„Smart Governance durch SDDI-Pilotkommunen – Teil 2: Die Geschäftsmodellentwicklung einer Datengenossenschaft“
Von Prof. Dr. rer. pol. Christian Schachtner, Studiengangleiter Public Management der IUBH Internationale Hochschule
Bisherige Ansätze der innovativen Nutzung von offenen Daten haben neben datenschutzrechtlichen Bedenken vorwiegend konkrete Anwendungen vermissen lassen, die von der überwiegenden Anzahl der Bevölkerung nachvollzogen werden konnte beziehungsweise Interesse an der Nutzung hervorgebracht hat. Selbst wenn der Mehrwert für den Alltag erkannt wurde, waren die Dienste oftmals konzeptionell und technisch nicht standardisiert. Daher wurde ihre Nutzung nicht durch rechtlich und technologisch selbstständige Einrichtungen anhand skalierbarer Geschäftsmodelle aufgegriffen.
Dies streben typischerweise kommerzielle Tech-Firmen an, um die Zahlen an Nutzerzugriffen zu erhöhen und kostenpflichte Dienste interessant zu machen. Die kommerziellen Anbieter im Bereich Virtual- und Augmented Reality engagieren sich zwar ebenfalls in der Entwicklung von Smart City-Anwendungen anhand von Sensor-Daten von Netzwerken des Internet-of-Things (IoT). Selten stehen jedoch gemeinnützige Gründe unter aktiver Beteiligung von Modellregionen zur Erweiterung der europäischen Geodateninfrastruktur INSPIRE im Mittelpunkt.
Auch gemeinnützige Einrichtungen haben sich bei Gründung mit der Entwicklung eines Geschäftsmodells zu beschäftigen. Um einen Überblick über die wichtigsten Schlüsselfaktoren (wie der Bestätigung Geschäftsidee, Konkurrenzanalyse und dem Erkennen und Benennen von Schwachstellen) zu erhalten, hilft ein Business Model Canvas (z.B. nach Alexander Osterwalder, 2011) das typischerweise aus acht Bausteinen besteht.
Dadurch sollen die Beziehungen zwischen Kundeninteressen, Wertekultur, Kommunikationskanälen und Schlüsselservices und den Partnerinteressen abgewogen werden. Ziel ist es, den Fokus auf das Kerngeschäft, die Flexibilität zur Adaption nach Marktinteressen sowie die Transparenz und Nachvollziehbarkeit für Schwachstellen im Blick zu behalten. Ein Vorgehensmodell zur kollaborativen Datennutzung anhand nachhaltiger Use Cases liefert die ISO 10746-2-2003 für verteilte Daten-Systeme samt Theoriemodell (Informationstechnologie - Open Distributed Processing - Referenzmodell - ODP-RM). Hier werden geschäftsmodellbezogene, informations- und infrastrukturtechnische sowie technologische Aspekte im Zusammenspiel betrachtet, um offene und komplex verteilte Systeme durch ein strategisches Framework einzuordnen.
Blockchain als Basis für Datengenossenschaft
Die zu gründende Datengenossenschaft Bayern eG fungiert als Datenbroker der gesammelten und anschließend aufbereiteten Datensätze, um diese in die standardisierte, offenen Dateninfrastruktur zu implementieren. Die Wertschöpfungskette wird mit den interessierten Modellregionen gemeinsam entwickelt, indem unter anderem ein Identitäts- und Qualitätssicherung-System generiert wird, zum Beispiel auf technologischer Basis von Blockchain. Die datenliefernden Kommunen, Unternehmen und sonstigen Organisationen der Genossenschaft sollen entsprechend offen Zugang zu den Datenbeständen erhalten. Kommerzielle Anbieter und Nutzer müssen jedoch Gebühren für freigegebene Datensets entrichten. Die Besonderheiten der Gesellschaftsform „Genossenschaft“ wird durch Wahrung der sieben Grundsätze der International Co-operative Alliance (2017) gewährt. Dazu gehören etwa Autonomie, Unabhängigkeit sowie demokratische Mitgliederkontrolle. Der inhärente, gemeinwohlorientierte Transparenzfaktor entsprechend der „Corporate Social Responsibility“ ist unter anderem dadurch gewahrt, als dass keine Beschränkungen bezüglich der Mitgliederaufnahme bestehen.
Diesem Prinzip folgt auch der frei zugängliche SDDI-Hub Garching als sich ständig weiterentwickelnder Fort- und Weiterbildungsinkubator für die Aufklärung und Vorstellung von Projekten zur Weiterentwicklung der offenen Dateninfrastruktur. Dieser könnte möglicherweise auch Teil der geplanten Genossenschaft werden. Der Hub soll als Kompetenzzentrum für wissenschaftliche Erkenntnisse, als Experimentallabor und buchbarer Co-Kreationsort für interessierte Firmen und Kommunen etabliert werden. Er wird mit der Technischen Universität München, dem Leonhard Obermeyer Center, der UTUM, der Stadt Garching und weiteren interessierten Unternehmen aus der Gründerszene an den Start gehen.
Gleichzeitig werden aktuell Gespräche mit auf digitale Lehrformate spezialisierten Einrichtungen wie dem Fernstudieninstitut der IUBH Internationale Hochschule im Studiengang Public Management geführt, um über Service Learning-Ansätze anhand tatsächlicher Projekte und Prozessschritte in der Etablierung des SDDI-Konzepts sowie Online-Lehrangeboten (z.B. Hackathons und MOOCs) die Reichweite der kreativen Schwarmintelligenz der vorhandenen Community auszubauen.
Mitarbeiter*innen mit vielen Fähigkeiten gefragt
Abschließend lassen sich die vielfältigen Kompetenzen künftiger Mitarbeiter*innen im öffentlichen Sektor anhand dieses Beispiels herausstellen. Neben sozialen und gemeinnützigen Kompetenzen, um eine Vertrauenskultur in cross-funktionalen Teams aufbauen zu können und aktiv Partner zu behördenübergreifenden Projekten zu gewinnen, benötigt es eine Haltung, die frei von Biases ist. Technologisches Grundverständnis in modernen Basistechnologien wie Georeferenzierenden Systemen, Virtual- und Augmentend-Reality-Anwendungen sowie Kenntnisse in Data Analytics (Machine Learning, Predictive Analytics, Deep Learning) sind zunehmend Bestandteile vieler Projekte. Vor allem sind jedoch methodische Fähigkeiten in agile Leadership, holokratischen Organisationsformen, Moderation und Begleitung von Großgruppenveranstaltungen sowie Methoden und Frameworks zur Mustererkennung in komplexen Kontexten von Bedeutung. Mit diesen können effiziente Fortschritte in der Arbeit in zunehmend autokratischen Teams erzielt und sichtbare Piloten für die Vorstellung bei den Zielgruppen vorgewiesen werden.