„Dienstagmorgen 7 Uhr Razzia bei Reichsbürger Müller! Hätten Sie Lust mit Kamera und Mikro dabei zu sein? Aber bitte pünktlich!“
Wenn die Strafverfolgungsbehörden und Medien gemeinsam zur Tat schreiten.
Die Beschuldigten konnten alle angetroffen und die ausgestellten Haftbefehle ausnahmslos vollstreckt werden. Der Vorwurf: Unter Leitung des Frankfurter Immobilienunternehmers Prinz Reuß, mit dem originellen Vornamen Heinrich XIII., soll die bunte Truppe einen bewaffneten Staatsstreich geplant haben. Gemeinsam mit 21 Gesinnungsgenossen sitzt selbiger nunmehr in U-Haft, während er doch eigentlich, nach erfolgreichem Putsch, so eine Art Staatsoberhaupt werden wollte. So die Strafverfolgungsbehörden. Insgesamt wurden 130 Objekte durchsucht und im Zuge dieser Maßnahmen wurden auch einige Dutzend Schusswaffen inklusive Munition sichergestellt. Darunter ein ganzes Arsenal von Waffen eines Waffenhändlers, wobei allerdings der guten Ordnung halber darauf hinzuweisen ist, dass das Auffinden von Waffen bei einem Waffenhändler an sich keine Sensation sein dürfte.
Die volle mediale Aufmerksamkeit
In den sogenannten Sozialen Medien kam prompt das, was kommen musste: Für die einen User war die Razzia ein reines Ablenkungsmanöver des Staates von den wahren Problemen des Landes und dem Politikversagen der Ampelkoalition, für die anderen war es der wehrhaften Demokratie glücklicherweise noch so gerade gelungen, einen unmittelbar bevorstehenden Staatsstreich, inklusive Verhaftungen und Exekutionen, durch den massiven Einsatz der geplanten 286 „Heimatschutzkompanien“, zu verhindern. Gerade noch mal gut gegangen!
Während die zuständigen Staatsanwaltschaften nunmehr an den Anklageschriften arbeiten (was lange Zeit in Anspruch nehmen dürfte) und Komiker vorschlagen, geständigen „Reichsbürgern“ als Zeichen des Dankes für die Kooperation die doppelte Staatsbürgerschaft anzubieten, beschäftigt uns an dieser Stelle eine ganz andere Frage: Wie konnte es geschehen, dass zahlreiche(!) Medien zeitgleich mit den Einsatzkräften vor Ort waren – und welche strafrechtlichen Konsequenzen hätte es, wenn Ort und Zeit von Razzien frühzeitig durchgestochen = verraten würden?
Fragt man Journalistinnen und Journalisten, werden diese selbstverständlich auf ihre überragend gute Recherchearbeit verweisen; natürlich würden sie ihre Quellen im Sicherheitsapparat niemals verraten. Diese wiederum würden ebenso selbstverständlich auch nur den leisesten Verdacht des Verrates von Dienstgeheimnissen empört von sich weisen. Verständlich, denn schon die Strafandrohung des § 353 b bei vorsätzlichem Verhalten „bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe“ macht deutlich, dass der Staat derartiges Verhalten nicht als Petitesse behandelt.
Warum, ist gerade im konkreten Fall offenkundig: Zum einen könnten durch ein frühzeitiges Bekanntwerden der Einsätze die Ermittlungen erschwert oder gar vereitelt werden, z.B. durch die Vernichtung von Beweismitteln, zum Anderen wäre die Gefahr der Gefährdung der Einsatzkräfte sicher nicht nur theoretisch denkbar. Gerade vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Norm sollte man annehmen, dass jedwede unbefugte Weitergabe von geheimhaltungsbedürftigen Dienstgeheimnissen strafbewehrt ist – gerade das aber ist nicht der Fall! Eine Strafbarkeit gemäß § 353 b StGB setzt nämlich voraus, dass das Geheimnis ihm/ihr als „Amtsträger [...] anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist.“ Betroffen sind also ausdrücklich nicht solche Personen/Amtsträger, die „Geheimnisse durch eigene Entscheidungen schaffen.“ (OLG Dresden, NJW 2007, 3509). Derjenige Staatsanwalt, der den streitgegenständlichen Sachverhalt durch eine eigene Entscheidung selber kreiert, wird also bei einer Weitergabe der Infos an Dritte jedenfalls strafrechtlich nicht belangt - anders als der plappernde Kollege, dem er dies - auf welche Weise auch immer - „anvertraut“ hat.
Eigentlich kurios, denn die für den Rechtsstaat gefährlichen Folgen des Verrates entstehen völlig unabhängig davon, wer diesen Verrat begangen hat.
Darüber sollte der Gesetzgeber noch einmal in Ruhe nachdenken.