Symbolbild für Corona Daten
© Pixabay / Gerhard Altmann

Open Data beim Rhein-Kreis Neuss: Minutengenaue Corona-Zahlen

Das Open Data-Portal liefert die tagesaktuellen Fallzahlen des Kreises. Auch die Presse greift darauf zurück.

Die Corona-Krise führt uns aktuell vor Augen, wie wichtig aktuelle und frei zugängliche Daten sind. Das Informationsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger ist vermutlich nicht nur im Rhein-Kreis Neuss seit Anfang März exponentiell angestiegen. Zu jeder Zeit, so lokal und aktuell wie möglich, lautet das Gebot der Stunde. Kumulierte Deutschlandkarten in den Abendnachrichten oder das sehr gute COVID-19-Dashboard des Robert Koch-Institut reichen vielen Menschen nicht mehr aus.

„Wie entwickeln sich die Fallzahlen in meinem Ortsteil?“, diese häufige Nachfrage kann nur der Eigentümer der Daten beantworten, in unserem Fall das Kreisgesundheitsamt. Hier liegen die Daten minutengenau und georeferenziert; seit Beginn der Fallermittlung sind das viele tausend Datensätze und Gigabyte an Informationen.

„Ohne das moderne Open Data-Portal meiner Kreisverwaltung hätten wir die vorhandenen Datenmengen und das steigende Informationsbedürfnis nicht so einfach bewältigen können“, zog Landrat Hans-Jürgen Petrauschke vor einiger Zeit Bilanz. „Die öffentlichen und nichtöffentlichen Lageberichte laufen seit vielen Monaten vollautomatisiert, was bei der Bewältigung der Krise nicht nur für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitsamt, Ordnungsamt und Krisenstab eine große Hilfe und Entlastung ist“.

Über 650.000 Aufrufe im Open Data-Portal der Kreisverwaltung alleine im Juli 2020 sprechen für sich.

Über den Rhein-Kreis Neuss

Der Rhein-Kreis Neuss ist mit rund 450.000 Einwohnern in sieben Städten und einer Gemeinde einer der größten Kreise in der Bundesrepublik Deutschland.  Beim Rhein-Kreis Neuss arbeiten rund 1.200 Angestellte in der Kreisverwaltung.

Jedes Projekt beginnt mit einem Auftrag

Zunächst waren wir skeptisch, als uns der neue Dezernent für IT, Bürgerservice und Bauen, Harald Vieten, im Juli 2018 den Auftrag erteilte, innerhalb von wenigen Monaten ein Open Data-Portal für die Kreisverwaltung bereitzustellen. Natürlich hatten wir schon von Open Data und den dahinterstehenden Gedanken gehört. Der Nutzen eines solchen Portals erschloss sich uns auch wegen der vielen anderen Projekte nicht auf den ersten Blick. Für den zweiten Blick sprachen wir mit den Verwaltungen des Kreises, die bereits Open Data „machten“. Unser Dankeschön gilt an dieser Stelle den Städten Meerbusch und Dormagen, die uns CKAN (ein Open Source Datenkatalog-Software) beziehungsweise OpenDataSoft (eine kommerzielle Datenkatalog-Software aus Frankreich) näher brachten.

Auch wenn wir vor der Markterkundung eine Open Source-Lösung für Open Data favorisierten („Open“ halt), fiel unsere Wahl schlussendlich auf das französische Produkt. Und diese Entscheidung haben wir bis zum heutigen Tag nicht bereut. Ausschlaggebend war die so genannte „User Experience“, also unsere Eindrücke aus Sicht des Nutzers bei der Interaktion mit dem zukünftigen Open Data-Portal. Es sollte möglichst einfach sein, neue Datensätze einzurichten (interne Nutzer als Datenlieferanten) beziehungsweise aus verschiedenen vorhandenen Datensätzen Informationen über einen Datensatz hinaus zu generieren (externe Nutzer).

Umgesetzt haben wir das Projekt sehr agil über ein Kanban-Board, mit dem sich Projekte effizient organisieren und verwalten lassen. Wer mehr zu Kanban erfahren möchte, kann sich unter anderem hier informieren.

