Resilienz
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Organisationelle Resilienz in der Verwaltung

In ständiger Veränderung und Krisen handlungsfähig bleiben

„Generation 50plus: Potentiale nutzen, Leistungsfähigkeit erhalten, eigene Perspektiven schaffen“ lautet der Titel eines Kurses im Programm der Bundesakademie öffentliche Verwaltung. Das zeigt: Change-Management und der Umgang mit der "VUKA-Welt" sind auch im Personalbereich der öffentlichen Hand angekommen. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei die „Organisationelle Resilienz“ ein. Inwiefern können öffentliche Träger damit umgehen?

Risikomanagement ist für Kommunen keine neue Idee. In vielen Bereichen sind Sicherheitskonzepte und Präventionsmaßnahmen für Krisensituationen längst etabliert: Brandschutz, Evakuierungsplanung, Sicherheitsplanung für Großveranstaltungen. Im Krisenzustand müssen administrative und politische Einrichtungen funktionieren, da sie im Rahmen der Bewältigung größerer Probleme eine große Rolle einnehmen und besonders dann gebraucht werden.

V = Volatilität
Mögliche Schwankungen von Preisen, Kursen, Zinssätzen oder ganzer Märkte etc. in kurzen Zeitspannen
U = Unsicherheit
 unbekannte Risiken
K = Komplexität
Komponenten eines Systems können auf verschiedenste Weise miteinander interagieren
Vielschichtigkeit, Verflochtenheit
A = Ambiguität, Ambivalenz
Mehr- oder Doppeldeutigkeit eines Sachverhalts

VUKA – der Dauerkrisenzustand

Das „VUKA“ –Konzept  versucht Veränderungen, unerwartete Risiken und die Komplexität  und die damit verbundenen Herausforderungen für Organisationen zu beschreiben.

Die Komplexität macht es auch im öffentlichen Sektor schwieriger, Entscheidungen zu treffen und deren Folgen abzuschätzen. Übliche, gewohnte Reaktionen funktionieren in neuen Situationen nicht mehr unbedingt.

Die kulturellen Gegebenheiten einer Organisation haben dabei Einfluss auf Zusammenarbeit und Effizienz, die Art der Entscheidungsfindung sowie die Unternehmensbeziehungen. Besonders in der Verwaltung sind Strukturen oft historisch geprägt.

Gewachsene Hierarchien, festgefahrene Arbeitsabläufe und Zuständigkeitsdiskussionen schränken die Verwaltung in ihrer Flexibilität stark ein. In einer VUKA-Welt, die einen quasi Krisen-Dauerzustand beschreibt, müssen die Verwaltung und vor allem deren Mitarbeiter "resilienter" werden. Auf diese Weise können Bund, Länder und Kommunen auf aktuelle Problematiken wie den demographischen Wandel, Migration oder die Digitalisierung souverän reagieren.

VUKA ist die deutsche Variante des VUCA-Konzepts: volatility, uncertainty, complexity und ambiguity
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Stabstelle für urbane Resilienz

Intersektoriale und interdisziplinäre Zusammenarbeit ist gefordert.

Um handlungsfähig zu bleiben ist eine ausgeprägte Kommunikation und Koordination von Nöten. Eine klare Zielsetzung und effektive Führung sind unverzichtbar. Um beispielweise Stadtpolitik resilient zu führen, sind übergreifend getragende Leitlinien, welche gemeinsam entwickelt werden sowie einen klare Aufgabenverteilung notwendig.

Seit 2012 hat die Stadt Barcelona eine steuernde Stabstelle für urbane Resilienz.
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Damit sich die bestehenden Gremien dahingehend verstärkt austauschen hat die Stadt Barcelona bereits 2012 eine steuernde "Stabstelle für urbane Resilienz" eingerichtet.

Diese sammelt unter anderen raumbezogene, funktionale Informationen aus den Bereichen der Verwaltungen sowie Umwelt, öffentlicher Raum und Bevölkerung, um Ereignisse besser abzuschätzen und so das Reaktionsvermögen zu verbessern.

Organisationelle Resilienz

Die sogenannte „Organisationelle Resilienz“  ist ein Zusammenspiel aus Prozessoptimierung, Kultur- und Personalentwicklung, um ein situatives Bewusstsein und Fehlersensibilität zu schulen und so die Anpassungsfähigkeit von Mitarbeitern und Unternehmen zu verbessern. Im Rahmen des Teamworks oder der Kommunikation können diese Fähigkeiten durch die Unternehmenskultur gefördert werden. Weieck & Sutcliffe (2010) haben fünf Prinzipien risikoorientierter Unternehmen zusammen getragen, um in Krisensituationen handlungsfähig zu bleiben:

  • Konzentration auf Fehler
  • Abneigung gegen vereinfachte Interpretation
  • Sensibilität für betriebliche Abläufe
  • Streben nach Flexibilität
  • Respekt vor Wissen  und Können

Diese Prinzipien sind auf individueller und Managementebene genauso anwendbar wie mit Blick auf ganze Unternehmen, die sich am Markt behaupten müssen. Durch eine Fehlerkultur können Mitarbeiter beispielsweise für Fehlerquellen sensibilisiert werden und so auch in Extremsituation sicher agieren.

