Der Digital Justice Summit feierte in der vergangenen Woche im Hotel de Rome seine dritte Ausgabe. Auch in diesem Jahr versammelten sich Vertreter*innen aus der Justiz, der Anwaltschaft und der Wirtschaft, um ihre Expertise zu den Möglichkeiten der Modernisierung und Digitalisierung der Justiz auszutauschen. Im Zentrum stand die Künstliche Intelligenz: Was noch vor wenigen Jahren ein kaum erwähntes Randthema der Zukunft in der Justiz darstellte, entwickelte sich nun zum am heißesten diskutierten Werkzeug. KI bringt das Potenzial für schier endlos viele Anwendungsmöglichkeiten, Lösungen, aber auch Risiken mit sich.
In den zwei Tagen des Summits wurden nun verschiedene erfolgreiche Projekte beleuchtet, die seit dem letzten Event zum Einsatz kamen. Neben den Best-Practices unserer Partner bereicherten auch zahlreiche Referierende unser Programm. Unter anderem sprachen die Senatorin Dr. Felor Badenberg, Dr. Dirk Staudenmeyer von der Europäischen Kommission und Staatssekretär Mathias Weilandt. Zudem teilte Ellen Lefley (JUSTICE) ihre Expertise aus Großbritannien und Martin Hackl (Bundesministerium für Justiz Österreich) seine Sicht aus Österreich.
Unsere Learnings aus dem 3. DJS:
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Der EU AI Act verfolgt einen risikobasierten Ansatz, um den sicheren Einsatz von KI zu gewährleisten, schafft jedoch durch hohe Anforderungen wie Zertifizierungen und Datenschutzvorgaben Hürden, insbesondere für kleinere Unternehmen. Gleichzeitig bietet KI enorme Potenziale zur Entlastung der Justiz, etwa durch spezialisierte lokale Assistenzsysteme, deren Entwicklung klare Standards und Schulungen erfordert.
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Die Justiz sitzt auf einem Schatz voller Daten. Neben den angesammelten Fällen und Urteilen liegen tausende elektronische Nachrichten und Dateien vor. Mit dem Potenzial dieses Schatzes sollte etwas gemacht werden. So könnte KI davon profitieren.
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Die Erwartungen an KI sollten realistisch bleiben. Nicht jedes Problem kann einfach mit einer neuen Anwendung gelöst werden. Zudem wird oft keine KI benötigt, sondern eine andere technische Lösung – hierbei brauchen wir noch mehr Aufklärung.
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Die richterliche Entscheidungsgewalt muss frei bleiben und darf nicht von KI beeinflusst werden. Ein virtueller Gerichtssaal und eine virtuelle Kanzlei könnten bald Realität werden. Trotzdem müssen Bürger*innen stets die Möglichkeit haben, auch in Person Hilfe zu bekommen. Doch vielleicht gibt es Fälle, in denen Bürger*innen bevorzugen, eine schnelle Antwort einer Maschine zu erhalten statt lange auf die eines Menschen zu warten.
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Innovation hört nie auf, sondern ist ein iterativer Prozess: Es werden Prototypen entwickelt, getestet, verbessert und wieder getestet. Wir sind sozusagen in einer permanenten Beta-Phase.
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Der Bund hat viele Verantwortlichkeiten für die Verbesserung der Justiz: So muss er für einheitliche Standards sorgen; entweder durch Vorgabe, oder durch Unterstützung eines voranschreitenden Landes. Zudem muss er diese Entscheidungen auch konsequent durchziehen und allen Ländern kommunizieren, wie wir bundesweit diese Standards etablieren. Es braucht mehr Mut, Entscheidungen zu treffen. Lieber wird sich an diesen gerieben, anstatt ewig zu diskutieren und wichtige Entscheidungen zu verschieben.
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Die Wirtschaft zeigt gute Innovationen und die Justiz zeigt Motivation – also können wir positiv in die Zukunft schauen.
