Wider die Tristesse des Gruppenraums
Teamgeist, Fehlanzeige? Mit Zeichnungen, Fotografie und Videos bringt ein Art Coach nicht nur Farbe, sondern vor allem positive Stimmung und Bewegung in Workshops und Fortbildungen
Nein, „Töpfern in der Toskana“, das war in den achtziger Jahren einmal und kommt auch so schnell nicht zurück, zumindest nicht, wenn es nach Art Coach Volko Lienhard geht. „Aber gehen Sie doch einfach mal nach draußen.“
Raus aus Kämmerlein und Abstellkammer
Der nächstgelegene Ort ist vielleicht der büroeigene – Parkplatz. “Lassen Sie sich mit Ihren Mitarbeitern und Teilnehmern treiben“, erklärt Lienhard. „Zu welchem und wessen Fahrzeug führt es Sie, und warum?“ Was sich zuerst nach einer eher esoterischen Variante anhören mag, kann der initiale Schritt sein auf dem Weg zu einem intensiveren Austausch und zu mehr Vertrauen zwischen den Kollegen. Wer den Standort wechselt, wechselt auch die Perspektive. Das passiert schon, wenn sich alle Kollegen plötzlich um das Auto des Chefs versammeln. Oder des Azubis.
Gehen Sie doch einfach mal nach draußen. Lassen Sie sich mit Ihren Mitarbeitern und Teilnehmern treiben.
Wichtig ist, dass eine gewisse „persönliche“ Note mitschwingt. Personal sind – Menschen! Die Erkenntnis ist banal, gerät aber gerade in schwierigen Situationen und Arbeitsverhältnissen leicht ins Abseits.
Natur und schöne Orte öffnen den Menschen
Wem der Parkplatz zu grau ist, der begibt sich an einen anderen Ort auf das Firmengelände, geht vielleicht weiter in den Park. Oder macht einen Spaziergang durch die Stadt. Denn in der Sache geht es auch darum, die vielfach jahrelang eingepferchten Strukturen und Prozesse zu verlassen, die Meetings und Sitzungen oft so unerträglich erscheinen lassen: zu lange, zu heiß, zu schlechte Luft. Sterile Gruppenräume mit öden Flipcharts genauso wie Abstellkammer-ähnliche Zimmer habe er oft selbst erlebt. Solche Umgebungen seien auch für Coaches frustrierend, erklärt Lienhard. „Das macht den offenen Umgang miteinander und kreatives Arbeiten um so vieles schwieriger!“
Bilder und verschiedene Perspektiven
Die größte Hürde für eine entspannte Begegnung bereite aber der Auftakt. Spielerisch sollte er sein. Und ganz einfach.
Zu lange, zu heiß, zu schlechte Luft: In der Sache geht es auch darum, die vielfach jahrelang eingepferchten Strukturen und Prozesse zu verlassen, die Meetings und Sitzungen oft so unerträglich erscheinen lassen.
„Zum Beispiel über das Handy.“ Für einen solchen Einstieg gebe es heute ein großartiges Portfolio an Werkzeugen. „Jeder hat eine Kamera an seinem Smartphone – es ist ganz simpel, ein paar Fotos zu machen.“ Der erfahrene Fotograf weiß, dass die meisten Menschen kaum zuerst an ihr Mobiltelefon denken, wenn es um Teamwork und gruppendynamische Übungen geht. Und viele mögen es auch nicht, fotografiert zu werden. Zumindest zu Beginn.
Sich im Gegenlicht schätzen lernen
Auf der Veranstaltung „Qualität in der dienstlichen Fortbildung“ des Deutschen Beamtenbundes im Dezember 2017 war das anfängliche Zögern schnell vorüber. Der Art Coach hieß die Teilnehmer etwa die Hand Ihres Sitznachbarn zu fotografieren, einzelne Partien zu fokussieren andere zu verpixeln. Es geht auch darum, die schönen Seiten hervorzuholen. „Fotografieren Sie Ihr Gegenüber doch einmal im Gegenlicht.“ Gegenlicht funktioniert wie ein Schutz. Man geht nicht in die direkte Konfrontation, sondern nähert sich seinem Gegenüber vorsichtig; tastend.
Ein „Teamgeist-Video“ ist nicht nur etwas, was hinterher allen gemeinsam „bleibt“, der Weg hin zum fertigen Film ist entscheidend.
