eForms – Der Anstoß zur Reform des öffentlichen Einkaufs
Herausforderungen bei der Digitalisierung der Beschaffung
Gerade in Krisenzeiten (z.B. Corona-Pandemie, wirtschaftlichen Auswirkungen durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine) bietet eine höhere Datenqualität die Chance, strategisch besser einzukaufen. Um das Potenzial von Daten des öffentlichen Einkaufs zu heben, hat die EU-Kommission im Jahr 2019 eine Durchführungsverordnung zu digitalen Bekanntmachungsformularen erlassen, den sogenannten „eForms“ (EU-Durchführungsverordnung 2019/1780 bzw. EU-Durchführungsverordnung 2022/2303). Ziel ist es, alle Bekanntmachungsformulare in Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte (nachfolgend: Oberschwellenformulare) zum 25. Oktober 2023 digital und standardisiert an die europäische Ausschreibungsplattform Tenders Electronic Daily (TED) zu übermitteln.
Die Einführung von eForms in Deutschland wurde im Schulterschluss vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), dem Beschaffungsamt des BMI (BeschA) sowie der Koordinierungsstelle für IT-Standards (KoSIT) gesteuert.
Rechtliche, technische und organisatorische Umsetzung von eForms
Damit eForms in Deutschland bei Vergabeverfahren verpflichtend zur Anwendung kommen kann, musste das bestehende Vergaberecht (u. a. die Vergabeverordnung – VgV) angepasst werden. Hierbei hat das BMWK die Federführung übernommen. Eine durch Bundestag und Bundesrat geänderte VgV wurde am 23. August 2023 veröffentlicht und bildet so die rechtliche Basis für die Einführung von eForms.
Zusammen mit den Durchführungsverordnungen 2019/1780 bzw. 2022/2303 hat das zuständige Amt für Veröffentlichungen der EU-Kommission ein Software Development Kit (SDK) herausgegeben. Dieses SDK beinhaltet technische Bausteine, die bei der Einführung von eForms unterstützen.
Um bei der Festlegung, welche Datenfelder zukünftig wie zu nutzen sind, möglichst alle betroffenen Entscheidungsträger*innen von Bund, Ländern und Kommunen zu involvieren, wurde Anfang 2021 ein Expertengremium (EG Pre-Award) mit verschiedenen Vertreter*innen gegründet. Die KoSIT überführt die vom EG Pre-Award festgelegten fachlichen Beschlüsse in den für Deutschland angepassten technischen Standard eForms-DE (Version 1.1.0).
Am stärksten von den Änderungen durch die Einführung von eForms sind Beschaffungs- und Vergabestellen der öffentlichen Verwaltung und deren Nutzer*innen ebenso wie IT-Fachverfahrenshersteller betroffen.
IT-Fachverfahrenshersteller müssen die mit eForms-DE einhergehenden Änderungen in ihre Vergabesysteme programmieren. Dadurch kommt es für Nutzer*innen zwangsläufig auch zu Änderungen bei der Befüllung von Bekanntmachungsdokumenten und an der Benutzungsoberfläche dieser Vergabesysteme.
Um die IT-Fachverfahrenshersteller fortlaufend über neue Entwicklungen und Entscheidungen zu informieren, organisiert der Bund (BeschA, BMI, BMWK) in Zusammenarbeit mit der KoSIT und der Freien Hansestadt Bremen regelmäßig Informationsveranstaltungen.
Datenservice Öffentlicher Einkauf
Das OZG-Projekt „Standardbasierte Vereinfachung des Unternehmenszugangs zur öffentlichen Beschaffung“ hat sich zum Ziel gesetzt, die heterogene Vergabeplattformlandschaft für Bietende mit Hilfe des Datenservice Öffentlicher Einkauf (DÖE) stark zu vereinfachen.
Der DÖE kombiniert einerseits das Ziel der standardbasierten Einführung von eForms in Deutschland und andererseits der Schaffung eines vereinfachten Zugangs für Bietende zur öffentlichen Beschaffung. Unternehmen müssen zukünftig nicht mehr eine Vielzahl von Vergabeplattformen durchsuchen, um relevante Ausschreibungen zu finden und an ihnen teilzunehmen.
