Nicht so offenbar an der Freien Universität Berlin. In einem Rundschreiben an alle Studentinnen und Studenten der FU warnte deren Allgemeiner Studierendenausschuss jüngst vor einem Mann, der bereits mehrfach Frauen auf dem Campus belästigt haben soll. Seit Mitte Januar habe er zwar Hausverbot, aber es sei unsicher, ob er sich auch daran halte. Wenn nicht, könne man ihn ja wegschicken (wie man weiß, gerade bei Sexualstraftätern ein sehr bewährtes Mittel, die gehen dann einfach weg und nach Hause...) oder den Sicherheitsdienst der Uni informieren. Dann heißt es weiter "Wir möchten jedoch unbedingt darauf hinweisen, dass Polizeieinsätze für von Rassismus betroffene Menschen grundsätzlich mit einem erhöhten Risiko einhergehen, Opfer von Polizeigewalt zu werden". Durch einen "unnötigen Einsatz von Gewalt" würden Einsätze oft eskalieren. Mit anderen Worten: Nicht der umtriebige 'Herr' mit dem Hausverbot ist das eigentliche Problem, sondern die stets rassistisch motivierte, sinnlos Gewalt anwendende Polizei.
Immerhin weißt der AStA darauf hin, dass es im Ermessen jedes Einzelnen liege, ob die Polizei informiert wird oder nicht. Er hält es wohl tatsächlich für erlaubt, sich im Fall des Falles hilfesuchend an die Polizei zu wenden. Das beruhigt dann doch irgendwie. Frage: Ob sich der AStA auch so geäußert hätte, wenn der Täter ein "alter weißer Mann" gewesen wäre? Wohl kaum.
Die DPolG Berlin brachte es aber dann doch in deinem Tweet auf den Punkt: "Sexuelle Belästigung ist eine Straftat, egal wer sie wo begeht! Hier ist die Polizei zuständig. Wer Täter mehr schützt als Opfer, dreht Ursache und Wirkung um."
In einer Mail bin ich gefragt worden, ob es sich bei den Äußerungen des AStA nicht um eine Art "vorsorgliche Strafvereitelung" (originelle Formulierung) handeln könne – strafrechtlich relevant ist das Verhalten des AStA allerdings unter keinem Gesichtspunkt. Denn die §§ 258 StGB (Strafvereitelung) und 258 a (Strafvereitelung im Amt) setzen voraus, dass "absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt wird, dass ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat (...) bestraft wird." Als Tathandlungen kommt beispielsweise das Beseitigen von Tatspuren, Hilfe zur Flucht oder die Organisation eines Verstecks zur Vereitelung des Ergreifens des Täters in Betracht. In all diesen Fällen geht es um ein aktives Tun.
Eine Strafbarkeit durch Unterlassen - hier durch das Nichtanzeigen einer Straftat durch das Opfer selbst - kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn der Täter eine "Garantenstellung" innehat. Zum Beispiel durch solche Personen, die von Rechts wegen dazu berufen sind, an der Strafverfolgung mitzuwirken.
Zu diesem Personenkreis gehören die Angehörigen eines AStA zweifellos ebenso wenig, wie die Opfer von Straftaten.
Dessen ungeachtet ist nicht nur die Berliner Polizei über den AStA der FU, zurückhaltend formuliert, schwer irritiert, sondern auch die Uni selber. Die Berliner Polizeipräsidentin sucht diesbezüglich das Gespräch mit dem AStA, an dem dieser jedenfalls bis zur Stunde maximal desinteressiert zu sein scheint. Doch nicht etwa, weil er befürchtet, dass die Polizeipräsidentin dem AStA gegenüber rassistisch motiviert übergriffig werden könnte? Wer weiß, wer weiß!?
Dass sich der AStA der FU Berlin mehr Sorgen um das Wohlergehen des potenziellen Täters macht, als um das seiner Opfer, mag viele zu Recht irritieren und verärgern. Ein Fall für die Justiz ist das allerdings nicht.