Wenn Sinnvolles von Modeerscheinungen zu trennen ist, braucht es einen Experten
Im Interview mit Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch
VdZ: Ganz allgemein gesprochen – was ist für Sie ein CDO?
Partsch: Der CDO ist für mich strategischer Partner und Experte in Fragen von digitalen Transformationsprozessen. Er ist der oberste Digitalisierungsbeauftragte unserer Stadt. Der CDO begleitet die Digitalisierung zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft. Die Aufgaben des CDO gehen über die Einführung von IT und deren operativer Betrieb hinaus: Es geht darum Kosten und Nutzen zu betrachten, die Nachhaltigkeit von Maßnahmen zu bewerten, Risikoanalysen zu machen und neuen Geschäftsmodelle im Auge zu haben. In allen diesen Bereichen spielen Cybersicherheit und der Schutz der Privatsphäre eine entscheidende Rolle.
VdZ: Wie kam es zur der Entscheidung, dass CDO Amt in Darmstadt zu etablieren und zu besetzen? Gab es noch alternative Pläne?
Partsch: Bereits Anfang 2016 betonte ich, dass Darmstadt ein wichtiger Standort für Smart City Projekte ist. Hierfür eine verantwortliche Position zu schaffen, war der nächste logische Schritt. Die Auswahl fiel dann sehr leicht: Mit seiner Erfahrung in Wirtschaft und Forschung ist Michael Waidner die Idealbesetzung für die Wissenschaftsstadt Darmstadt.
VdZ: Hatte Darmstadt schon vor der Amtseinführung des CDO eine Digitalisierungsstrategie?
Partsch: Seit 2013 gibt ein Positionspapier zum Thema Green Smart City Darmstadt. Daraus wurde ein Konzept erarbeitet und ein Arbeitskreis installiert: „Green Smart City Darmstadt“ zeigt die Innovationsfreundlichkeit des Standortes, bündelt Kompetenzen, vernetzt Projekte, realisiert Synergien, fördert das Image und bringt allen Akteuren und der Stadtgesellschaft ein industrieübergreifendes Wissenshub. Folgende Themenfelder sollen unter dem Leitbegriff „Green Smart City Darmstadt“ im Fokus stehen: Smart City Government, Smart Energy, Smart Transport, Smart Living/School, Smart Health.
Der Arbeitskreis tagte von Ende 2013 bis Ende 2016. Er wurde von Anfang an in die Gruppe zur Vorbereitung und Teilnahme am Bitkom Wettbewerb einbezogen und ist heute in den Leads zu finden. Somit war der Wettbewerb um die Digitalstadt für Darmstadt eine wunderbare Weiterentwicklung der ursprünglichen Idee rund um Green Smart City Darmstadt.
Sinnvolles ist von Modeerscheinungen zu trennen. Die Kenntnis der neuesten Technologien und der relevanten Forschungsaktivitäten ist hier notwendig, reicht aber nicht aus.
VdZ: Mit welchen konkreten Aufgaben ist Herr Prof. Dr. Michael Waidner beauftragt?
Partsch: Prof. Waidner begleitet die Auswahl von Projekten und ihre Umsetzung. Er hat einen Überblick über die aktuellen Systeme und die laufenden Digitalisierungsprojekte. Er sichtet die neuen Digitalisierungsideen aus der Bürgerschaft, der Stadt und Wirtschaft, bringt selbst Ideen ein und schätzt die Erfolgsaussichten von Projektvorschlägen ein. Sinnvolles ist von Modeerscheinungen zu trennen. Die Kenntnis der neuesten Technologien und der relevanten Forschungsaktivitäten ist hier notwendig, reicht aber nicht aus. Mögliche Projekte müssen bezüglich ihres Nutzens für die Bürgerinnen und Bürger und ihrer Auswirkungen inklusive Nachhaltigkeitsaspekten bewertet werden. Dabei sind Herrn Prof. Waidner Datenschutz und die Cybersicherheit natürlich besonders wichtig.
VdZ: Ab 2018 starten die ersten initiierten Projekte. Um was konkret handelt es sich?
Partsch: Mit der BIWAPP App und dem Mängelmelder sind wir bereits live gegangen. Das freie WLAN steht im Innenstadtbereich bereits zur Verfügung und wird mehr und mehr ausgebaut. Im Bereich LoraWAN (Funkttechnologie für das Internet der Dinge) sind wir schon sehr weit. Unser Klinikum ist bereits heute Digital-Champion im aktuellen Fokus-Ranking. Im e-Government wird es bald möglich sein, erste Online-Antragsverfahren wie bspw. die Online-Beantragung des Anwohnerparkausweis nutzen zu können. Viele weitere Projekte werden folgen. Dabei sind die Wege bzw. Prozesse unterschiedlich komplex. Es kommt auf den Projektinhalt und vor allem die Beteiligten an. Wir agieren im Projekt Digitalstadt organisationsübergreifend, auch über Stadt und Stadtwirtschaft hinaus.
VdZ: Um CDO Waidner wurde ein CDO-Team etabliert. Wie ist dieses zusammengesetzt und wie kann man sich die Arbeitsabläufe vorstellen?
Partsch: Das CDO Team besteht aus der Geschäftsführung der Digitalstadt GmbH und diversen Gremien, Foren und Beiräten, die in Kürze gegründet werden. Hierbei spielt die Betrachtungsweise der Ethik und die Einbindung der Stadtpolitik und der Bürgerschaft eine herausragende Rolle. Die Arbeitsweise ist effizient und beruht auf kurzen Wegen, denn die Digitalstadt GmbH hat ihren Sitz im Fraunhofer-Forschungsinstitut von Prof. Waidner.
VdZ: Darmstadt setzt zusätzlich auf die aktive Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger im Digitalisierungsprozess, bzw. auf Digitalisierungsideen aus der Bürgerschaft, der Stadt und Wirtschaft. Wie sieht diese Beteiligung in der Umsetzung aus?
Partsch: Es hat bereits im Rahmen des Wettbewerbs eine Bürgerbeteiligung stattgefunden um ein Meinungsbild zu erhalten und Ideen aus der Bürgerschaft zu sammeln. Viele davon sind bei der Zusammenstellung der Projekte eingeflossen. Eine erste Infoveranstaltung für die Bürgerschaft hat im Rahmen der Wissenswerte im November 2017 stattgefunden. Weitere Veranstaltungen sind in Planung. Angedacht ist auch eine Plattform für einen Austausch im Sinne von moderierten digitalen Diskussionsforen.
VdZ: Als Technologiestandort und Wissenschaftsstadt ist Darmstadt Vorreiter in der intelligenten Digitalisierung von Städten. Was können Sie anderen Städten und Kommunen raten, die solche Vorteile weniger genießen?
Partsch: Entscheidend ist es, eine Vision zu haben. Ich empfehle sich auf jeden Fall Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft zu suchen, auch wenn diese nicht vor Ort verfügbar sind. Das Digitalstadt Projekt in Darmstadt soll Blaupause sein, d.h. wir werden selbst Möglichkeiten für einen Wissenstransfer bieten. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, in einen Austausch zu kommen.