Exelentic führt das Rennen bis zum Schluss an
In diesem Jahr wurde zum zweiten Mal der Digital Justice Award verliehen, mit dem Ziel, herausragende und innovative Produkte/Dienstleistungen, die Hebelwirkungen für die Modernisierung und Digitalisierung der Justiz darstellen, zu prämieren. Die Preisverleihung verlief dabei in drei Phasen:
- Eine Vorabstimmung aller qualifizierten Bewerbungen unter Vertreter*innen der Justiz auf VdZ bis zur Top 10
- Eine Abstimmung der DJS-Jury unter diesen 10 zur Kürung der Top 5 Gewinner*innen
- Live-Pitches der Top 5 Gewinner*innen auf dem DJS
- Wahl des finalen Publikumslieblings
Die diesjährigen Top 5 bestehen aus den Projekten Allgemeine KI-Richterassistenz, dskrpt, Exelentic, Fair Text und NOTARIUS. Die finale Runde als Publikumsliebling konnte erneut Exelentic für sich gewinnen, die bereits in der Vorabstimmung und dem Jury-Voting auf Platz 1 landeten.
Das MIGVG-Projekt von Exelentic bildet den ersten erfolgreichen und produktiven Einsatz von Intelligent-Hyperautomation mittels Robotic Process Automation (RPA) in einer deutschen Justizbehörde. LIT Sachsen migriert erfolgreich e-Akten von Verwaltungsgerichten in Sachsen mit der Unterstützung von Software-Robotern, arbeitet ohne Schnittstelle und entlastet Mitarbeiter*innen von monotonen Aufgaben, während es die Effizienz und Datenqualität steigert.
Der Datenschatz der Justiz birgt weiterhin Potenziale
Die unaufhaltsame Revolution durch die Künstliche Intelligenz veränderte auch die Justizlandschaft in den vergangenen Jahren. Trotz vieler Projekte, Innovationen und Fortschritte sind wir jedoch erst am Anfang der Möglichkeiten. Oftmals wird einfach eine 1zu1-Umstellung der analogen auf die digitale Justiz vollzogen – die Möglichkeiten mit KI seien hier oftmals wenig ambitioniert gedacht, wie es im Summit hieß.
Ein großer Streitpunkt ist weiterhin die Ethik rund um den Einsatz von KI. So herrscht im Grundgesetz das Recht auf den gesetzlichen Richter und KI darf nur so in der Justiz eingesetzt werden, dass die Entscheidung der richtenden Person nicht beeinflusst wird. Mit dem Fachkräftemangel und strukturellen Problemen kommen jedoch teils Wartezeiten von mehreren Jahren auf, und es gilt weiterhin: "Justice delayed ist justice denied". So könnten Bürger*innen in einigen Fällen vielleicht eine sehr schnelle Antwort einer Maschine der jahrelangen Antwort eines Menschen vorziehen – trotz potenzieller Qualitätsunterschiede.
Außerdem würde die Waffengleichheit vor Gericht etwas geebnet. So sind aktuell Personen mit einem besseren Anwalt oftmals im Vorteil, mit derselben KI jedoch gleichgestellt.
Andere Vertreter*innen auf dem Summit sehen jedoch weiterhin große Risiken mit dem Einsatz von KI und ordnen lediglich eine assistierende Rolle zu. Da eine KI von Menschen trainiert wird, ist eine Objektivität nicht garantiert. Biase können entstehen, in manchen noch nie dagewesenen Fällen bedarf es der Innovation und Empathie eines Menschen, und grundsätzlich ist eine KI nur so gut, wie die Daten, auf der sie aufbaut.
Doch dieses Risiko ist auch mit einem gewaltigen Potenzial verbunden: Denn die Justiz sitzt auf einem riesigen, wertvollen Datenschatz, mit der KI-Anwendungen stark verbessert und Halluzinationen vermieden werden können. Wie und ob dieser Datenschatz genutzt wird, ist jedoch noch unklar. Bis zum nächsten Summit bereichert er jedoch vielleicht bereits die Justiz.
Alle Materialien des Summits
VdZ-Plus-Leser*innen erhalten Zugriff auf sämtliche Präsentationen und Unterlagen des Summits im Artikel "Der 3. Digital Justice Summit auf einen Blick". Teilnehmende des Summits können sich einfach ein kostenloses Konto erstellen.
Der 4. Digital Justice Summit findet vom 24. bis 25. November 2025 statt.