Die 4 Dimensionen Organisationeller Resilienz
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Huemer und Preisseger (2016) haben die Organisationelle Resilienz in vier Handlungsfelder aufgeteilt: Ich, Team, Unternehmen, Markt/Umwelt. Diese können in die Achsen Ich- Team  und Unternehmen-Markt eingeteilt werden.

Resiliente Individuen führen nicht zwangsläufig zu einer resilienten Organisation. Die Unternehmensebene  muss die  Individuen  unterstützen  und  anleiten, um adäquat auf den Markt zu reagieren.

Resilienz als ISO-Norm

Ende März 2017 wurde die ISO-Norm 22316 „Security and resilience – Organizational resilience – Principles and attributes“ veröffentlicht. Die ISO-Norm bietet einen ganzheitlichen Ansatz für Unternehmen und Organisationen, um handlungs- und überlebensfähig zu bleiben.

Die klare Kommunikation von Unternehmenszielen und dem eigentlichen Unternehmenszweck fördern die Organisationelle Resilienz.
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9 Elemente:

  1. Geteilte Vision, Klarheit des Unternehmenszwecks
  2. Internes und externes Umfeld verstehen und beeinflussen
  3. Fehlerkultur durch Führungskräfte kommuniziert und motiviert
  4. Relevante Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen festlegen
  5. Informationen und Wissen teilen
  6. Verfügbarkeit von Ressourcen
  7. Entwicklung und Koordination der Unternehmensmanagementbereiche
  8. Evaluation / kontinuierliche Verbesserung
  9. Fähigkeit Veränderung zu antizipieren und zu managen

Die ersten fünf Punkte fallen klar in das Feld der Unternehmenskultur.  Resilienz ist deshalb immer von den Mitarbeitern und deren Führung abhängig und  nicht allein durch Management und Planung zu meistern.

Fehlerkultur und sanktionsfreies Klima für Mitarbeiter: nur so werden Fehler frühzeitig kommuniziert und Krisen schneller erkannt.
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Krisenprävention in deutschen Jugendämtern

Im Rahmen einer Studie, finanziert durch das Nationale Zentrum Frühe Hilfe (NZFH) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugendliche (BMFSFJ), im Jahre 2017 hat die Technische Universität Ilmenau neben der medialen Darstellung von Jugendämtern deren Krisenmanagement untersucht und einen Leitfaden für diese entwickelt. Als Beitrag zur Prävention und Aufbau einer Organisationellen Resilienz wird empfohlen, die bestehenden Besprechungsstrukturen innerhalb der Behörde zu nutzen und auch interne Abstimmungsprozesse zu formalisieren und zu routinieren.

Außerdem sei ein sanktionsfreies Klima für Mitarbeiter essentiell: nur so werden Fehler frühzeitig übermittelt. Krisenhafte Entwicklungen müssten so zeitnah wie möglich von den Jugendamtsmitarbeitenden an die Leitung weitergegeben werden, der Austausch zwischen dem Jugendamt und weiteren beteiligten Stellen (z. B. anderen Behörden, freien Trägern) muss gegeben sein.

Die Beziehungen zur Verwaltungsspitze sollen kontinuierlich gepflegt werden, um im Ernstfall zu einer schnellen Abstimmung zu kommen. Ebenso wichtig ist die Kooperation zwischen Pressestelle und Jugendamt. Auch außerhalb von Krisenzuständen soll ein Krisenteam bestehen, dessen Kompetenz stetig gefördert und weiterentwickelt wird.

Vertrauen, Wertschätzung und Wissensmanagement

Der Zusammenhalt der gesamten Kommunalverwaltung sollte durch gute interne Kommunikation und respektvollen Umgang miteinander gestärkt werden.

Innerhalb der Befragung der Studie signalisieren die Befragten insbesondere in Krisensituationen einen erhöhten Bedarf an informeller, interner Kommunikation.

Außerdem wurden gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung hervorgehoben, um Krisen gemeinsam zu bewältigen. Die hierarchisch aufgebauten Behördenstrukturen wurden dagegen als hemmend beschrieben. Als hilfreich erachten die Befragten, möglichst viele Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse einzubeziehen und Verantwortung und Informationen auf mehrere Köpfe zu verteilen.