Wenn man derartige Überschriften liest, kann schnell der Eindruck entstehen, dass es in puncto Jugendkriminalität von Jahr zu Jahr immer schlimmer wird. Wohlgemerkt: Jede einzelne Tat ist eine Tat zu viel. Auch in puncto Delinquenz von Kindern und Jugendlichen gibt es keinen Grund zu sagen: "Alles halb so wild!"
Die Zahlen sind in jüngster Zeit keineswegs sprunghaft angestiegen. Dennoch titelte die Rheinische Post "Jugendgewalt: Immer jünger, immer brutaler!". Allerdings stammt diese Schlagzeile aus dem Jahr 2011.
Sowohl bei diesem Thema, als auch im Bereich Migration und Integration, gehen Sätze, die mit "Die..." beginnen, rustikal formuliert, meistens in die berühmte 'Hose'. "DIE Jugendlichen" gibt es eben so wenig wie „DIE Flüchtlinge“ oder „DIE Asylbewerber“ – in allen Gruppen lassen sich ganz verschiedene Charaktere finden.
So sind beim Komplex strafwürdigen Verhaltens von Jugendlichen und Heranwachsenden nicht die Jugendlichen an sich das Problem, sondern eher ein kleiner, aber harter Kern jugendlicher Intensivtäter. Nicht selten haben die Angehörigen dieser Gruppe schon in jungen Jahren eine beachtliche Summe von Straftaten auf ihrem Konto angesammelt. Nicht selten mehrere Dutzend, querbeet durch das Strafgesetzbuch. Unter den Gewalttätern Viele, die nie gelernt haben, Konflikte gewaltfrei zu lösen, die grundlos zuschlagen und Konflikte geradezu suchen. Immer mehr in Mode kommt leider auch das Benutzen von Messern zur Tatbegehung. Und wenn das Opfer auf dem Boden liegt, hört man nicht auf zu schlagen oder zu treten.
Und immer dann, wenn die Täter unter 14 Jahren alt sind und demnach strafrechtlich nicht belangt werden können, kommt die - menschlich in jeder Hinsicht verständliche - Frage: "Ja sollen die denn jetzt einfach so davon kommen?"
In den meisten europäischen Staaten, also nicht nur in Deutschland, liegt das Strafmündigkeitsalter bei 14 Jahren, aber es gibt auch Ausnahmen. So gibt es in Großbritannien sehr detailreiche Strafbarkeitsgrenzen in der Altersspanne von 8 bis 17 Jahren, in anderen Staaten liegt die Grenze erst bei 16 Jahren.
- Die Zahl der Straftaten durch strafunmündige Kinder ist nicht gestiegen, sondern gesunken. In den 2010er Jahren um über 40%.
- Die Herabsenkung des Strafmündigkeitsalters würde ja für die gesamte Palette der Straftaten gelten, nicht nur für schwere Straftaten und Gewaltdelikte. Im Strafrecht gilt das Legalitätsprinzip, nicht das Prinzip der Opportunität. Gerade im Bereich der Bagatellkriminalität von Kindern, geht es in der Konsequenz viel mehr um Erziehung, als um Strafe.
- Es gibt überhaupt keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass durch die Absenkung der Strafmündigkeitsgrenze die Zahl der Straftaten der unter 14-Jährigen sinken würden. In den USA und Großbritannien, wo die Grenze deutlich unter 14 Jahren liegt, sind die Zahlen keineswegs besser, als bei uns.
- Im Bereich der schweren Kriminalität wäre die Konsequenz regelmäßig: Jugendstrafe, also Haft. In den Jugendstrafanstalten wären die 12- oder 13-Jährigen aber sehr schnell Opfer der älteren Häftlinge und/oder sie lernen dort Mithäftlinge kennen, denen sie besser nie begegnet wären.
- Der Staat ist keineswegs hilflos. Die richtigen Reaktionen müssen dann von Polizei, Jugendämtern und Vormundschaftsgerichten erfolgen, bis hin zur Unterbringung in offenen oder gar geschlossenen Heimen. Ein Gefängnis aber ist nicht der richtige Ort für Kinder.