Einführung von eForms in Deutschland
Neben der Bundesregierung hatten auch die Regierungen vieler anderer europäischer Länder jahrzehntelang keinen fundierten Überblick darüber, wie die öffentliche Verwaltung Steuermittel im Rahmen des öffentlichen Einkaufs verwendet. Das liegt einerseits daran, dass es für die Erfassung solcher Daten bisher kein abgestimmtes Regelwerk gab (Stichwort Datenstandardisierung). Andererseits hat sich aber speziell in Deutschland verstärkt durch den Föderalismus eine heterogene Landschaft unterschiedlichster Vergabeplattformen entwickelt, die einen Gesamtüberblick über die zur Verfügung stehenden Daten schier unmöglich macht. Gleichzeitig stellt diese Heterogenität besonders Unternehmen, die an Vergabeverfahren teilnehmen wollen, vor Herausforderungen. Bieter müssen sich zur Teilnahme an nationalen Vergabeverfahren auf einer Vielzahl von Plattformen zur Einsicht veröffentlichter Vergabebekanntmachungen registrieren, um Zugriff auf die notwendigen Dokumente (Leistungsbeschreibung und Formulare) zu erhalten.
Die Daten des öffentlichen Einkaufs bieten viel Potenzial: Höhere Datentransparenz kann zu einem stärkeren Wettbewerb und damit geringeren Kosten für die Verwaltung und letztlich für die Steuerzahler*innen führen
Die Daten des öffentlichen Einkaufs bieten viel Potenzial, nicht nur aufseiten der öffentlichen Verwaltung. Durch eine höhere Datentransparenz kann der öffentliche Einkauf näher an die Bieter gebracht werden, um einen stärkeren Wettbewerb und damit geringere Kosten für die Verwaltung und letztlich für die Steuerzahler*innen zu erreichen.
XStandards Einkauf und der Standard eForms-DE
Aufschluss darüber, wie die öffentliche Verwaltung einkauft, können nur verlässliche Auswertungen und Statistiken geben, die auf fundierten Daten basieren. Diese fundierten Daten können nur durch Verwendung einheitlich standardisierter Datenmodelle erhoben werden. Die KoSIT wurde vom IT-Planungsrat damit beauftragt, die Entwicklung, Pflege und den Betrieb der durch den IT-Planungsrats beschlossenen (Daten-)Standards sicherzustellen. Die Entwicklung, Pflege und Betrieb finden seit Anfang 2023 im Kontext von XSE statt.
Neben eForms werden mit XSE auch weitere Standards des gesamten Beschaffungsprozesses betrieben, entwickelt und gepflegt – XRechnung und XBestellung. Weitere Standard sollen folgen. Neben dem 2017 veröffentlichen Standard XRechnung und dem kürzlich veröffentlichten Standard eForms-DE befindet sich der Standard XBestellung zurzeit im Übergang zwischen der Pilotierungsphase und dem Release der Version 1.0.
XSE hat zum Ziel, dass die bereits entwickelten bzw. noch zu entwickelnden Standards des Beschaffungsprozesses einerseits enger zusammen entwickelt und andererseits auf gleichen Technologien und Entwicklungspfaden aufgebaut werden. Ein Betriebskonzept, das Aufgaben, Rollen und Gremien von XSE definiert, wurde durch den Steuerungskreis XRechnung und das Kooperationsprojekt „Digitalisierung der Beschaffung“ erarbeitet und Ende 2022 beschlossen.
Potenziale von eForms für Deutschland
Die im Beschaffungsprozess generierten Daten geben weitreichende Einblicke darin, wie öffentliche Einrichtungen einkaufen. Die verlässliche Auswertung und Nutzung dieser Datensätze ermöglichen es beispielsweise zu ermitteln, wie hoch der nationale Bedarf für Liefer-, Bau- und Dienstleistungen ist, wie viele Unternehmen mit Ausschreibungen erreicht werden und ob gesetzliche Vorgaben erfüllt sind.
