Digitalisierung der Schulen: Beschaffung von Hard- und Software in Krisenzeiten
Dr. Ralf Resch (Vitako) und Karl-Josef Konopka (ProVitako) im Interview
Die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt, dass es um die digitale Bildung schlecht bestellt ist. Andere Länder, vor allem die nordischen, sind viel weiter. Wo sehen Sie die größten Baustellen?
Dr. Ralf Resch: Die Politik hat mit dem „DigitalPakt Schule“ vor Beginn der Corona-Pandemie erstmalig ein größeres Programm zur Förderung der Digitalisierung von Schulen aufgelegt, um den Rückstand hier aufzuholen. Vor Ort in den Schulen kann die Situation aber ganz unterschiedlich aussehen. Es gibt Schulträger und Schulen, in denen schon viel passiert ist, aber auch Schulen, wo der Nachholbedarf bei Infrastruktur, Endgeräten und digitalen Lerninhalten noch größer ist. Das soll das Engagement von Eltern, Lehrerinnen und Lehrern sowie den Schülerinnen und Schüler nicht klein reden, aber wir brauchen bundesweit eine Professionalisierung der IT auch in den Schulen. Und wir sollten nicht nur in dieser Sondersituation sehr genau hinschauen, ob es nicht bereits Strukturen gibt, auf denen nun aufgebaut oder an die zumindest angedockt werden sollte.
Die Situation variiert also durchaus von Schule zu Schule …
Karl-Josef Konopka: Neben der Feststellung, dass in den Schulen hierzulande sehr viel aufzuholen ist, muss jede Schule einzeln betrachtet werden. Je nach vorhandener Infrastruktur wie Ausstattung mit mobilen Endgeräten, Vernetzung im Gebäude sowie genereller Breitbandanbindung finden sich bundesweit starke Unterschiede. Hinzukommen „weiche“ Aspekte: Das betrifft nicht nur Software, Lizenzen und die Existenz von Schulportalen und Lernmanagementsystemen, sondern auch das Selbstverständnis und der Umgang mit informationstechnischen Belangen vor Ort. Wie geht die Schulleitung damit um? Existieren Arbeitsgruppen, die sich für die Entwicklung der IT engagieren? Gibt es bereits Kontakt und Beziehungen zu einem IT-Dienstleister, oder ist bereits einer beauftragt und es gibt schon eine eingeübte Zusammenarbeit?
ProVitako ist ein Zusammenschluss von öffentlichen IT-Dienstleistern und Körperschaften des öffentlichen Rechts, etwa Kommunen. Wo liegen die Vorteile für Ihre Mitglieder?
Dr. Resch: ProVitako ist die Dienstleistungs- und Einkaufsgenossenschaft der VITAKO, in der mittlerweile mehr als 40 kommunale IT-Dienstleister gemeinsam Leistungen und Produkte beschaffen und untereinander austauschen können. Durch den Zusammenschluss lassen sich Leistungen und Produkte gebündelt, mit weniger Aufwand bzw. geringeren Kosten ausschreiben und Rahmenverträge mit Lieferanten abschließen.
Karl-Josef Konopka: Aus diesen Rahmenverträgen werden dann die Bestellungen der ProVitako-Mitglieder getätigt. Viele der ProVitako-Mitglieder sind als Zweckverbände organisiert, sodass deren Mitglieder wiederum – oftmals kleine kommunale Gebietskörperschaften – in die Lage versetzt werden, über ihren IT-Dienstleister an großen Beschaffungsaufträgen teilzuhaben und so die Skalenerträge bei der Beschaffung in Form von Rabatten realisieren können. Dies wiederum spart den Kommunen ganz konkret Geld.
Ein konkreter, aber weniger bekannter Nutzen liegt auch in der zunehmenden Standardisierung, von der wir heute schon profitieren: Trotz kommunaler Selbstverwaltung braucht nicht unbedingt jede Gemeinde und jedes Amt eine gänzlich andere IT-Ausstattung als die andere – diese Erkenntnis setzt sich immer stärker durch. Die Vielfalt der Produkte, die wir ausschreiben, hat deshalb in den vergangenen Jahren bereits abgenommen. Diesen positiven Trend erwarten wir auch für die Zukunft. Das heißt, dass wir durch einen Prozess der Vereinheitlichung ebenfalls zu noch günstigeren Angeboten kommen, wenn wir über die Grenzen unserer Mitglieder, und damit über kommunale Grenzen hinaus, die gleichen Produkte einsetzen. Genau das schaffen wir dadurch, dass wir darüber sprechen und Ziele gemeinsam in Angriff nehmen – eben durch ProVitako.
Inwiefern haben der „DigitalPakt Schule“ bzw. die während der Corona-Krise zusätzlich bereitgestellten Fördergelder für die Digitalisierung der Schulen Auswirkungen auf Ihre Arbeit?
Karl-Josef Konopka: Das hat in vielerlei Hinsicht Einfluss. Während es sich in der Vergangenheit zum Beispiel größtenteils um die Beschaffung für die klassische Verwaltung drehte (Desktop-PCs und Peripheriegeräte, Smart Displays für Schulen, Software), sind nun insbesondere die Zahlen für Laptops und Tablets im Schulbereich förmlich explodiert. Die Bestellungen gehen in die Hunderttausende, unsere Rahmenverträge erreichen mittlerweile zusammen Volumina von mehreren Hundert Millionen Euro. Wir sprechen hier über die Beschaffung von rund 250.00 Endgeräten innerhalb von zwölf Monaten. Das wäre in dieser Größenordnung früher nicht denkbar gewesen.
Das heißt, ihre gemeinsamen Bestrebungen kommunaler Beschaffung hat in der Krise an Bedeutung zugenommen?