Einblick in den Motor des Open Data-Portals

Im Backend, also der Teil des Portals, der sich mit der Datenverarbeitung im Hintergrund beschäftigt, kann annähernd jede strukturierte Datei ohne weiteres Zutun verarbeitet werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Quelle lokal, auf einem Server beziehungsweise in der Zwischenablage liegt oder von einer proprietären Software wie Microsoft Excel oder einer freien Software stammt. Nützlich auch, dass mehrere Datenquellen miteinander kombiniert und als ein Datensatz veröffentlicht werden können. Offene Daten anderer Portale wie beispielsweise Open.NRW können mittels sogenannter „Harvester“ eingesammelt und veröffentlicht werden. Das alles geschieht über leicht nachvollziehbare Dialoge, die auch ein nichttechnischer Verwaltungsmensch versteht.

Der Harvester-Dialog des Portals

Einen weiteren Mehrwert bieten die sogenannten „Umwandler“, vor allem bei kombinierten Datensätzen beziehungsweise Quellen, die vor einer Veröffentlichung verlässlich anonymisiert werden müssen. Von einfachem „Suchen & Ersetzen“ bis hin zu komplexen „Regulären Ausdrücken“ ist für jeden Einsatzzweck und jede Erfahrungsstufe das geeignete Werkzeug vorhanden [(1) in Abbildung 2]. Über eine Spaltenvorschau können zudem intuitiv Spalten ausgeblendet, neu angeordnet, umbenannt und beschrieben werden. Der eigentliche Quelldatensatz wird hierbei nicht verändert [(2) in Abbildung 2].

Verarbeitung der Quelldaten (Abbildung 2)

Auch wenn streng genommen das Prinzip gilt, dass die Besucherinnen und Besucher unseres Open Data-Portals über die Art der Darstellung/Auswertung entscheiden, helfen vordefinierte Ansichten bei der ersten Orientierung im Frontend (was der Benutzer sieht und erlebt). Über Filter im linken Menüband kann der Blick auf die Daten vollständig verändert werden.

Vordefinierte Ansichten im Frontend. Unter anderem ist die Corona-Obergrenze zu sehen

Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, alle weiteren Funktionen des Open Data-Portals aufzuzeigen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass selbst wir nicht alle Möglichkeiten des Produkts kennen. Eines können wir auf jeden Fall bestätigen: Geht nicht gibt’s nicht! Davon können Sie sich auf dem Open Data Portal selbst überzeugen. 

Noch eine abschließende Randnotiz: Anwenderschulungen bei OpenDataSoft? Auch wenn ein Aufenthalt in Paris reizvoll gewesen wäre, allein wegen der Zeit und der Kosten musste eine andere Lösung her. Der an der Wand befestigte Standardmonitor, der Mini-PC und die einfache Kamera mussten zur Schulung reichen und sind aktuell in der Corona-Zeit eine große Hilfe.

Der Weg zu den ersten Daten

Parallel zur Markterkundung und späteren Umsetzung haben wir uns die Frage gestellt, welche Daten der Kreisverwaltung tatsächlich so interessant sind, dass eine externe Nutzung beziehungsweise Weiterverarbeitung denkbar wäre. Hier konnten wir auf die Erfahrungen (Statistiken) anderer Open Data-Portale, Suchanfragen auf der Website des Kreises und die Ideen interessierter Fachbereiche zurückgreifen.

Neben die lange Liste mit Datensätzen gesellte sich leider ein großes Problem, das sich wie ein roter Faden durch das Projekt zog: Der interessanteste Datensatz kann nicht oder nur mit erheblichem Aufwand veröffentlicht werden, wenn die Software oder Fachverfahren, die die Daten abgeben, keine Schnittstelle liefert, die die Daten strukturiert zur Verfügung stellt.

Ein Tipp: Achten Sie bei der Planung künftiger IT-Fachverfahren und/oder Prozesse darauf, dass die Offenlegung der Daten als Open Data direkt berücksichtigt wird („Open by design“). Dieses Vorgehen haben wir auch als Selbstverpflichtung in die interne Open Data-Richtlinie der Kreisverwaltung eingearbeitet. 

Gerade bei sich ständig verändernden Daten wie beispielsweise den Corona-Fallzahlen ergibt es keinen Sinn, Daten händisch aufzubereiten und über Umwege in ein Open Data-Portal zu übertragen. Mindestanforderung sollte eine Schnittstelle sein, die den Export der Daten in einem Quasi-Standard wie CSV, JSON oder XML ermöglicht. Im Optimalfall geschieht dies automatisiert, öffentlich zugänglich und hinsichtlich des Datenumfangs frei konfigurierbar.

