Der „Fall Metzelder“ – skandalös mildes Urteil oder nur ganz schlicht die Anwendung geltenden Rechts?
Die Klartext!-Kolumne des Rechtsexperten Wolfgang Bosbach
Noch vor dem Beginn der mündlichen Hauptverhandlung stritt sich der Angeschuldigte mit dem Gericht bzw. dessen Pressestelle über den Umfang einer Pressemitteilung des Gerichts über die Zulassung der Anklage vor dem Verwaltungsgericht, bis das OVG im Februar 2021 entschied, in der Pressemitteilung des Amtsgerichtes hätte zwar der Name des Angeschuldigten, des späteren Angeklagten, stehen dürfen, nicht aber Details zur Anklage. Das verletze Metzelders Recht auf ein faires Verfahren (Stichwort Vorverurteilung) – was später noch von Bedeutung sein wird.
Am 29. April 2021. kam es dann zur eigentlichen Verhandlung in der Sache selber. Laut Anklage soll Metzelder im August 2019 27 Fotos und zwei Videodateien von schwerem sexuellen Missbrauch, darunter auch von unter 10-jährigen Mädchen, verschickt haben. Gesamtumfang angeblich 297 strafbare Dateien auf dem Mobiltelefon.
Metzelder legte ein Teilgeständnis ab. Noch am selben Tag wurde das Urteil verkündet: 10 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Es ist wohl rechtskräftig geworden.
„Erstaunlich milde“ werden viele gedacht haben und vielleicht auch heute noch denken. Für mich sehr verständlich. Andere fällten sehr schnell, sehr viel härtere „Urteile“, so der frühe Kollege in der Nationalmannschaft Lukas Podolski. Er fand das Urteil „viel zu lasch“ und meinte, selbst ein Teilgeständnis dürfte sich in Fällen dieser Art bei der Strafhöhe nicht zugunsten des Angeklagten auswirken.
Das allerdings sieht das Strafgesetzbuch in dem Kapitel „Strafbemessung“ etwas anders.
Die Schauspielerin und Moderatorin Charlotte Würdig griff sogar die Bundesministerin der Justiz, Christine Lambrecht (SPD), frontal an und nannte sie eine „Lügnerin“, weil sich diese früher für härtere Strafen in derartigen Fällen ausgesprochen habe, angeblich jedoch nicht Wort gehalten hätte. Leider fehlte bei dieser Philippika der notwendige Hinweis, dass das ehemals geltende Recht bereits zuvor vom Gesetzgeber deutlich verschärft worden war und zwar in dem „Gesetzespaket zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder“.
Wer nun beklagt, dass das überfällig war, dem kann ich nur ausdrücklich zustimmen. Aber: Für die Bestrafung und die Strafhöhe ist abzustellen auf das Recht zum Zeitpunkt der Begehung der Tat! Nachträgliche Verschärfungen gehen nicht zu Lasten eines Angeklagten.
Keine Frage: Nach neuer Rechtslage wäre das Urteil wohl deutlich härter gewesen, nach alter Rechtslage entsprach es allerdings durchaus dem Strafmaß in vergleichbaren Fällen.
Kriterien für das Strafmaß
Aber nach welchen Kriterien entscheidet ein Gericht ganz grundsätzlich über das richtige – weil gerechte und dem Recht entsprechende – Strafmaß? Jedenfalls dann, wenn sich das Gericht innerhalb eines, oft sehr weitem, Strafrahmen bewegen kann?
Entgegen einer häufig geäußerten Vermutung gibt es weder einen Promibonus, noch einen Promimalus. Allerdings können Ausmaß und Inhalt von öffentlichen Berichterstattungen, siehe oben, durchaus Berücksichtigung finden, wenn hierdurch Persönlichkeitsrechte eines Angeklagten massiv und rechtswidrig beeinträchtigt wurden. Entscheidend aber ist das Kriterium der „schuldangemessenen Bestrafung“. In § 46 StGB sind jene Kriterien aufgeführt, die grundsätzlich zu berücksichtigen sind:
Beweggründe und Ziele des Täters, die Art der Tatausführung, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und nicht zuletzt sein Verhalten n a c h der Tat, das Bemühen, den eingetretenen Schaden wieder gut zu machen. Reue, Schuldeinsicht oder ein Geständnis können sich durchaus strafmildernd auswirken, aber zwingend ist das nicht.
Im Fall Metzelder, der hier wegen seiner Aktualität nur beispielhaft erwähnt wird, sagte die Richterin zur Begründung des Strafmaßes u.a. wörtlich: „Der Angeklagte dürfte auf absehbare Zeit weder seiner früheren Tätigkeit nachgehen können, noch am öffentlichen Leben teilnehmen können.“ Wohl wahr. Muss man deshalb mit ihm Mitleid haben? Nein, das ganz gewiss nicht. Das sind die Folgen einer Tat, die nur er ganz alleine zu verantworten hat. Unser Mitgefühl sollte vielmehr den missbrauchten Kindern gehören. Gut, dass diese jetzt einen spürbar besseren strafrechtlichen Schutz haben.
Der Autor ist Kongresspräsident des GDÖS – Berliner Kongress für wehrhafte Demokrie. Von 1994 bis 2017 war Wolfgang Bosbach Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.