Altes Rathaus Bonn
© Michael Sondermann / Bundesstadt Bonn

Was wir bereits gelernt haben

Ein Praxisbericht zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes in der Bundesstadt Bonn

Das Onlinezugangsgesetz, kurz OZG, soll die Digitalisierung der deutschen Behörden vorantreiben. Bis zum 31. Dezember 2022 müssen 575 Dienstleistungen auch online angeboten werden, circa 250 sind es für die Kommunen. 250 Dienstleistungen - umfangreich, aus Planungssicht wirkte dies für mich allerdings immer noch umsetzbar. Erst mal das Bürgerserviceportal einführen und dann mal weiterschauen, vielleicht auf Ergebnisse der Digitalisierungslabore warten.

Irgendwann hatte ich mich dann ausführlicher mit dem Umsetzungskatalog des Bundesministerium des Innern (BMI) beschäftigt und herausgefunden, dass sich hinter der magischen Zahl „575“ Dienstleistungsbündel verbergen. Unter diesen Dienstleistungsbündel hängen unterschiedlichste Einzelleistungen. Zum Beispiel hängen unter dem Dienstleistungsbündel „Sondernutzung von Straßen und Verkehrsraumeinschränkung“ die folgenden Einzelleistungen:

  • Sondernutzungen bei Baumaßnahmen,
  • Sondernutzungen zum Anbieten von Waren oder Leistungen auf der Straße
  • Parkplatzabsperrungen für Umzüge

Hierbei handelt es sich um unterschiedliche Vorgänge, die in unterschiedlichen Abteilungen oder sogar in unterschiedlichen Ämtern bearbeitet werden. So kommen wir also von 250 Dienstleistungsbündeln im Moment auf 2.500 Einzelleistungen, wenn man nur die Prioritäten 1 bis 3 des BMI betrachtet. Eine ganz andere Hausnummer.

Die Zuordnung ist oft nicht eindeutig

Jetzt bloß nicht den Kopf verlieren, wir verschaffen uns erstmal einen Überblick: Für die Bundesstadt Bonn versuchen wir im Rahmen einer Ist-Aufnahme herauszufinden, welcher Fachbereich für die Erledigung welcher Einzelleistung zuständig ist, ob wir bereits ein Online-Formular dazu anbieten und mit welchen Fachverfahren hier aktuell gearbeitet wird. Doch dies ist aufwändig und in vielen Bereichen fällt die Zuordnung schwer. Die Grundlage für die Einzelleistungen ist der Leistungskatalog der öffentlichen Verwaltung (LeiKa). Doch selbst den Kolleginnen und Kollegen der Sachbearbeitung fällt die Zuordnung der Einzelleistungen zu den Dienstleistungsbündeln oft schwer. Hier ein Beispiel aus der OZG-Informationsplattform:

  • Haustierhaltung
  • Haustierhaltung Anzeige
  • Haustierhaltung Anzeige besonders geschützter Arten

In diesem Fall gehen wir davon aus, dass sich die Dienstleistungen zum Teil doppeln. Trotzdem müssen diese „Doppelungen“ aussortiert werden. In anderen Themenbündeln haben wir, wie oben bei den „Sondernutzungen“ geschrieben, drei bis vier zuständige Ämter.

Kommunen müssen etwa 250 Dienstleistungen online umsetzen
© Shutterstock / KorArkaR

Aufbau einer OZG-Datenbank

Um den Überblick bei der Ist-Aufnahme zu behalten, haben wir uns eine OZG-Datenbank aufgebaut, in der wir all unsere Erkenntnisse hinsichtlich Zuständigkeiten und Reifegrad notieren und den Verlauf der einzelnen Umsetzungsprojekte dokumentieren können. Gibt es ein neues Online-Formular, versuchen wir dieses einer OZG-Einzelleistung zuzuordnen, da dies bereits den Reifegrad auf die Stufe 3 verändern kann. Stufe 3 bedeutet: Online-Formular mit Uploads von Nachweisen.

Auch hier fällt die Zuordnung nicht leicht: Handelt es sich bei der „Eintragung einer Schlüsselzahl auf dem Führerschein“ um eine Führerscheinänderung oder um eine Eintragung auf dem Führerschein? Gibt es zwischen den LeiKa-Nummern überhaupt einen relevanten Unterschied? Hier sollte man sich aber nicht im Detail verlieren, was bei dieser Summe an Leistungen sehr schnell passieren kann. Trotzdem möchte man saubere und verlässliche Zahlen haben.