Damit war für viele interessante Daten leider der Weg ins Open Data-Portal versperrt. Ab und an haben wir uns dann doch die Mühe gemacht, Daten teilautomatisiert zu veröffentlichen:

Die Box „Am häufigsten aufgerufene Daten“ auf der Startseite des Portals

Sowohl das Straßenverzeichnis als auch die Amtsgerichte Deutschlands haben wir händisch überarbeitet und zur Verfügung gestellt. Unsere Motivation: Wir nutzen diese Datenquellen für unsere interaktiven Online-Formulare, damit die Anwenderinnen und Anwender relevante Daten auswählen und nicht eingeben müssen. Fehleingaben werden dadurch vollständig ausgeschlossen. Ein Mehrwert, den offensichtlich auch andere Anwendungsentwickler zu schätzen wissen. Zwischenzeitlich werden wir sogar über Änderungen bei Amtsgerichten informiert. Wünschenswert wäre allerdings, wenn das Justizportal des Bundes und der Länder unmittelbar eine maschinenlesbare Datei zur Verfügung stellen würde.

Top-Datensatz ist und bleibt der Fahrzeugbestand im Rhein-Kreis Neuss, der dank einer Statistik-Schnittstelle teilautomatisiert erzeugt werden kann und das traditionell stark ausgelastete Straßenverkehrsamt entlasten soll. Das Interesse des Systemadministrators des Fachamtes war schnell geweckt, die Umsetzung und Feinabstimmung nahm nur wenige Stunden in Anspruch. Seit der Freigabe durch die Kreisdatenschutzbeauftragte, die wir im Zweifel immer einschalten, können sich Anwenderinnen und Anwender Fragen wie „Wie viele rote Fahrzeuge sind aktuell zugelassen“ oder „Wie viele E-Fahrzeuge gibt es in Grevenbroich“ selbst beantworten. Die ist quasi der Return on Investment des Straßenverkehrsamtes.

Open Data-Richtlinie

Das vollständige Potenzial eines Open Data-Portals kann nur entfaltet werden, wenn der Rhein-Kreis Neuss  und andere Behörden beginnen, geeignete Daten per se öffentlich zu machen („Open by default“). Damit dies gelingt, braucht es allerdings einen Kulturwandel in den Stadt- und Kreisverwaltungen. Denn Open Data ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihren Fokus auf das aktuelle Tagesgeschäft richten müssen, sehr weit weg und nur schwer greifbar. Insbesondere, wenn die eingesetzten Softwareprodukte überhaupt nicht auf Open Data abgestimmt sind, also keine oder oft nur unzureichende Schnittstellen besitzen.

Um Open Data dennoch  eine Chance zu geben und Missverständnisse beziehungsweise Ängste abzubauen, haben wir 2019 eine Open Data-Richtlinie veröffentlicht, die die Ziele öffentlicher Daten und den Veröffentlichungsprozess anhand geeigneter Beispiele beschreibt.

„Die Resonanz war sehr unterschiedlich“, bilanziert Tobias Schellhorn, Leiter des Projekts beim Rhein-Kreis Neuss. „Während einige Fachbereiche sofort Interesse zeigten, müssen wir anderen Fachbereichen leider ein wenig hinterherlaufen. Auch hier hoffe ich aber auf einen Corona-Effekt.“ Denn was das Portal des Rhein-Kreises Neuss zu leisten im Stande ist, durfte jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter erleben: Sowohl die tagesaktuellen Zahlen in der Presse, als auch die Zahlen in den internen Informationen stammen schlussendlich aus dem eigenen Open Data-Portal.

Das Covid-19-Portal beim European User Club

Dass der Rhein-Kreis Neuss auf dem richtigen Weg ist, zeigt eine Einladung des Herstellers aus Frankreich: Projektleiter Tobias Schellhorn durfte das „Covid-19-Portal“ am 1. Oktober 2020 beim „European User Club“ des Anbieters OpenDataSoft vorstellen. Online natürlich.

Tobias Schellhorn und Jürgen Brings von der Stabsstelle Digitalisierung präsentieren das Open Data-Portal
© Rhein-Kreis Neuss

Wenn Sie Fragen zum Open Data-Portals des Rhein-Kreises Neuss haben, wenden Sie sich bitte an:

Tobias Schellhorn
02181 601-1063
digitalisierung[at]rhein-kreis-neuss.de

Jürgen Brings (CDO)
02181 601-1062
digitalisierung[at]rhein-kreis-neuss.de