Gericht
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Was folgt auf FRAUKE, OLGA und JANO?

Generative AI in einer menschengemachten Justiz

Die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz hat die Art und Weise, wie wir mit verschiedenen Aspekten des Lebens umgehen, revolutioniert. Auch im Bereich der Justiz ermöglichen Fortschritte in der maschinellen Verarbeitung natürlicher Sprache zahlreiche neue Anwendungen. Künstliche Intelligenz (KI, engl. AI) und im speziellen Generative Künstliche Intelligenz (engl. Generative AI, kurz: GenAI), haben hier das Potenzial, die juristische Arbeitsweise vor allem in Massenverfahren zu verändern.
Drei Leuchtturmprojekte, an denen IBM maßgeblich mitgewirkt hat – namentlich OLGA (Oberlandesgericht Assistent), FRAUKE (Frankfurts Urteilskonfigurator elektronisch) und JANO (Justiz Anonymisierung) – spielen Schlüsselrollen in dieser Entwicklung.

Das Potenzial von GenAI für die Justiz

GenAI basiert auf großen Sprachmodellen (engl. Large Language Models, LLMs), welche auf sehr großen Mengen an ungelabelten Daten trainiert wurden. Dadurch sind sie in der Lage, geschriebene menschliche Sprache in nahezu perfekter syntaktischer und semantischer Qualität zu erzeugen. Dies eröffnet eine Vielzahl von Anwendungsfällen, die die Justiz grundlegend verändern könnten. Dazu zählen Zusammenfassung von Texten (engl. Summarization), Informationsextraktion (engl. Entity Extraction), Generierung von Schriftstücken, Klassifikation von vorhandenen Schriftsätzen und interaktives Beantworten von Fragen (engl. Questions & Answers, Q&A), die besonders in umfangreichen gerichtlichen Verfahren einen erheblichen Mehrwert bieten könnten.

  1. Summarization ermöglicht es, umfangreiche Informationen wie bspw. eine Akte oder Bestandteile einer Akte (Klageschrift, Klageerwiederung) auf prägnante und leicht verständliche Zusammenfassungen zu reduzieren. Dies könnte Richter*innen und Jurist*innen helfen, komplexe und umfangreiche Schriftstücke effizient zu verstehen und in ihre Entscheidungsfindung einzubeziehen.
  2. Ebenso erlaubt Entity Extraction die Identifikation und Extraktion wichtiger Informationen (Metadaten) und Merkmale, die für den jeweiligen Fall relevant sein könnten. Dabei wird im Gegensatz zu einer herkömmlichen Stichwortsuche der Kontext im Dokument berücksichtigt. Die Generierung von relevantem juristischem Text – unter Einbeziehung vorhandener Daten – könnte die Erstellung von wiederkehrenden Schriftstücken oder Rechtsgutachten erheblich beschleunigen.
  3. Durch die Anwendung von Klassifizierungs-Techniken kann GenAI dabei helfen, komplexe Sachverhalte zu kategorisieren und die relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen zu bestimmen, die in den Entscheidungsprozess einbezogen werden müssen.
  4. Schließlich ermöglicht die Frage-Antwort-Funktion von GenAI eine interaktive Kommunikation mit der Akte, wodurch Richter*innen und Jurist*innen gezielte Informationen zu spezifischen Aspekten eines Falles erhalten könnten.

Der große Mehrwert liegt neben der hohen Qualität der Ergebnisse vor allem in der sehr geringen Menge an benötigten Trainingsdaten. Da die LLMs bereits ein grundlegendes Verständnis von Sprache aufweisen, reichen je nach Anwendungsfall eine Hand voll Beispiele aus, die dem Modell als Kontext übergeben werden (sog. Few-Shot-Prompting). Reicht dies nicht aus, kann ein Modell mit wenigen gelabelten Datenpunkten für den jeweiligen Anwendungsfall neu justiert werden (sog. Fine-Tuning). Dies erspart zeitaufwändige Trainingsphasen und sorgt für einen schnelleren Echtbetrieb. Feinjustierung und Betrieb von GenAI-Anwendungen können sehr effizient mit der Plattformlösung watsonx.ai von IBM realisiert werden.

Einige Herausforderungen und ethische Bedenken

Trotz der vielversprechenden Möglichkeiten von GenAI gibt es auch erhebliche Herausforderungen und ethische Bedenken, die berücksichtigt werden müssen. Eine der Hauptfragen betrifft den Datenschutz und die Sicherheit sensibler Informationen. Es ist von entscheidender Bedeutung sicherzustellen, dass diese Daten nicht missbraucht oder unbefugt offengelegt werden. Außerdem muss der Betrieb sämtlicher KI-Modelle, die im Hochrisikobereich Justiz eingesetzt werden, einer strengen Überwachung unterliegen.

