Das Krankenhaus im Spannungsfeld
Zwischen „grüner“ Beschaffung Kostendruck und Sterilität „green procurement for future“
Nachhaltigkeit ist von der politischen Agenda nicht mehr wegzudenken. Ebenso präsent ist das Thema Nachhaltigkeit im Beschaffungswesen, einschließlich des Health Care-Bereichs. Dies ist nicht weiter verwunderlich, gehen mit der Versorgung der jährlich mehr als 16 Millionen Patienten in den rund 2.250 deutschen Krankenhäusern doch erhebliche Umweltbelastungen einher. Wiederverwendbare Verbrauchsmaterialien werden im Klinikalltag u.a. wegen multiresistenter Krankenhauskeime nur sparsam eingesetzt. Umgekehrt zählen Krankenhäuser nicht nur zu den größten Abfallproduzenten, sondern auch zu den Hauptenergieverbrauchern in Deutschland. Vor diesem Hintergrund ist die nachhaltige und zukunftsgerechte Beschaffung für Krankenhäuser alternativlos. Andererseits jedoch gilt die Abkehr vom Preis als einzigem oder vorrangigen Zuschlagskriterium als kostenintensiv. Da sich die deutschen Kliniken bekanntermaßen einem immer weiter steigenden Kostendruck ausgesetzt sehen und auch der sterile Klinikbetrieb grünen und nachhaltigen Lösungen zu widersprechen scheint, schrecken viele Krankenhäuser aktuell dennoch vor der umweltfreundlichen Beschaffung zurück.
Vergaberechtliche Grundlagen für die Einbindung von umweltpolitischen Zielen
Im Vergaberecht hat sich über die Jahre ein rasanter Wechsel vollzogen: Die Beschaffung nach sozialen, umweltbezogenen und innovativen („strategischen“) Kriterien war klarer Schwerpunkt der Vergaberechtsreform 2016. Gemäß § 97 Abs. 3 GWB können neben der Wirtschaftlichkeit nun ausdrücklich strategische Ziele in Vergabeverfahren berücksichtigt werden. Eine Verpflichtung zur nachhaltigen und umweltfreundlichen Beschaffung enthält das Vergaberecht indes (noch) nicht. Die Einbeziehung umweltbezogener Kriterien kann auf den verschiedenen Stufen eines Vergabeverfahrens erfolgen. Integrierbar sind „grüne Kriterien“ auf der Ebene der Leistungsbeschreibung (vgl. § 121 GWB, § 31 Abs. 3 VgV), der Eignungs- (z.B. Zertifizierung nach Umweltmanagementsystem oder Qualitätsmanagementmaßnahmen als Element der technischen Leistungsfähigkeit i.S.v. §§ 122, 124 GWB) und Zuschlagskriterien (vgl. § 127 GWB, § 58 Abs. 2 S. 2 VgV), der Angebotswertung (hervorgehobene Gewichtung von ökologischen Kriterien im Verhältnis zum Preis) und schließlich den Ausführungsbedingungen (vgl. § 128 Abs. 2 GWB, § 61 VgV).
What you procure is what you get!
Am besten verwirklichen lässt sich umweltfreundliche Klinikbeschaffung, wenn das betreffende Krankenhaus von vornherein eine „grüne“ oder nachhaltige Leistung ausschreibt.
Das Leistungsbestimmungsrecht öffentlicher Auftraggebers ist weit. Das Vergaberecht enthält keine Vorgaben darüber, was der Auftraggeber beschaffen muss. Das Vergaberecht reguliert vielmehr allein das „wie“ der Beschaffung, d.h. das Verfahren zur Auftragsvergabe. Möchte der Auftraggeber umweltpolitische Gesichtspunkte im Vergabeverfahren berücksichtigt wissen und eine nachhaltige Leistung beauftragen, sollte er die Spielräume auf Ebene der Leistungsbeschreibung sinnvoll nutzen. Auf diese Weise ist zuverlässig garantiert, dass der Auftraggeber am Ende tatsächlich eine nachhaltige Leistung einkauft. Voraussetzung für eine gelungene Leistungsbeschreibung unter Einbeziehung nachhaltiger Aspekte ist jedoch freilich, dass der Auftraggeber über entsprechendes Knowhow verfügt und alternative Lösungen zu konventionellen Produkten kennt. Tut er dies nicht, bietet sich die Einschaltung externer Sachverständiger an, die aber weder mittel- noch unmittelbar an der Vergabeentscheidung beteiligt sein dürfen.
Die gelungene nachhaltige Beschaffung setzt Knowhow auf Seiten der Krankenhäuser voraus! Denn nur wenn Auftraggeber den Beschaffungs-gegenstand genau kennen, können sie diesen auch „eindeutig und erschöpfend“ i.S.v. § 121 GWB beschreiben.