Dr. Ralf Resch: Eindeutig. Weil nun gefühlt die ganze Welt mobile Endgeräte nachfragt, gewinnt das gemeinsame Vorgehen bei der Beschaffung an Relevanz. Rahmenverträge ermöglichen es uns, zügig auch größere Mengen zu beschaffen und auf vorhandenen Beschaffungen aufzubauen. In der aktuellen Pandemie-Lage liegt es nun allerdings besonders an den Herstellern und Lieferanten, diesen Rahmenverträgen auch nachzukommen und eine ausreichende Zahl mobiler Endgeräte nach Deutschland zu liefern.
Gibt es denn aller Erfahrung nach Engpässe, mit denen Sie umgehen müssen?
Karl-Josef Konopka: Wir sind ein großer Vertragspartner und erhoffen uns – und das zeigen auch unsere Erfahrungen –, dass wir mit einer gewissen Priorität beliefert werden. Unsere Partner stehen da schon unter einigem Druck, sowohl aufgrund der großen Menge, die wir beziehen, als auch aufgrund der Vertragsgestaltung.
Ein aktuelles Problem liegt jedoch wirklich darin, dass einige Lieferketten nach Fernost, in der IT wie auch in anderen Bereichen, schlicht abgebrochen sind – die Abwicklung hat sich bis heute nicht wieder normalisiert. Hinzu kommt, dass die Förderprogramme zur Schuldigitalisierung seit Sommer 2020 hierzulande zusätzlich eine erhebliche Nachfrage auslösen. Unsere Lieferanten haben deshalb derzeit eine Bestellfrist von rund zwei Monaten, bis Laptops und Tablets bei ihnen in Deutschland im Lager ankommen. So müssen diejenigen, die bei unseren Ausschreibungen den Zuschlag erhalten, umgehend geordert werden, um hierzulande zumindest innerhalb von zwei Monaten Lager aufbauen und unsere Mitglieder und ihre Kommunen dann zügig beliefern zu können.
Wie läuft eine gemeinsame Beschaffung der ProVitako-Mitglieder ab?
Dr. Ralf Resch: Die Ausschreibungen laufen grundsätzlich über die ProVitako-Geschäftsstelle in Siegburg. Dafür werden die Mitglieder der Genossenschaft regelmäßig nach ihren Bedarfen befragt: Welche Infrastrukturen sind vorhanden, welche Geräte und Lizenzen sind neu zu beschaffen, was muss ersetzt werden? In der derzeitigen Pandemie-Lage geht es, wie bereits erwähnt, vor allem darum, Laptops und Tablets zu beschaffen und diese in den Schulen bzw. im Unterricht sowie in den Verwaltungen zu integrieren.
Karl-Josef Konopka: Unsere Geschäftsstelle bietet auch eine ausgezeichnete Plattform zum Dialog – hier tauschen sich die Vertreter der Mitglieder aus, analysieren und entscheiden unter unserer Begleitung, was und wie beschafft werden soll. Aus Siegburg werden die Ausschreibungen dann auch lanciert und der Einkauf abgewickelt. Trotzdem sind die Mitgliedsunternehmen vor, während und nach den Ausschreibungen weiterhin stets gefragt, wenn es etwa darum geht, Bieteranfragen zu beantworten, technische Details zu definieren und künftige Produkte auszuwählen, um eben möglichst einheitliche und damit große Einkäufe tätigen zu können.
Was braucht es außer der Beschaffung von Hard- und Software, um Schulen erfolgreich die digitalisieren?
Karl-Josef Konopka: Die Beschaffung mobiler Endgeräte und Systeme ist insbesondere in diesen Zeiten kein trivialer, aber offenkundig ein notwendiger unter mehreren Schritten für eine erfolgreiche Digitalisierung. Zunächst muss die Schule einen leistungsfähigen Zugang zum Internet besitzen, ein Problem, das es leider immer noch gibt. Die ProVitako-Mitglieder sind aber neben ihren anderen Aufgaben auch in der Lage, die Anschlüsse an das vorhandene Breitbandnetz zu schaffen.
Nach der Beschaffung über ProVitako geht es darum, die Geräte auszupacken, zu konfigurieren, zu verteilen und bei Bedarf auszutauschen und den langfristigen Support sicherzustellen. Bei mehreren hundert oder gar Tausenden Geräten kann allein das Auspacken je nach Personalaufwand mehrere Tage bis Wochen dauern – das muss kalkuliert werden. Auch ist pro Laptop schnell mal mit einer Stunde Aufwand zu rechnen, um das Gerät eingangs zu konfigurieren. In der Betreuung muss der First-Level- (am besten vor Ort) und der Second-Level-Support (in der Region) effizient geregelt sein, um die dauerhaften Kosten möglichst niedrig zu halten. Alles in allem gilt es, eine Mobile Device Management (MDM) zu installieren, das alle Akteure – Lernende, Lehrende, Schulleitung und kommunalen Schulträger – berücksichtigt und dafür sorgt, dass eine leistungsfähige, sichere und datenschutzkonforme Digitalisierung in den Schulen ankommt.
Dr. Ralf Resch: Daher ist es uns auch wichtig, dass die vorhandenen Gelder aus dem „DigitalPakt Schule“ und den Corona-Förderprogrammen genutzt werden, um Geräte einzukaufen und Strukturen aufzubauen, auf die auch in Zukunft aufgesetzt werden kann. Nach Ende der Sondermittel allerdings muss natürlich auch dafür gesorgt werden, dass die langfristige Finanzierung des Betriebs und des Service für Geräte und Infrastruktur und die notwendigen Ersatzbeschaffungen gesichert ist. Dies ist sicherlich eine Aufgabe, in der Bund, Länder und Schulträger noch enger als in der Vergangenheit zusammenwirken werden.