Das Ziel, eine datengetriebene und resiliente Verwaltung zu etablieren, kann nur durch den Aufbau eines strukturierten und standardisierten Datenbestands erfolgen, bei dem der Standard eForms-DE ein essenzieller Bestandteil ist. Durch die Nutzung von Daten, die auch der Öffentlichkeit nachvollziehbar und barrierefrei zur Verfügung gestellt werden, können alle Mitglieder der Gesellschaft transparent erfassen, welche Waren, Liefer-, Dienst- und Bauleistungen eingekauft werden. Diese Transparenz lenkt auf der einen Seite die Aufmerksamkeit auf die Beschaffungsprozesse, liefert aber auf der anderen Seite auch eine fundierte Begründung, warum eine Beauftragung erfolgt ist, beispielsweise aus fehlenden Alternativen oder ausbleibenden wirtschaftlichen Angeboten.
Ein weiterer Anwendungsfall, der aufgrund der Krisen der letzten Jahre (Corona-Pandemie, Ukraine-Konflikt) evidenter wurde, ist die notwendige Verbesserung der Resilienz bestehender Lieferketten in der öffentlichen Beschaffung. Diese Thematik ist zwar nicht neu und existierte bereits vor den genannten Ereignissen, die Auswirkungen waren dieses Mal jedoch für alle Mitglieder der Gesellschaft spürbar.
Ein weiterer möglicher Anwendungsfall sind die Steigerung der Nachhaltigkeit im öffentlichen Einkauf und das Messen geforderter Nachhaltigkeitsanforderungen der EU. Als prominentes Beispiel kann auf die Clean Vehicles Directive der EU verwiesen werden. Das dazugehörige deutsche Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge verpflichtet Bund und Länder, bestimmte Mindestziele bei der Beschaffung sauberer Pkw sowie leichter und schwerer Nutzfahrzeuge zu erreichen. Um diese Nachweispflicht zu erfüllen, sind relevante Datenfelder im Standard eForms-DE verpflichtend durch die Vergabestellen vor Veröffentlichung der Bekanntmachung anzugeben.
Weiteres Potenzial steckt in der Standardisierung und Maschinenlesbarkeit der Daten. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der öffentlichen Verwaltung findet immer mehr Anklang und erste Anwendungsfälle werden bereits pilotiert und validiert. Die Qualität der KI generierten Unterstützung steht im direkten Zusammenhang mit der Qualität und Quantität der bereitgestellten und antrainierten Daten.
Handlungsempfehlungen
In Anbetracht der Potenziale und Herausforderungen, die die Einführung von eForms mit sich bringt, lassen sich unterschiedliche Handlungsempfehlungen ableiten.
- Die erste Empfehlung fokussiert den weiteren Aufbau des Datenbestands, um die Qualität von datenbasierten Entscheidungen kontinuierlich zu verbessern. Dies lässt sich durch die Einführung von eForms-DE im Bereich der Unterschwellenvergabe schnell umsetzen, da die notwendigen Bekanntmachungsformulare im Standard eForms-DE bereits mitgedacht und veröffentlicht wurden und somit dem Bund und den Ländern zur Nutzung zur Verfügung stehen. Da jedes Bundesland selbst über die Anwendung der UVgO entscheiden kann, liegt es hier an den jeweiligen Landesinstitutionen, die Vorreiterposition einzunehmen und eForms-DE in Vergabeverfahren unterhalb der EU-Schwellenwerte vollständig einzusetzen.
- Eine weitere Handlungsempfehlung bezieht sich auf den Erstellungsprozess der Bekanntmachungsdokumente und der geforderten Unterlagen. Durch die Standardisierung von Leistungsbeschreibungen können notwendige Daten zu Produktgruppen, Volumen, Laufzeiten etc. bei der Bekanntmachungserstellung automatisiert übernommen werden und der Pflegeaufwand der auslesbaren Datenfelder durch zuständige Personen reduziert werden. Hierdurch ergibt sich ein zeitliches Einsparpotenzial bei gleichzeitig steigender Datenqualität und fortlaufender Automatisierung.
Für den Einsatz von KI können bereits kleine Änderungen im Vergabeprozess einen erheblichen positiven Unterschied machen. Beispielsweise kann die Einführung eines „Unique Identifiers“, der in allen Dokumenten mit Bezug zur Vergabe auffindbar ist, sicherstellen, dass eine aufgesetzte KI Zusammenhänge erkennt und entsprechende Antworten und Auswertungen bereitstellen kann. Aufgrund fehlender Standardisierung und unterschiedlicher Datenformate ist dies bislang aber kaum möglich.