Reverse Mentoring
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Mit "Reverse Coaching" Führungskräfte digital fit machen

Tipps & Tricks vom Digital Native für den Chef / Das Potenzial Ihrer Behörde nutzen!

Die klassischen Rollen einmal umdrehen: Ein junger Mitarbeiter erklärt als Digital Native einer erfahrenen Führungskraft etwas über Social Media, Intranet & Co. Die Methode kennen Sie nicht? Sollten Sie aber!

 „Reverse Coaching“ oder „Reverse Mentoring“ kehrt das Lehrer-Schüler-Verhältnis um. Neben Social Media können auch Kenntnisse und Fertigkeiten rundum den Bereich „Social Business Collaboration“vermittelt werden.

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Es geht vor allem um den Austausch zu Technologien, Social Media, aktuelle Trends sowie Denk- und Verhaltensweisen.

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Intergenerationaler Austausch

Ob einmalig oder für mehrere Sessions – zumeist jüngere Mitarbeiter bringen älteren Kollegen bis hin zur Organisationsleitung neue Formen der (Zusammen-)Arbeit näher. Im Vordergrund steht der Transfer von Fähigkeiten (digital skills) und Erfahrungen. Weiterhin zielt das Verfahren auf einen intergenerationalen Austausch und ein besseres Verständnis für die Arbeit anderer Sektoren und Hierarchiestufen.  

Den Austausch zwischen jung und alt suchen: der Hamburger Erste Bürgermeister a. D. Dr. Klaus von Dohnanyi mit dem Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert beim 6. Zukunfts-kongress Staat & Verwaltung in Berlin.
© Wegweiser Media & Conferences GmbH/Einhaus

Wie treffen die Jüngeren Entscheidungen?

Wie trifft die jüngere Generation Entscheidungen? Welche Werte, welche Eigenschaften sind für Produkte wichtig? Genau das sind laut Christoph Drebes interessante Fragen für weniger IT-erfahrene Führungskräfte aus der Wirtschaft. „Es geht vor allem um den Austausch zu Technologien, Social Media, aktuellen Trends sowie Denk- und Verhaltensweisen.“ Der Entrepreneur hat vor vier Jahren gemeinsam mit seinem Partner Stefan Melbinger die Vernetzungsplattform „Mystery Lunch“ gegründet. In wenigen Wochen will das Start-up ein deutlich erweitertes Portfolio an Services präsentieren. Ob Privatwirtschaft oder öffentliche Einrichtung, es geht darum, einem relativen Novum zu begegnen.

Novum in der Geschichte 

Während der Menschheitshistorie seien Erfahrungen immer von den älteren zu den jüngeren Generationen weitergetragen, erklärte etwa Peter Batt, der als Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium den IT-Bereich verantwortet. Erstmals in der Geschichte müssten nun auch jüngere älteren Menschen fundamentale Kenntnisse vermitteln. „Auf diesen Umstand sind wir nicht vorbereitet“, sagte Batt auf dem 6. Zukunftskongress Staat & Verwaltung im Juni in Berlin. Gerade im öffentlichen Sektor fehlt es hierfür an Konzepten. Kurz-, mittel- und langfristig.

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Auf diesen Umstand sind wir nicht vorbereitet

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Peter Batt, IT-Abteilungsleiter, Bundesinnenministerium

Bildung, Qualifizierung, Coaching

Das Ganze ist ein andauernder Prozess. Es erscheint kaum absehbar, dass die Veränderung je zu einem Ende kommt. Im Gegenteil: Vermeintlich passende Lösungen müssen fortwährend weiterentwickelt werden. Vernetzung, offene Daten und Künstliche Intelligenz heizen dem Fortgang zusätzlich ein. Welche genauen Auswirkungen bringt aber die Automatisierung über längere Sicht mit sich? Studien und Meinungen gehen hier auseinander. Fest steht, dass es aktuell an geeigneten Personal bzw. an Qualifizierung rund um die Digitalisierung fehlt. Um aus den „Human Resources“ zu schöpfen, braucht es sicherlich verschiedene Ansätze. Und viel Trial-and-Error.   

Unüblicher Rollentausch

Das Angebot ist groß und reicht von klassischen Fortbildungen und Workshops über Webinare bis hin zu Barcamps und Mentoren-Programmen. Reverse Coaching ergänzt den vielfältigen Strauß und bringt einige vorteilhafte Aspekte mit. Der größte Unterschied liegt ganz offenbar in der Intensität der Begegnung, zu der auch der unübliche Rollenaustausch beiträgt. Mehr noch als in einem klassischen Coaching-Programm muss deshalb die Sympathieebene der Teilnehmer stimmen.   