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Mitarbeit in Digitalisierungslaboren

Die ersten Themen, bei denen wir den Projektstatus auf „In Bearbeitung“ setzen konnten, waren die Themen, in denen wir uns in Digitalisierungslaboren beteiligen. Dabei ist uns klar geworden, dass das Onlinezugangsgesetz immer wieder intern kommuniziert werden muss, denn ansonsten wird es schwer, Kolleginnen und Kollegen für Digitalisierungslabore zu gewinnen. Denn so manche Lösung aus den Laboren klingt vielversprechend – fraglich bleibt dennoch die Einbindung in die eigene Infrastruktur. Prozesse wie iKFZ laufen leider nicht immer so zuverlässig, wie gewünscht. Die Einführung solcher Prozesse ist komplex und die Schnittstellen sind teuer. Deshalb wünschen sich viele Beteiligte in den Digitalisierungslaboren Standardlösungen.

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Nur auf fertige Lösungen zu warten und diese zu integrieren, sollte trotzdem nicht die Devise sein, denn so werden wir als Stadt nicht bis zum 31. Dezember 2022 das OZG umgesetzt haben. So wirken selbst konstruierte Lösungen plötzlich doch wieder charmant. Mit einem dreiköpfigen Team arbeiten wir ganzheitlich an den einzelnen Prozessen: Das geht von der Aufnahme der Ist-Prozesse über die Modellierung eines Soll-Prozesses bis hin zu der Einbindung des Prozesses in unsere Infrastruktur. Dabei ist der Bau von Online-Formularen auch ein wichtiger Bestandteil dieses Prozesses. Diesen bedienen wir auch selbst, um die Online-Dienste zu kennen oder die Beauftragung bzw. Integration von Schnittstellen. Anschließend werden die Dienste in das Portal integriert und nach einem Jahr nochmal evaluiert.

Das Bürgerserviceportal Bonn ist samt Nutzerkonto und Postkorb Herzstück der OZG-Umsetzung. Trotz Corona wurde es planmäßig eingeführt.
© Shutterstock / everything possible

Das Bürgerserviceportal

Wir hatten in den letzten Jahren viele Online-Formulare mit Form-Solutions selbst gebaut und können bereits auf ein gutes Polster aufbauen. Doch laut BMI reicht der Online-Zugang zur Verwaltung nicht. Laut Reifegradmodell muss auch ein digitaler Rückkanal angeboten werden – also zum Beispiel das Zur-Verfügung-Stellen von Bescheinigungen im elektronischen Format. Dadurch wird das Bürgerserviceportal, samt Nutzerkonto und Postkorb, zum Herzstück der OZG-Umsetzung. Wir haben uns für das Portal der regio IT entschieden und haben dieses, trotz Corona-Hochzeiten, planmäßig eingeführt.

Arbeiten unter Corona

Durch den Lockdown waren Maßnahmen, die normalerweise vor Ort stattfinden, wie etwa Schulungen oder Tests, nicht realisierbar. Durch selbst aufgenommene Video-Tutorials sowie Videokonferenzen mit Screenshares, also dem Teilen des Desktops, konnten diese trotzdem ermöglicht werden. Gerade die die Video-Schulungen kommen so gut an, dass wir die Kolleginnen und Kollegen fragen, was sie sich wünschen: Schulung vor Ort oder Videos? Bei einem System das nutzerfreundlich und fast intuitiv zu benutzen ist, gewinnen fast immer die Videos. Anleitungen in Wissensmanagementplattformen und entsprechende Tutorials bieten neue Möglichkeiten zur Einarbeitung von Mitarbeitenden. Sollte es trotzdem Probleme geben, bleiben wir gerne Ansprechpersonen für die Kolleginnen und Kollegen vor Ort.

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Es ist kein leichtes Unterfangen und es ist leider unwahrscheinlich, dass wir bis Ende 2022 alle geforderten Dienstleistungen in das Serviceportal integriert haben. Hier gilt es weiterhin den Überblick zu behalten und zu wissen, welche Dienstleistungen am relevantesten sind.

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Evaluation und Fehlerkultur

Übrigens spricht das OZG nicht von Medienbruchfreiheit. Und aller Visualisierungen zur Liebe sollte bewusst sein, dass Fehler auftreten können – ein perfekter Online-Dienst fällt nicht vom Himmel. Deswegen ist die Evaluation für uns ein enorm wichtiges Element. Sollte man bei der Ist-Analyse etwas übersehen haben oder sich für eine unpassende Lösung entschieden haben, Fehler sind rein menschlich. Nach einem gewissen Zeitraum werden wir unsere Kolleginnen und Kollegen fragen, was man besser machen könnte. Gegebenenfalls wird nochmal visualisiert und angepasst.

Übung macht auch in diesem Thema wahrscheinlich den Meister und wenn wir für Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Mitarbeitenden zumindest in den Prio-1-Prozessen Verbesserungen schaffen können, kann auch ich bei nicht komplett umgesetzten Onlinezugangsgesetz immer noch ruhig schlafen.

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