Modern, barrierefrei, lebensnah
Der zweite Digital Justice Summit geht den Spannungsfeldern einer gelebten Justiz auf den Grund
Nach einem gelungenen Auftakt im Vorjahr mit Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann und renommierten Wissenschaftlern wie Prof. Richard Susskind, ging der Digital Justice Summit am vergangenen Mittwoch in die zweite Runde.
Auch in diesem Jahr kamen Menschen aus sehr unterschiedlichen Teilen des Justizsektors zusammen – von den Gerichten der verschiedenen Gerichtsbarkeiten, der Anwaltschaft, dem Justizvollzug, der Justizverwaltung, dem Notariat und der Rechtsberatung bis hin zu Vertretenden der Digitalwirtschaft, der Wissenschaft und Studierenden.
Geschätzte Persönlichkeiten wie etwa Georg Eisenreich, der bayrische Staatsminister der Justiz, Anna Gallina vom BVJ in Hamburg, Martin Hackl, CDO des Bundesministeriums für Justiz in Österreich und Dr. Angelika Schlunck, Staatssekretärin des BMJ, gaben anregende Impulse. Außerdem nahm Dr. Graziella Marok-Wachter, Regierungsrätin und Ministerin für Infrastruktur und Justiz in Liechtenstein, teil.
Das waren die wichtigsten Erkenntnisse:
- Es braucht eine medienbruchfreie Verknüpfung der Polizei, Staatsanwaltschaften und Justiz
- Die Währung der Justiz ist Vertrauen. Dieses muss um jeden Preis bewahrt werden, weshalb der Zugang der Bürger*innen zur Justiz, der Austausch von Informationen und die Schaffung sinnvoller Dienstleistungen die Eckpfeiler jeder Modernisierungsidee sein müssen
- Die „magische" Zahl 31.12.2025 – die Frist, bis zu der die eAkte vollständig eingeführt sein soll – markiert keineswegs das Ende der Modernisierung der Justiz. Dr. Christina-Maria Leeb, Referentin des bayerischen Staatsministeriums der Justiz, konstatiert: „Die Zufriedenheit mit der eAkte war bei uns in Bayern in den ersten zwei Monaten sehr hoch, dann ist sie drastisch gesunken. Nach einem Jahr will nun niemand mehr auf sie verzichten. Wandel braucht einfach seine Zeit. Das Wichtigste ist, dass die Systeme benutzerfreundlich und ergonomisch sind”
- Die 200 Millionen der Digitalisierungsinitiative des BMJ sind nur ein Anfang, denn „die digitale Justiz ist kein Sparmodell”, wie die Senatorin Anna Gallina des BJV Hamburg betont
- KI beschäftigt das Rechtswesen, was sich in vier Veranstaltungen auf dem Kongress niederschlägt. Die Zwischenbilanz: Der Blick geht derweil gen Europa und dem AI-Act, der noch einmal Bewegung in die Gesetzeslage bringen dürfte. Insgesamt wird KI als Assistenz und helfende Hand bei der Bewältigung der immensen Arbeitslast gesehen. Der Wunsch nach einer Experimentierklausel wurde geäußert
- Um digitale Lösungen zu finden, ist ein iterativer, schrittweiser Ansatz erforderlich. Dabei sollten vor allem folgende Bedingungen erfüllt werden: Sie müssen tatsächlich notwendig, einfach zu nutzen und hilfreich für alle Beteiligten sein
- Außerdem bedarf es einer Zusammenarbeit von Bund und Ländern, sodass funktionierende Modelle nach dem EfA-Prinzip effizient nachnutzbar gemacht werden. Es braucht „eine gemeinsame Digitalstrategie, keine Insellösungen", fordert Georg Eisenreich, Bayerischer Staatsminister der Justiz
Fünf Start-Ups konkurrierten um den Innovation Award
Der 1. Digital Justice Innovation Award prämierte herausragende, innovative Produkte oder Dienstleistungen, die Hebelwirkungen für die Modernisierung und Digitalisierung der Justiz darstellen. Zu gewinnen gab es einen Beitrag auf unserer Webseite VdZ.org sowie ein kostenfreies Silber-Paket für den 3. Digital Justice Summit 2024.
Die Auswahl erfolgte in zwei Wellen. Der Beirat des Kongresses wählte aus den Bewerbenden fünf Start-Ups aus, die er für besonders innovativ hielt. Auf dem Kongress hatten die Konkurrierenden (Erblotse, iur.crowd, laizee.ai, NetzBeweis, t3k.ai) dann jeweils fünf Minuten Zeit, um ihr Projekt im Plenum am Mittag/ Lightning Talk vorzustellen. Anschließend lag es beim Publikum, über Slido live vor Ort abzustimmen. Es blieb spannend bis zum Schluss: Der Pitch des österreichischen Softwareanbieters t3k.ai, vorgetragen von Martina Tschapka, setzte sich mit knappem Vorsprung durch. Tschapka präsentierte die Softwarelösung AIRA, die sich auf die automatische Erkennung von Material über sexuellen Missbrauch von Kindern (kurz: CSAM) der ersten Generation konzentriert.
Konkret zum Einsatz kommt AIRA bereits seit Mai des vergangenen Jahres in NRW. In Zusammenarbeit mit dem ZAC NRW, der bundesweit größten Cybercrime-Einheit der Justiz, werden mithilfe des Forensik-Tools vollautomatisiert Kindesmissbrauchsdarstellungen erkannt und bekämpft. t3k.ai ist ein Softwareanbieter für KI-Medienscreening, die von Strafverfolgungsbehörden weltweit eingesetzt werden kann.
Damit soll alles von Verbrechen gegen Kinder über gewalttätigen Extremismus bis hin zu organisierter Kriminalität und Finanzkriminalität aufgeklärt werden, damit Opfer identifiziert und Täter*innen vor Gericht gestellt werden können.
Umgang mit drohenden Umstellungen
Der zweite Digital Justice Summit verdeutlichte einmal mehr, wie komplex und umfangreich die Digitalisierung der Justiz in Deutschland voranschreitet. Um auch in Zukunft ein attraktiver Arbeitgeber für junge Menschen zu sein, ist eine Umstellung auf digitale Lösungen notwendig. Das fängt im Kleinen an – mit einem E-Mail-Postfach und einem digitalen Kalender. Um die anstehende Mammutaufgabe, die Pensionierung der Babyboomer-Generation, zu bewältigen, brauche es zweierlei. Zum einen sinnvolle und attraktive Arbeitsbedingungen, zum anderen moderne Prozesse, die durch KI und andere digitale Lösungen unterstützt werden. Eine analoge Justiz werde in Zukunft nicht mehr tragfähig sein. Was wir jetzt brauchen, sei Mut und Aufbruchsstimmung, so Zypries.
Der 3. Digital Justice Summit findet vom 25. bis 26. November 2024 statt.