Man ist „unter sich“ – zumindest aber zu zweit  

Je nach konkreter Ausgestaltung kann Reverse Coaching weitaus konkreter und direkter verlaufen, vor allem gegenüber Gruppen-Meetings. Termine sind im Zweifel flexibler zu arrangieren und zu gestalten. Und man ist „unter sich“ – zwar nicht mit Blick auf Alter, Position und Fachlichkeit, die Hemmschwelle, um Fragen zu stellen, liegt aber gerade für Führungskräfte weitaus tiefer. Wer will sich als Kapitän schon vor der eigenen Mannschaft mit vermeintlich banalen Fragen die Blöße geben? Stattdessen sind Vertrauen und Integrität im Zweier-Gespann gefragt und angesagt. Was aber passiert genau – gibt es ein Programm? Es kommt darauf an.

Erst einmal muss der Kontext abgesteckt werden – was sind die Ziele für Teilnehmer und Organisation? Wer soll, wer will mitmachen? Darf die Sache etwas kosten? Gibt es vielleicht sogar ein kleines Budget? Und dann muss man sich erstmal „finden“. Oder gefunden werden.

Portallösung oder selber machen?

Startup-Gründer Drebes und Melbinger launchen gerade eine Plattform, auf der Mentees und Mentoren genau das tun können. Dafür melden sich Interessenten unter Angabe von Erfahrungen und Fähigkeiten sowie ihrer Präferenzen und individuellen Zielsetzung an. „Das Portal matcht Paare basierend auf diesen Kriterien und verschickt regelmäßig Einladungen, sodass sich weder Teilnehmer noch die Personalabteilung um das Organisatorische kümmern müssen.“ Die Meetings finden dann regelmäßig in einem informellen Rahmen statt. „Ein Grundgerüst für das Vorgehen wird zur Verfügung gestellt“, erklärt Melbinger. „Sollte die Beziehung zwischen Mentor und Mentee aus einem Grund nicht passen, sucht das Tool andere mögliche Teilnehmer für ein Match.“

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Das Portal matcht Paare basierend auf diesen Kriterien und verschickt regelmäßig Einladungen, sodass sich weder Teilnehmer noch die Personal-abteilung um etwas das Organisatorische kümmern müssen.

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Vom „Frage-&-Antwort-Spiel“ bis…

Algorithmen können hier gut zur Hand gehen, die Feinjustierung darf aber weiterhin auch menschlich-manuell stattfinden. Denn grundsätzlich muss der Rahmen für ein solches Vorhaben kein großer sein: Die kleinste Form ist im Sinne weniger Termine und in simpler Form eines „Frage-&-Antwort-Spiels“ denkbar. Dem äußerst geringen Aufwand stünden wohl ebenso wenig greifbare Ergebnisse entgegen – es könnten aber grobe Begrifflichkeiten der digitalen Welt ins Visier genommen werden. Zumindest wäre ein Anfang gemacht, der die Möglichkeit gibt, beizeiten und nach Bedarf „drauf zu satteln“. Bis hin zu maßgeschneiderten Session-Plänen, kurzen Tutorials und zwischenzeitlichen Hausaufgaben für beide Seiten ist alles denkbar.

Reverse Coaching ergänzt den vielfältigen Strauß an Qualifizierungen und bringt einige vorteilhafte Aspekte mit.

… zum durchstrukturierten Halbjahresprogramm

Während im öffentlichen Bereich bislang keine Beispiele publik sind, sind bereits einige Referenzen insbesondere aus der amerikanischen Wirtschaft bekannt. In Europa haben in sehr strukturiertem Stile der norwegische Microsoft-Chef und ein 28-jähriger IT-Experte den Prozess durchlaufen. Offenbar mit sehr viel Spaß an der Sache – und (dadurch) auch erfolgreich.

Gesamtüberblick erweitern

Wie auch immer der genaue Rahmen aussieht: Drebes und Melbinger sind sich sicher, dass durch den Austausch ein Perspektivenwechsel eingeleitet werden kann. Ziel ist es aus seiner Sicht, dass erfahrene Mitarbeiter neue Technologien besser kennenlernen und sich einen Gesamtüberblick über die rasant entwickelnden Trends erhalten. Über Hierarchiestufen und Abteilungsgrenzen hinweg kann ein solcher Austausch Teil eines gegenseitigen Lernens werden, um in und für die Zukunft gute Entscheidungen zu treffen. Das gilt tatsächlich für beide Mentoring-Partner bzw. die gesamte Organisation: Denn nicht zuletzt sind die jungen Mentoren von heute die Führungskräfte von morgen. Und das geht oft schneller als man denkt.