Im Integrationsgesetz aus dem Jahre 2016 ist festgelegt, dass Geflüchtete im Hinblick auf die spätere Einführung in den Arbeitsmarkt einen Integrationskurs ablegen müssen. Dieser setzt sich aus einem Sprachkurs bis zum Niveau B1 und einem Orientierungskurs zusammen, ggf. geht ein Alphabetisierungskurs voran. Der Integrationskurs gilt als absolviert, sobald der Teilnehmer den „Deutsch-Test für Zuwanderer" (DTZ) besteht.
Mehr Unterrichtseinheiten für Orientierungskurse
Für den Sprachkurs sind vom Sprachlevel A1.1 bis B1.2 600 Lehreinheiten vorgesehen, der Orientierungskurs umfasst 100 Unterrichtsstunden. Im Orientierungskurs sollen die Geflüchteten ein Verständnis für das deutsche Staatswesen entwickeln, ihre Rechte und Pflichten lernen und das nötige Wissen erhalten, um sich in die Gesellschaft einzugliedern.
Dafür sieht der Kurs drei Module vor:
- Rechtsordnung / Politik und Demokratie
- Geschichte / Geschichte und Verantwortung
- Gesellschaft / Mensch und Gesellschaft
Um in Zukunft bessere Ergebnisse innerhalb der Orientierungskurse zu erzielen, fordert der Integrationslehrer eine Erweiterung des Lehrangebots auf 150 bis 200 Unterrichtseinheiten: „Für solche Themengebiete sind sonst drei bis vier Schuljahre vorgesehen. Die Geflüchteten müssen das in ein bis zwei Monaten lernen.“ Josue empfiehlt die Module außerdem zu erweitern. Sie sollten auf Alltagssituationen vorbereitet werden sowie den Umgang mit Rassismus lernen.
Die vier Integrationsdimensionen
In der Studie „Integration durch Politik und Geschichte -Effekte des Orientierungskurses bei Geflüchteten in Brandenburg“ beschäftigt sich Josue mit der Frage, ob Orientierungskurse in Ihrer jetzigen Form ausreichen, um die Teilnehmenden auch politisch zu integrieren.
In Anlehnung an die Abhandlung von Professorin Sabine Achour „Bürger muslimischen Glaubens: Politische Bildung im Kontext von Migration, Integration und Islam“ arbeitete der Integrationslehrer vier Dimensionen der Integration heraus, welche der Orientierungskurs bedienen muss.
Der Politologe hebt hervor, dass die politische Bildung bei Flüchtlingen noch wenig erforscht ist:"Dabei kann es helfen, die Frage zu beantworten, warum Neuzugewanderte unsere Werte nicht schätzen.“
Die politische Bildung soll Migranten den Zugang zur deutschen Kultur und Gesellschaft erleichtern, ihnen Systemwissen vermitteln und sie zum eigenen politischen Engagement motivieren. Die politische Integration leistet einen großen Beitrag zur "indentifikativen Integrationsdimension".
Durch Erfahrungen und Erlebnisse lernen
Josue hat in einem qualitativen Vergleich die Leistungen der Teilnehmer der Integrationskurse Falkensee und Rathenow gegenübergestellt. Den Flüchtlingen in Falkensee wurde Wissen projektbasiert und neurodidaktisch vermittelt, die Gruppe in Rathenow durchlief dagegen den üblichen Orientierungskurs.
Unter Neurodidaktik versteht Josue erfahrungsbasiertes, erlebnispädagogisches Lernen: „Ich will, dass meine Schüler Demokratie hautnah erleben.“ Dafür organisierte der philippinische Integrationsforscher Ausflüge in politische Institutionen auf Kommunal-, Länder-, Bundes- und Europaebene. „Für Ausflüge sind sonst im Integrationskurs nur zehn Stunden vorgesehen.“
Im Rathaus Falkensee diskutierten seine Kursteilnehmer mit den Bürgermeister. Bei der Besichtigung des Landtages Brandenburg konnten die Geflüchteten mit drei Landtagsabgeordneten ins Gespräch kommen. Ein weiterer Politiker beantwortete bei der Besichtigung des Bundestags die Fragen der Geflüchteten.
Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen
Der Besuch des Europa-Parlaments gestaltete sich dagegen schwieriger. Für die Teilnehmer mussten Genehmigungen eingeholt werden, das Land zu verlassen und nach Brüssel reisen zu dürfen. Der Ausflug wurde zu 50 % von staatlichen Mitteln finanziert. Die andere Hälfte wurde durch eine in Falkensee ansässige Initiative beigesteuert.
Die „Initiative Willkommen in Falkensee“ ist eine Arbeitsgruppe des Fördervereins Lokale Agenda 21 Falkensee e.V. Der Verein sammelte private Spenden für den Ausflug, an dem auch einheimische Falkenseer teilnahmen. So wurde der Ausflug nicht nur genutzt, um politische Bildung zu vermitteln, sondern auch zu einer Begegnung zwischen"Altsassen" und Zugewanderten.
„So konnten meine Schüler aktiv mitdiskutieren, statt nur Texte zu lesen. Dieser Ausflug hat beiden Seiten, Schülern und einheimischen Falkensees, einen Perspektivwechsel ermöglicht.“
Josue sieht großes Potential in der Verknüpfung des Kurses mit staatlichen Institutionen und Ehrenamtlichen vor Ort. Die zusätzlichen Mittel könnten genutzt werden, um den Unterricht kreativer und ansprechender zu gestalten. Der Kontakt zu Ehrenamtlichen innerhalb des Kurses erleichtere den Flüchtlingen den Zugang zur Gesellschaft.
Politisches Engagement durch Vorbildfunktion
Alle Teilnehmer der Falkensee-Gruppe konnten den Abschlusstest bestehen, während die Ergebnisse der Kontrollgruppe in Rathenow größtenteils negativ ausfielen. Josue sieht seine Lehrmethoden darin bestätigt. Ein Großteil der Falkenseer Teilnehmer hat sich außerdem während der Bundestagswahl 2017 beim Wahlkampf einer Partei engagiert. Das Credo des Integrationslehrers: „Auch wenn wir selbst nicht wählen dürfen, können wir doch in einer Partei aktiv werden.“
Josue ist auf den Philippinen geboren und selbst Migrant. Er engagiert sich bei einer Partei, die er bei seinem Vortrag am 8.November auf dem Gesellschaftlichen Dialog Migration und Integration allerdings bewusst nicht nennt. Er sieht das politische Engagement der Geflüchteten in seiner Vorbildfunktion begründet und fordert deshalb, mehr Lehrstellen Integrationslehrer mit Migranten zu besetzen.
Zudem sollte seiner Ansicht nach der Beruf des Integrationslehrers durch das BAMF professionalisiert werden. Bisher wird diese Berufsgruppe hauptsächlich auf Honorarbasis unterhalten. „Das schränkt die Motivation natürlich ein. Man müsste den Integrationslehrern berufliche Sicherheit bieten und eine Karriereperspektive schaffen.“