In unseren zahlreichen Gesprächen mit Vertreter_innen der Justiz aus Bund und Ländern haben wir vor allem großes Interesse an folgenden IBM-Projekten bzw. -Lösungen wahrgenommen:
eIP Next Generation | Justizielle eAkte der Zukunft
So stand im Mittelpunkt vieler Gespräche das IBM-Vorhaben, zusammen mit der Bayerischen Justiz 2025 ein innovatives Konzept für die justizielle eAkte der Zukunft zu erarbeiten. eIP (elektronisches Integrationsportal) ermöglicht aktuell die einheitliche Bereitstellung der digitalen Akte für Gerichte, Staatsanwaltschaften und anderen Justizeinrichtungen in sechs Bundesländern. eIP unterstützt dabei auch die elektronische Kommunikation, indem es verschiedenste Fachverfahren integriert und es mittels elektronischem Rechtsverkehr (ERV) ermöglicht, Schriftsätze digital einzureichen und zu bearbeiten.
Bereits seit Jahren bundesweit in zahlreichen Gerichten im Einsatz, will die bayerische Justiz mit Unterstützung durch IBM 2025 das bisherige eIP-Konzept völlig neu denken. Wie wird das justizielle Informationsmanagement im Jahre 2035 aussehen? Wie kann der Übergang von dokumenten- zu datenorientierten Kommunikations- und Arbeitsprozessen ausgestaltet werden? Welche Potenziale können mittels gezieltem Einsatz von KI und Prozessautomatisierung gehoben werden? Welche absehbar disruptiven Veränderungen sind bei der Usability zu erwarten?
Ausgehend von dem zu erarbeitenden Zielbild soll eine Roadmap entstehen, die sich am (stufenweise) Machbaren orientiert, dabei aber Kurs nimmt auf einen grundsätzlich neuen Lösungsansatz für das justizielle Informationsmanagement. Dabei soll eIP Next Generation neben der technologischen Entwicklung auch das in der Umsetzung bereits weit fortgeschrittene Fachverfahren GeFa (Gemeinsames Fachverfahren) berücksichtigen. Denkverbote für eIP Next Generation wird es dabei nicht geben. Die gewonnen Erkenntnisse - so der aktuelle Plan - sollen anhand von Demonstratoren, Proofs of Concept und Minimum Viable Products veranschaulicht bzw. praktisch erprobt werden.
Wir haben uns sehr gefreut, dass wir in den Diskussionen und Rückmeldungen im Rahmen des DJS viel Rückenwind für eIP Next Generation wahrgenommen haben!
eManuel | KI-gestützter Anwendersupport
Sehr gefragt war am IBM-Stand auch unser KI-gestützter Anwendersupport auf der Basis des IBM Bots eManuel. Ein von vielen Gesprächspartnern formulierter Schmerzpunkt war, dass die Nutzer_innen die erforderlichen Informationen zur optimalen Anwendung von eJustice-Lösungen im Bedarfsfall nicht zur Hand haben, was deren Einsatz in der Praxis deutlich erschwert.
Unser KI-gestützter Anwendersupport mittels eManuel setzt genau hier an. Aufgerufen wird eManuel aus der unterstützten eJustice-Anwendung. Die Nutzer_innen formulieren ihre Fragen zu konkreten Anwendungssituationen in natürlicher Sprache. eManuel durchsucht die hinterlegten Unterlagen (Handbücher, Blogs, Q&A etc.) und verdichtet die relevanten Informationen zu Bedienungshinweisen, die speziell auf den Unterstützungsbedarf der Anfragenden abgestellt sind. Auf die Fundstellen in der jeweiligen Dokumentenbasis verlinkt eManuel, so dass ggf. auch vertiefende Erläuterungen abgerufen werden können.
Vor allem die einfache Anpassbarkeit an unterschiedliche digitale Lösungen und kundenspezifische Dokumentationslagen sowie die hohe Benutzerfreundlichkeit waren in unseren eManuel-Demonstrationen häufig Thema.
Interesse fand auch das technologische Konzept von eManuel, der auf einer RAG-Architektur (Retrieval Augmented Generation) beruht und mit Open Source Komponenten entwickelt worden ist. Daher können die Antworten unter Einbeziehung des spezifischen Kontextes generiert werden, ohne dass ein intensives Training des Sprachmodells notwendig ist. eManuel kombiniert dabei eine Vektor-Datenbank (Suchindex), die auf Grundlage z.B. von Handbüchern und Blogeinträgen erstellt wurde, mit einem klassischen Sprachmodell (Large Language Model).
eJustice Cockpit | Agentenbasierte Optimierung von Betrieb & Performance
Einen weiteren Interessenschwerpunkt in unseren zahlreichen Gesprächen auf dem Digital Justice Summit bildete unser eJustice Cockpit zur standort- und lösungsspezifischen Überwachung und Analyse aller wesentlichen betrieblichen Parameter in Echtzeit. Die hierfür wichtigen Kennzahlen können in kunden- und zielgruppenspezifischen Dashboards sowohl graphisch veranschaulicht als auch geographisch (d.h. standortbezogen) verortet werden, wobei auch „historische“ Verläufe und Tendenzen deutlich werden, z.B. hinsichtlich der Beeinträchtigung von Performance oder Systemverfügbarkeit.
Auf dieser Basis können sehr gezielt Maßnahmen ergriffen werden, um etwaige Beeinträchtigungen der Performance oder des reibungslosen Betriebs von eJustice-Lösungen zu beheben.