In die Leistungsbeschreibung gehören alle Eigenschaften, Funktionen sowie sämtliche Anforderungen an das jeweils zu beschaffende Produkt, wobei sich die Leistungsmerkmale auf den Prozess, die Herstellungsmethode, die Leistungserbringung oder ein anderes Stadium im Lebenszyklus des Produkts beziehen können. Unter Beachtung dieser Grundsätze kann ein Krankenhaus beispielsweise grüne Reinigungsdienstleistungen ausschreiben (Einsatz umweltschonender oder sogar biobasierter Reinigungsmittel, wiederverwendbarer Handtücher, intelligenter Dosiersysteme), für einen nachhaltigen Catering- und Kantinenbetrieb sorgen (u.a. umweltfreundliche Entsorgung von Lebensmitteln, Einkauf saisonaler gütesiegelzertifizierter Lebensmittel), aus Energiespargründen Solar-, Geothermie- oder Photovoltaikanlagen errichten lassen, energieeffiziente oder ausschließlich gütesiegelzertifizierte Bettwäsche, wiederverwendbare umweltfreundliche OP-Textilien und/oder Arbeitskleidung von Ärzten und Pflegepersonal, ggf. sogar unter Berücksichtigung von Kriterien des Fairen Handels, beschaffen.
Schreiben Auftraggeber von vornherein eine „grüne“ Leistung aus, eignet sich der Preis sogar als einziges Zuschlagskriterium, ohne dass die Qualität der Beschaffung hierunter leidet!
Merke: Nachhaltige
Das weitgehende Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers wird lediglich durch die Gebote der Produktneutralität und Verhältnismäßigkeit sowie den vergaberechtlich geforderten Bezug zum Auftragsgegenstand beschränkt (vgl. § 31 Abs. 3 S. 2 VgV). Aus diesem Grund sind Anforderungen verboten, die ein bestimmtes Unternehmen oder ein bestimmtes Produkt begünstigen oder benachteiligen.
Die Forderung nach Gütezeichen ist für Unternehmen kostspielig, insbesondere wenn in Bezug auf die jeweiligen Komponenten eines Produktes unterschiedliche Gütezeichen verlangt werden. Gütezeichen müssen daher in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand stehen. Der Angebotsausschluss darf erst erfolgen, wenn der Bieter dem Auftraggeber auch kein gleichwertiges Gütezeichen vorlegen kann. In der Leistungsbeschreibung ist auf den Angebotsausschluss bei Nichterfüllung hinzuweisen.
Als Beleg für die Erfüllung der aufgestellten Nachhaltigkeitskriterien können Auftraggeber die Vorlage von Gütezeichen verlangen. Die Nutzung von Gütezeichen ist nach § 34 VgV an die Voraussetzung geknüpft, dass die Anforderungen des Gütezeichens sich auf den Auftragsgegenstand beziehen, auf objektiv nachprüfbaren und nichtdiskriminierenden Kriterien beruhen, das Gütezeichen von einer unabhängigen Stelle im Rahmen eines offenen und transparenten Verfahrens entwickelt wurde und für alle interessierten Unternehmen zugänglich ist. Gütezeichen, die im Bereich der Textilbeschaffung in Frage kommen, sind beispielsweise „Blauer Engel Textilien“, „Global Organic Textile Standard“ (GOTS), „Naturland Textilien“ oder „OEKO-TEX 100“. Im Kontext von Wasch- und Reinigungsmitteln kann auf die Gütezeichen „Blauer Engel – Reinigungsmittel“, „ECOCERT“, „oder „Nordic Ecolabel – Wasch- und Reinigungsmittel“ zurückgegriffen werden.
Nachhaltiges Krankenhaus – Initiative zeigen!
Aktuell besteht noch keine Verpflichtung zur nachhaltigen (Krankenhaus-)Beschaffung. Als „Leuchtturmprojekt“ sticht die „Green Hospital Initiative“ in Bayern heraus, deren Maßnahmenplan von dem bevorzugten Bezug von Ökostrom über die Beschaffung „grüner Lieferanten“, den Einsatz umweltgerechter Werkstoffe (u.a. Vermeidung schadstoffhaltiger Kunststoffe) und den Einkauf von medizinischen Geräten, deren Hersteller Rückgabe und Recycling gewähren bis hin zu der Verwendung recyclingfähiger Baustoffe aus heimischer Produktion und der Auswahl von Medizin- und IT-Technik nach energiesparenden Eigenschaften reicht. Allein ein solcher von „oben herab“ gesteuerte Einkauf mit klaren Vorgaben zu umweltfreundlichen Produkten und nachhaltigen Alternativen kann gewährleisten, dass Krankenhäuser unter Beachtung der allgemeinen Umweltschutzziele zukünftig so qualitätsvoll wie wirtschaftlich arbeiten.