Verbreitung Fake News

Verbreitung von Desinformationen in der Corona-Krise

Lagebild zur Gefährdung durch Fake News und Verschwörungstheorien

Gerüchte zu negativen Auswirkungen von Ibuprofen auf den Krankheitsverlauf, Bilder von Särgen mit Opfern der Krankheit in Italien, ein Corona-Selbsttest durch Atemübungen, die positive Wirkung von Zwiebeln oder Verschwörungstheorien um Covid-19 als Biowaffe: Die Desinformationen, die zu Corona existieren, sind oft kurios, dennoch verbreiten sie sich rasend schnell. In einer Zeit, in der offizielle Stellen die Bevölkerung kontinuierlich mit neuen Informationen versorgen müssen, geht von Fake News eine große Gefahr aus. Was können Gesellschaft und Behörden gegen die Verbreitung tun? Wie schätzen Sicherheitsexperten das Gefährdungspotenzial durch Fake News in Zeiten von Corona ein?

Um zu vermeiden, weitere Fake News in den Umlauf zu bringen, hat die Netzgemeinde in diesem Jahr auf Aprilscherze verzichtet. Selbst Google setzte seinen jährlichen Streich aus. Das Projekt DORIAN, welches vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, hat sich der Problematik bereits vor der Krise angenommen. Januar dieses Jahres sind die Forschungsergebnisse im Buch "Desinformation aufdecken und bekämpfen" veröffentlicht wurden.

Das Forschungsprojekt wurde von vier Partnern getragen: Das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT entwickelte einen technischen Lösungsansatz, um Desinformationen automatisch zu erkennen. Die Hochschule der Medien, Stuttgart wertete das Untersuchungsmaterial mit journalistischen Methoden aus, die Universität Duisburg-Essen lieferte neuste Erkenntnisse der Medienpsychologie, die Universität Kassel prüfte die rechtlichen Anforderungen für eine technologische Anwendung.

Zwei der Forschenden, Prof. Dr. Katharina Bader (Professorin für Online-Journalismus an der Hochschule für Medien, Stuttgart) und Prof. Dr. Martin Steinbach (Experte für Mediensicherheit und IT-Forensik beim Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie), wurden zum richtigen Umgang mit Fake News in Zeiten der Corona-Krise vom BMBF interviewt.

Warum verbreiten sich die Falschinformationen so schnell?

Das Weiterleiten von Artikeln und Videos über Facebook, Whatsapp und Co ermöglicht eine Verbreitung in Echtzeit. Kommen Nachrichten von einer nahe stehen Personen, ist diese zudem ein starker Multiplikator: „einige Menschen leiten sie [Fake News] eher als skurriles Entertainment weiter, andere empfangen sie dann und halten sie für vom Absender geprüft, übernehmen also die Nachricht in Kombination mit der Reputation des Absenders“, erklärt Prof. Dr. Bader.

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Gefahren einzuschätzen, ist ein menschliches Grundbedürfnis.

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Prof. Dr. Katharina Bader

In Zeiten von Social Distancing verbringen wir viel Zeit mit Medien: zur Unterhaltung, zum Arbeiten, für soziale Kontakte, für Informationen. Viele Bürgerinnen und Bürger informieren sich täglich über die Entwicklung der Infektionszahlen und die politischen Diskussionen zur Lockerung der Eindämmungsmaßnahmen: Gefahren einzuschätzen, ist ein menschliches Grundbedürfnis“ , so Prof. Dr. Bader. Mit Blick auf das erhöhte Informationsbedürfnis der Bevölkerung bergen Fake News ein größeres Gefährdungspotenzial denn je. Die neue Situation bringt bereits viel Unsicherheit für die Bevölkerung mit sich. Durch Desinformationen wird das Virus oft verharmlost oder gezielt Panik verursacht. Zudem geben Falschnachrichten immer wieder offizielle Instanzen wie Universitäten oder Behörden als Informationsquellen an. Stellt sich die Information dann als falsch heraus, kann das Vertrauen in öffentliche Institutionen geschwächt werden.

Großer Teil der Verantwortung liegt bei Nutzerinnen und Nutzern

In den veröffentlichten Forschungsergebnissen empfehlen die Autorinnen und Autoren der Politik gezielte Bildungsarbeit. Die Bevölkerung muss im Umgang mit Medien geschult werden. Medienkompetenz sei bisher ein Thema in der Bildung von Kindern und Jugendlichen, sollte jedoch auch für Erwachsene stärker in den Fokus genommen werden. Besonders in der Bewertung der Glaubwürdigkeit von Nachrichten ist Schulungsbedarf.

Allerdings läge ein Großteil der Verantwortung bei der Unterbindung von Desinformationen bei den Usern. Es müssen ein Bewusstsein und Verhaltensmuster geschaffen werden: Gibt es Beweise für die Richtigkeit der Information? Welche Was könnte die Nachricht bei Freunden und Verwandten auslösen?

Medienhäuser und soziale Medien gegen Fake News

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Wir müssen dagegen angehen! Deshalb arbeiten wir intensiv mit den großen sozialen Plattformen zusammen. Wir fordern sie auf noch mehr gegen Desinformationen in der Corona-Krise zu tun. Die Plattformen verlinken Nutzer bereits mit vertrauenswüridgen Inhalten wie denen der Gesundheitsämter und sie machen gefährliche Inhalte und irreführende Werbung weniger sichtbar oder löschen sie.

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Ursula von der Leyen (31.03.2020, bei: WELT)

Auch Medienhäuser und Plattformen sagen Corona Fake News den Kampf an. Bei Google und YouTube erscheint beim Keyword „Corona“ ein Informationskasten mit Verlinkungen Bundesministerium für Gesundheit und der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Facebook versucht Corona-Falschmeldungen algorithmisch auszublenden und arbeitet diesbezüglich mit Gesundheitsbehörden und Faktencheck-Plattformen zusammen. Die Tagesschau, der Stern und swr3 führen Listen über Desinformationen, die im Netz kursieren und klären auf.

Desinformationskampagnen von ausländischen Regierungen und Rechten

Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, warnt im Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ vor Rechten, die die Corana-Krise für Propaganda nutzen.

Das Vertrauen in die Bundesregierung solle so untergraben werden. "Gleichzeitig werden Untergangsszenarien entworfen, um Zustimmung zu radikalen und extremistischen Positionen zu erzeugen." Vor allem im Zusammenhang mit der Diskussion zur Aufnahme weiterer Geflüchtete wurde das Corona-Virus instrumentalisiert.

Laut Bericht des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) wird der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland und Europa in Desinformationkampagnen in Afrika, China, Russland, dem Westbalkan und im mittleren Osten so dargestellt, als würde die Europäische Union kurz vor dem Zusammenbruch stehen.

Mehr Verschwörungstheorien als Fake News

Die Westfälische Wilhelms-Universität Münster hat seit Anfang des Jahres bis zum 22. März 120.000 Facebook-Posts untersucht, um herauszufinden, ob durch Corona mehr Fake News verbreitet wurden. Darunter waren 15.000 Posts von sogenannten „alternativen Nachrichtenseiten“. Die Studie zeigt, das Fakten vor allem in Form von Verschwörungstheorien angewendet wurden: Klimawandel-Leugnung, Migranten als Überträgern und Weltuntergangstheorien. Frei erfundene Nachrichten wurden weniger gestreut. Professor Thorsten Quandt, Leiter der Forschungsgruppe, sieht darin ein besonderes Gefährdungspotenzial. Durch die Vermischung von Fakten mit Unwahrheiten, seien diese schwerer als falsch zu identifizieren.