Konsolidiert werden die betrieblichen Zustandsdaten über die Integration verschiedener Observability-Lösungen wie z.B. IBM Instana. Diese Daten werden u.a. durch anwendungsspezifische Metriken aus Datenbanken, Ticketdaten von Endnutzern, Anbindungen zusätzlicher Monitoringsysteme ergänzt. Zusätzlich zur Informationsgewinnung werden diese konsolidierten Daten auch als Grundlage für intelligente Benachrichtigungen verwendet.
Im Ergebnis bietet das eJustice Cockpit in der Kombination verschiedener Auswertungen und Dashboards eine umfassende und – je nach Zielgruppe – detaillierte oder aggregierte Live-Übersicht über den Status der eingesetzten eJustice-Komponenten. Das eJustice Cockpit ermöglicht damit den Nutzer_innen, eine Vielzahl von Daten selbstständig abzurufen und statistische Auswertungen ad hoc zu erstellen, ohne auf externe Dienstleister angewiesen zu sein.
Das eJustice Cockpit, hier Bestand Einvernehmen in unseren Produkt-Präsentationen, kann einen wichtigen Beitrag zu einem effizienteren und störungsarmen Betrieb digitaler Lösungen in der Justiz leisten.
KI-Assistenten für Gerichte und Richter_innen: Lösungen wie OLGA und JANO im Fokus | Von der Aktenaufbereitung bis zur Veröffentlichung pseudonymisierter Urteile
Am IBM-Stand des Digital Justice Summits wurde die Demo KI-Assistenten für Gerichte und Richter_innen präsentiert. Diese Lösung umfasst verschiedene Technologien und Proofs of Concept (PoCs), die IBM in den letzten vier Jahren gemeinsam mit Fachanwender_innen aus dem Justizbereich entwickelt und weiter verfeinert hat.
Besucher_innen konnten den gesamten Workflow erleben: von der Aktenaufbereitung, unter anderem mit der speziell für Massenverfahren konzipierten Lösung OLGA, über Unterstützung bei der Urteilsbegründung (FRAUKE) bis hin zur Pseudonymisierung von Urteilen (JANO).
Individuelle Anpassung und Flexibilität der Lösungen
Besonderes Interesse galt der Anpassbarkeit der Lösungen an die Bedürfnisse unterschiedlicher Gerichte und Kanzleien. IBM verfolgt dabei einen modularen Ansatz: Die Lösungen sind so konzipiert, dass sie entweder individuell personalisiert oder als standardisierte Lösungen für eine breitere Anwendung eingesetzt werden können. Ein Beispiel ist JANO, das im nächsten Jahr in Hessen und Baden-Württemberg pilotiert werden soll. JANO ermöglicht es, urteilsrelevante personenbezogene Daten automatisiert zu pseudonymisieren, wobei neue Technologien wie IBM watsonx und Large Language Models (LLMs) integriert wurden. Durch die Nutzung des in großen Sprachmodellen bereits vorhandenen Textverständnisses, konnten bisherige Ansätze abgelöst und die Lesbarkeit der Urteilstexte verbessert werden. Zum Beispiel wird der Name der Richter_innen durch „Richtername“ ersetzt, und Adressen werden in den jeweiligen Kontext eingebettet, etwa als „Adresse der Klägerin“.
Auch OLGA, für Diesel-Massenverfahren entwickelt, wurde für die Aktenaufbereitung und Metadatenerkennung optimiert. OLGA ermöglicht eine effizientere Fallkategorisierung, was insbesondere bei komplexen Verfahren von Vorteil ist. Ein Highlight ist die Einbindung einer automatisierten Restwertabfrage gemäß aktueller BGH-Rechtsprechung, die den Nutzer_innen die manuelle Eingabe erspart und ein vollständiges Dossier mit Informationen zum Restwert des Fahrzeuges direkt im System bereitstellt. Auf Basis dieses Restwerts und weiterer, aus dem Inhalt gelesener Parameter, kann OLGA wiederum eine bessere Kategorisierung des Verfahrens vornehmen.
Praxisorientierte Weiterentwicklungen im Dialog
Im Best Practice-Dialog wurde der Entwicklungsstand von OLGA und JANO, die in Zusammenarbeit mit dem Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg entstanden sind, detailliert vorgestellt. Gerade die schnelle Einsetzbarkeit von JANO stieß bei den Besucher_innen auf großes Interesse. Die Lösungen sind dabei nicht nur für spezielle Anwendungsfälle ausgelegt, sondern lassen sich auf breitere Anwendungsbereiche übertragen. So bietet die Aktenaufbereitung samt Metadatenerkennung von OLGA-Potenzial für andere Verfahrenstypen, was langfristig Effizienzsteigerungen in verschiedenen Gerichtsbarkeiten ermöglicht.
Ausblick: Neue Lösungen in der Entwicklung
IBM plant, den KI-Assistenten im kommenden Jahr, um weitere Lösungen zu erweitern. Neue Anwendungsfälle, die aktuell in Entwicklung sind, sollen die Arbeit von Gerichten und Kanzleien weiter vereinfachen und beschleunigen.
Wir freuen uns darauf, die Digitalisierung in der Justiz weiter voranzutreiben und auch im nächsten Jahr wieder spannende Innovationen auf dem Digital Justice Summit präsentieren zu können.