp-Session auf dem 2. ZuKo-THINKTANK.
Viele dieser Personen werden 2030 ja am Steuer sitzen und in Führungspositionen die Verwaltung gestalten.