Sowohl Trainingsdaten als auch Modellvorhersagen müssen transparent und nachvollziehbar sein, um einen fairen und vorurteilsfreien Einsatz der Technologie zu ermöglichen. Dies kann durch geeignete Monitoringwerkzeuge geschehen, welche bereits bei der Datenaufbereitung zum Einsatz kommen, um volle Transparenz von den Trainingsdaten bis hin zu den Ausgabeergebnissen der KI zu ermöglichen. Auf diese Weise stellt KI keine Blackbox mehr dar. Die IBM bietet hierzu die Lösung watsonx.governance an, welche nahtlos in die KI-Plattform watsonx.ai integriert ist. Dadurch können auch regulatorische Anforderungen des europäischen AI-Acts besser adressiert werden.

Um volle Transparenz der Trainingsdaten bis hin zu den Ausgabeergebnissen der KI zu ermöglichen, bietet die IBM die Lösung watsonx.governance an, welche nahtlos in die KI-Plattform watsonx.ai integriert ist.
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Die Rolle des Menschen in einer KI-affinen Justiz

Trotz der fortschrittlichen Technologie bleibt die menschliche Urteilsfähigkeit von entscheidender Bedeutung. Künstliche Intelligenz kann als Unterstützung dienen, um zusätzliche Informationen und Erkenntnisse zu liefern, aber die endgültige Entscheidung muss immer von qualifizierten Richter*innen und Jurist*innen getroffen werden. Es ist wichtig, eine ausgewogene Balance zwischen menschlichem Urteilsvermögen und technologischer Unterstützung zu finden. Daher beschreibt die Firma IBM AI treffender mit „Augmented Intelligence“. Eine Nutzer*innenzentrierung durch Einbezug der Endanwender*innen bei der Entwicklung von KI-Lösungen ist der Schlüssel für eine hohe Akzeptanz. Deshalb sind auch die Leuchtturmprojekte OLGA, FRAUKE und JANO so wichtig für die Justiz.

Eine Entwicklungsprognose von GenAI im Justizwesen

Die Zukunft von GenAI in der Justiz hängt davon ab, inwiefern KI Technologie verantwortungsvoll eingesetzt werden kann und sichergestellt wird, dass sie im Einklang mit ethischen und rechtlichen Standards verwendet wird. Es ist entscheidend, klare Richtlinien für die Verwendung von sensiblen Informationen in gerichtlichen Verfahren zu entwickeln und Datenschutz sowie Privatsphäre zu gewährleisten. Hierbei spielt auch die Vision von Unternehmen wie IBM bezüglich ethischer Künstlicher Intelligenz eine wichtige Rolle.

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IBM hat sich in der Entwicklung von KI-Systemen stets für einen ethischen Ansatz stark gemacht. Mit dem AI-Board of Ethics verfügt das Unternehmen über ein zentrales Gremium, welches für eine ethische sowie verantwortungs- und vertrauensvolle KI eintritt. Außerdem pflegt IBM zahlreiche Partnerschaften zu internationalen Forschungseinrichtungen und Gremien wie der KI-Expertengruppen der Europäischen Kommission, welche sich für eine ethische KI einsetzen. Das Ziel der IBM ist es, KI-Lösungen so zu gestalten, dass sie fair, transparent und nachvollziehbar sind. Dieser Grundsatz sollte auch auf den Einsatz von GenAI in der Justiz übertragen werden.

Zusätzlich zu ethischen Standards sollten Bildungsprogramme für Richter*innen und Jurist*innen implementiert werden, um sicherzustellen, dass sie über das notwendige Verständnis und die Fähigkeiten verfügen, um GenAI effektiv zu nutzen. Eine gut informierte und geschulte Justiz kann sicherstellen, dass die Vorteile dieser Technologie voll ausgeschöpft werden, ohne dabei die menschliche Urteilsfähigkeit zu beeinträchtigen. Hierauf wurde ausführlich im Best-Practice Dialog II.A1 „Kann man der künstlichen Intelligenz vertrauen? – Handlungsempfehlungen für eine vertrauenswürdige KI in der Justiz“ der Veranstaltung „2. Digital Justice Summit“ eingegangen.

Ein abschließendes Fazit

Die Einführung von GenAI in der Justiz verspricht eine effizientere Bearbeitung von Verfahren, insbesondere bei Massenklageverfahren (wie bspw. Fluggastrechte, Mietrecht, etc.). Dennoch müssen wir sicherstellen, dass diese Technologie verantwortungsvoll eingesetzt wird und im Einklang mit ethischen und rechtlichen Standards steht. Durch klare Richtlinien, Datenschutzmaßnahmen, Einsatz von ethischen KI-Leitsätzen und die Schulung von Jurist*innen können wir eine Zukunft gestalten, in der GenAI einen positiven Beitrag im Rechtswesen leistet, ohne die Grundprinzipien der menschlichen Urteilsfähigkeit zu beeinträchtigen. Pilotprojekte, die prototypenhaft erste Anwendungsfälle von KI und GenAI verproben, sind dabei unerlässlich im Entwicklungs- und Einführungsprozess.

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