Es wird Zeit: Digitale Marktplätze in der öffentlichen Beschaffung nutzen
Effizienz-Booster für den Einkauf endlich wirksam einsetzen
Unterhalb der Schwellenwerte fehlt es an Budgetfreiraum; oberhalb am Wettbewerb: In öffentlichen Beschaffungsverfahren unterliegt die Handlungsfähigkeit in alle Richtungen starken Zwängen. Die Beschaffung soll digitaler werden, transparenter und innovativ, rief der Europäische Rechnungshof 2014 aus. Tatsächlich arbeiten sich Einkaufsverantwortliche bis heute aber an der gebotenen Bürokratie und den sich daraus ergebenden Limitierungen ab. Was die Reform genau gebracht hat – oder auch nicht – hat der Europäische Rechnungshof im Dezember 2023 in einem Bericht festgehalten; dazu gleich mehr im Detail.
Rolle digitaler Marktplätze unterhalb der Schwellenwerte
Immerhin funktioniert Beschaffung unterhalb der Schwellenwerte zum Beispiel über vereinfachte Verfahren relativ schnell, digital und für Nutzende zufriedenstellend. Bedarfe werden gedeckt, die Bedarfsanforderer freuen sich über einen gewissen Handlungsspielraum. In dem Bereich sind schon heute Marktplätze wichtige Effizienz-Booster für die öffentliche Beschaffung. Sie bieten einzigartige Vorteile, die den Einkaufsprozess von der Bestellung bis zur Rechnung extrem beschleunigt und vor allem eine Beschaffung zu wettbewerbsfähigen Preisen sichert. Außerdem schließen sie Lücken im verfügbaren Sortiment aus Rahmenvereinbarungen - findet ein Anforderer dort nicht, was er braucht, kann er auf umfangreiche Marktplätze zurückgreifen statt sich zeitaufwendig neue Rahmenvereinbarungen mit Lieferanten von niedrigpreisigen oder selten gebrauchten Artikeln abzuschließen. Prof. Michael Eßig von der Universität der Bundeswehr München sagte beispielsweise im Unite Podcast: “Elektronische Marktplätze gehören in den Instrumentenbaukasten der öffentlichen Beschaffung.”
Entscheidend ist vor der Nutzung einer solchen Lösung die Wahl eines geeigneten Marktplatzes und Marktplatzanbieters. Hier gilt es, Anforderungen zu formulieren, die sowohl mit den gesetzlichen Maßgaben als auch mit den eigenen Bedürfnissen und Werten konform gehen. Diese Anforderungen können Datensicherheit betreffen, Regionalität, die Vor- bzw. Präqualifizierung verfügbarer Lieferanten, Nachhaltigkeit, Risikoübernahme, Zertifizierung, Transparenz oder an die Neutralität des Anbieters. Die Einkaufsverantwortlichen halten hier die Marktmacht und können entscheiden, ob sie das absolute Minimum akzeptieren oder eine geeignete Lösung wählen, die dauerhaft passt.
Mit Markplätzen können öffentliche Auftraggeber dem Anspruch an eine digitalisierte, effiziente und konforme Beschaffung besser gerecht werden, Bedarfsanfordernde zufrieden stellen, Prozesskosten niedrig halten und ihre Teams entlasten. Diese Vorteile könnten sie auch für höherpreisige Aufträge nutzen – wenn sie nicht ständig von Schwellenwerten ausgebremst würden. Diese steigen zwar immer wieder, bleiben aber eine dauerhafte Limitierung und begrenzen die Möglichkeiten, die sie mit digitalen Tools heute schon längst hätten. Wie also diese Hürde nehmen?
Ein Blick oberhalb der Schwellenwerte
2014 reformierte die EU die Vergabe öffentlicher Aufträge mit dem Ziel, diese sowohl einfacher und flexibler zu machen als auch kleinen und mittelständischen Unternehmen Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu ermöglichen. Das sind einige der Ergebnisse des dazugehörigen Berichts des Europäischen Rechnungshofes von 2023, also 9 Jahre nach der Reform:
- Der Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge über Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen ist im EU-Binnenmarkt zurückgegangen.
- Die Zahl der Verfahren mit nur einem Bieter stieg erheblich; war 2021 sogar auf einem Höchststand von 42 % (doppelt so hoch wie 2011).
- KMU haben nicht häufiger an Ausschreibungen teilgenommen.
- Die Ausschreibungsraten sind insgesamt gering geblieben, da Auftraggeber offenkundig vor dem erhöhten Aufwand zurückschrecken.
- Verfahren dauern etwa 50 % länger als noch 2014 – von Bürokratieabbau und Effizienz keine Spur.
- Die meisten Ausschreibungen gehen an den Anbieter mit dem niedrigsten Preis – Umwelt, Soziales etc. spielen eine untergeordnete Rolle.
Der Europäische Rechnungshof kam zu dem Schluss, dass die Reform innerhalb der letzten zehn Jahre keine nachweisbare Wirkung hinsichtlich der Zielvorstellungen entfaltet hat. Das beobachtet auch die unabhängige Vergabeberaterin Alexandra Terzaki: “Der Wettbewerb geht zurück und wenn es nur ein oder zwei Bieter pro Ausschreibung gibt, bleibt das Ergebnis unwirtschaftlich”, sagte sie auf der Beschaffungskonferenz im September 2024.
Auch hier können Marktplätze ein Lösungsansatz sein. Warum? Weil sie inhärent die Ziele erfüllen, die die Reform im Auge hatte: Transparenz, Vereinfachung, Wettbewerb, niedrige Einstiegshürden für KMUs.
Marktplätze bieten einen Ort für eine Vielzahl von Lieferanten. Haben sie eine einheitliche, katalogübergreifende Suche, ist eine Marktübersicht und Angebotsvergliche auf Klick machbar; Prozesse sind schlank und standardisiert. Auf Plattformen herrscht meist schon unter bestehenden Angeboten ein gesunder Wettbewerb. Bei einigen Anbietern ist es sogar möglich, zusätzlich zu den vorintegrierten Lieferanten eigene Rahmenvertragskataloge einzubinden und direkt mit den vorhandenen Lieferanten und deren Angebot zu benchmarken. Die Hürde, sich einmal eine Präsenz auf einer Beschaffungsplattform einzurichten, ist zudem für kleine und mittelständische Unternehmen viel niedriger, als ständig an einzelnen Ausschreibungen teilzunehmen. Für die Einkaufsseite würde sich so ein breiter gefächertes Lieferantenportfolio ergeben. Öffentliche Auftraggeber würden von denselben Vorteilen profitieren wie im Unterschwellenbereich. Nur wie soll das gehen? Es gibt verschieden Denkansätze, die Möglichkeiten aufzeigen, Marktplätze vergaberechtskonform einzubinden. Aktuell beschreiten noch zu wenige den Weg; sich dahingehend an Lösungen zu trauen. “Nur, weil etwas noch nicht erprobt ist, heißt es lange nicht, dass es verboten ist“, sagte Vergabeberaterin Terzaki dazu und machte Jurist*innen Mut neue Instrumente für den öffentlichen Einkauf heranzuziehen. Es lohnt sich, Ansätze, beispielsweise die Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Marktplätzen als Innovationspartnerschaft, anzustoßen und Lösungen zu eröffnen statt sich weiter am eingeschliffenen Ist-Zustand abzuarbeiten.
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