Kreativ-Potenzial nicht nur in Werbeagenturen
Auf dem Flur, beim Smalltalk in der Büroküche, im Meeting – der Mensch lebt von Bildern. Bilder stehen deshalb nicht umsonst im Zentrum der Arbeit Lienhards, der sich nach seinem Workshop von den Teilnehmern der öffentlichen Hand geradezu begeistert zeigt. „Es ist unglaublich, wie viel Kreativität in diesen Leuten steckt.“ Der Künstler scheut hier keinen Vergleich: Das Potenzial reiche in mancherlei Weise gut und gerne an bekannte Agenturen.
Rollentausch am Filmset
Wer ein oder zwei Tage Zeit mitbringt, für dessen Gruppe gibt es noch weitaus mehr fantasievolle Möglichkeiten, das innere Gefüge zu stärken. Ein „Teamgeist-Video“ ist nicht nur etwas, was hinterher allen gemeinsam „bleibt“, der Weg hin zum fertigen Film ist entscheidend. Erst einmal müssten Inhalt und Rollen festgelegt werden. „Im Produktionsprozess können die Teilnehmer einmal ganz andere Aufgaben übernehmen als sie sonst erfüllen.“ Der Auszubildende wird vielleicht zum Kameramann, der Referent zum Regie-Assistenten und der Abteilungsleiter mischt sich mit anderen in die Reihe der Komparsen.“ Und wer macht die Regie?
Im Produktionsprozess können die Teilnehmer einmal ganz andere Aufgaben übernehmen als sie sonst erfüllen.
Beim „Cutten“ fällt noch mal vieles auf
„Ziel ist es, sich aus seiner bisherigen Position einmal zurückzunehmen und in eine andere Rolle zu schlüpfen“, erklärt Lienhard. „Es geht darum, Empathie für die Kollegen und ihre Funktionen zu entwickeln.“ Auch die „Post-Produktion“, also das Zusammenschneiden des Films und die Arbeit am Ton, fügen sich ins pädagogische Konzept. Der Einzelne bekommt am Set vieles gar nicht mit. Das ändert sich durch den erneuten Perspektivwechsel: Randerscheinen, Sequenzen, Zwischentöne: „Beim „Cutten“ merkt man erst, was alles nicht gesehen und gehört wurde.“ Im Ergebnis steht sowohl ein bleibendes Video, das sich jeder der Beteiligten anschauen kann als auch das Bewusstsein, gemeinsam etwas auf die Beine gestellt und sich dabei besser – und vielleicht noch ganz neue Seiten der anderen – kennengelernt zu haben.
Der Technikbezug ermöglicht beinahe allen Teilnehmern, sich auf die Arbeit einzulassen. Glaubenssätze wie „ich kann nicht zeichnen“ oder „das ist doch albern“ kommen hier nicht zum Tragen.
Dem Zeitgeist etwas Raum geben
Ebenso wie Unternehmen sollten Behörden sich ab und an ein bisschen Zeit für Neues nehmen. Und dabei dem Zeitgeist ein wenig folgen.
Warum Lienhard gern mit Video, Smartphone oder anderen digitalen Tools arbeitet, hat einen einfachen Grund: der Technikbezug ermöglicht beinahe allen Teilnehmern, sich auf die Arbeit einzulassen. Glaubenssätze wie „ich kann nicht zeichnen“ oder „das ist doch albern“ kommen hier nicht zum Tragen. Mit Hilfe von Apps können auch Beginner die erstaunlichsten Resultate erzielen.
Lienhard setzt auch hier darauf, es nicht einfach beim kreativen Akt zu belassen. „Ein richtiger Austausch findet statt, wenn jeder auch das Bild des anderen gesehen hat.“ Wer hat was kreiert? Diese Frage könne den ersten Schritt in den eigentlichen Interaktionsraum machen: der Ausstellung.
Man kann ja zuerst offen lassen, wer welches digitale Bild gemalt hat – dann bleibt es auch für Externe länger spannend.
Direktor oder Referent: Wessen Werk ist es?
„Man kann ja zuerst offen lassen, wer welches digitale Bild gemalt hat – dann bleibt es auch für Externe länger spannend.“ Eine Vernissage mit den eigenen Werken, zum Beispiel im Flur der Abteilung, ist im Vergleich zu externen Künstlern eine günstige, vor allem aber weitaus persönlichere Alternative mit gemeinschaftlicher Bezug.