Jeder aufmerksame Tatort-Zuschauer weiß: Wenn die Ermittler die Auswertung von Handydaten endlich in ihren Händen halten, ist bald Sonntagabend, 21.45 Uhr. Bei der Sicherstellung und Auswertung von Handydaten steht die Digitale Forensik nicht nur vor rechtlichen, sondern nicht selten auch vor technischen Herausforderungen. Rechtlich ist eine aktuelle Entscheidung des EuGH von Bedeutung, der erst vor wenigen Monaten entschieden hat, dass solche Daten auch für die Aufklärung leichterer Straftaten erlaubt, d. h. nicht unverhältnismäßig wären. Allerdings müsse die Zulässigkeit zuvor von einem Gericht überprüft werden. Was aber, wenn der Zugriff auf diese Daten nicht ohne weiteres möglich ist, das Smartphone von den Sicherheitsbehörden nicht ohne weiteres entsperrt werden kann?
Immer beliebter wird zur Entsperrung der Abdruck des Daumes. Wohlgemerkt: Der Daumen des Nutzers. Und wenn selbiger sein Handy nicht entsperren und auswerten lassen möchte? Methode Erlkönig, "Und bist Du nicht willig, so brauch' ich Gewalt?" Jawoll, sagte jüngst das OLG Bremen, ohne allerdings zur Begründung auch noch J. W. Goethe zu zitieren, ein Hinweis auf die StPO genügte dem Senat. Das war nicht unbedingt zu erwarten, da zuvor lediglich untere Gerichte so geurteilt hatten. Einschlägig war wohl § 81 b I StPO.
Der Fall: Hausdurchsuchung, Auffinden eines Mobiltelefons, Hausherr weigerte sich jedoch, das Gerät zu entsperren. Da schritt die Polizei zur Tat, genauer gesagt zum Daumen des Beschuldigten – Problem gelöst. Technisch unzweifelhaft, aber rechtlich? Alles ok, meinte das OLG. Es stütze seine Entscheidung auf die Formulierung "oder auch die Vornahme ähnlicher Maßnahmen" in der oben erwähnten Vorschrift der StPO. Hinzu käme: DIESER Eingriff sei gegenüber der dauerhaften Speicherung eines Fingerabdrucks durch Ermittlungsbehörden sogar das mildere Mittel. Auch die Anfertigung einer sog. Fingerattrappe sei kein geringerer Eingriff – ganz im Gegenteil. Allerdings: Die Frage, ob die Daten auch ausgewertet werden dürften, sei eine andere. Es bleibt spannend.
Der Autor, Wolfgang Bosbach, ist Kongresspräsident des Berliner Kongresses für Wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.
Der 7. Berliner Kongress Wehrhafte Demokratie - Gesellschaftlicher Dialog für Innere Sicherheit, Verteidigungsfähigkeit und Zusammenhalt findet vom 16. bis 17. Juni 2025 im Hotel de Rome in Berlin statt.