OZG-Umsetzung: So geht Rheinland-Pfalz die Digitalisierung an
CIO Randolf Stich erklärt, wie sein Bundesland die Weichen für die Zukunft der digitalen Verwaltung stellt.
Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) ist ein einzigartiges Vorhaben, ein Pionierprojekt, welches sich von bisherigen IT-Projekten in der öffentlichen Verwaltung stark unterscheidet. Dies wird insbesondere an drei Stellen sehr deutlich. Erstens ist die Nutzerzentrierung im OZG als eine der obersten Handlungsmaximen festgelegt. Bei der Entwicklung von digitalen Leistungen stehen also die Bürgerinnen und Bürger sowie Organisationen wie Unternehmen und Vereine als Antragssteller im Fokus. Zweitens betrifft das OZG nicht eine bestimmte Leistung, sondern die Gesamtheit aller Verwaltungsleistungen. Drittens ist die Umsetzung des OZG nicht auf eine Verwaltungsebene beschränkt. Sowohl Bund, als auch Länder und Kommunen müssen bei der Umsetzung mitziehen.
Bürger- und Unternehmensservice gibt es schon
Das OZG verpflichtet Bund, Länder und Kommunen bis zum Ende des Jahres 2022, alle Verwaltungsleistungen zu digitalisieren und dabei die Nutzerfreundlichkeit als oberste Handlungsmaxime zu berücksichtigen. Nutzerinnen und Nutzer sind bestimmte Standards im Umgang mit privaten Online-Diensten gewöhnt. Das Ziel ist, dass diese gewohnten Standards auch bei digitalen Verwaltungsleistungen vorhanden sind. Ausgangspunkt bei der Beantragung einer Verwaltungsleistung ist die Suche nach Informationen, wie etwa dem zuständigen Ansprechpartner und dem richtigen Formular. Dazu gibt es in Rheinland-Pfalz bereits jetzt schon den Bürger- und Unternehmensservice (BUS).
Nutzerfreundliche Sprache und Synchronisation der Portale
Unter bus.rlp.de können Bürgerinnen und Bürger bereits heute nach Informationen über Verwaltungsleistungen suchen und diese finden. Weiterhin bieten viele Kommunen, welche in der Praxis für die Ausführung der meisten digitalen Verwaltungsleistungen verantwortlich sind, Informationen auf eigenen Portalen an.
Eine Aufgabe bei der Umsetzung des OZG wird sein, diese Informationen in eine standardisierte Form zu bringen, welche für die Bürgerinnen und Bürger gut verständlich und nachvollziehbar ist. Verwaltungssprache ist oft speziell und wenig nutzerfreundlich. Bürgerinnen und Bürger dürfen aber genau diese Nutzerfreundlichkeit und eine verständliche Sprache erwarten, in der die Leistung beschrieben und die zuständige Stelle benannt ist. Für die rechtlichen Feinheiten ist die Verwaltung zuständig. Eine bevorstehende Aufgabe im Rahmen der Umsetzung des OZG ist es auch, die Informationen mit dem Portal des Bundes, welches sich noch im Aufbau befindet, zu verknüpfen. Sobald dies erfolgt ist, sollen die Daten zwischen den Ländern und mit dem Bund synchronisiert werden, damit sie bundesweit zentral und aus einem Guss zur Verfügung stehen.
Nutzerkonto Rheinland-Pfalz
Die meisten Menschen sind es vom Online-Shopping gewohnt: nach der Information über ein Produkt folgt die Bestellung. Ähnlich ist es bei der Verwaltungsleistung. Ist sie ausgewählt, kann sie bestellt bzw. beantragt werden. Gerade bei regelmäßigen Bestellungen helfen Accounts, die keine erneute Erfassung von Daten nötig machen. Diese Erfahrung wird bei der Umsetzung des OZG genutzt. Das Äquivalent der Verwaltung ist das OZG-Nutzerkonto, welches in Rheinland-Pfalz kürzlich bereitgestellt wurde. Mit dem Nutzerkonto Rheinland-Pfalz kann die Nutzerin oder der Nutzer seine persönlichen Daten verwalten, mit der Verwaltung über ein Postfach kommunizieren und Bescheide der Verwaltung in einem Dokumentensafe aufbewahren. Das Nutzerkonto ist jedoch nicht auf natürliche Personen beschränkt. Organisationen wie Unternehmen und Vereine können das Nutzerkonto ebenfalls zur Antragsstellung nutzen.
Die eigentliche Beantragung einer digitalen Leistung erfolgt über einen digitalen Antrag, welcher auf der Antrags- und Prozessplattform für den Nutzer sichtbar sein wird. Dieser Antrag ermöglicht die Übernahme von Daten und Dokumenten aus dem Nutzerkonto. Das hat zur Konsequenz, dass die Nutzer Daten und Dokumente nicht immer neu hochladen müssen. Ebenfalls im Aufbau befindet sich derzeit auch eine Bezahlplattform, über die mögliche Gebühren online bezahlt werden können.
Das Nutzerkonto ist ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt in der Umsetzung des OZG.
Sobald ein Antrag ausgefüllt ist, werden die Daten an die Verwaltung übertragen. Bestehende Fachanwendungen müssen dann über entsprechende Schnittstellen in die OZG-Infrastruktur verfügen. Keinesfalls sollen dabei gute Systeme verworfen werden. Im Rahmen der Bearbeitung kann die Verwaltung über das Nutzerkonto mit dem Antragsteller kommunizieren, Unterlagen nachfordern und Informationen über den Bearbeitungsstatus versenden. Anschließend wird der Bescheid elektronisch in das Postfach des Antragstellers eingeliefert und der Nutzer wird hierüber informiert. Das Nutzerkonto ist also ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt in der Umsetzung des OZG.
Aufbau einer Basisinfrastruktur
Ganz zentral ist, dass der Antragsteller in vielen Verwaltungsverfahren eindeutig identifiziert werden muss. Außerdem muss jedes digitale Verwaltungsverfahren rechtskonform sein. Die Komplexität der OZG Umsetzung schlägt sich auch in der großen Anzahl an Verwaltungsleistungen nieder. Die Vorgabe, alle Verwaltungsleistungen zu digitalisieren, bedeutet, dass mehr als 4200 Einzelleistungen bzw. 559 sog. Leistungsbündel digitalisiert werden müssen. Das erfordert den Aufbau einer umfangreichen und möglichst flexiblen Basisinfrastruktur, welche durch Kombination einzelner Module die Vielfalt an Verwaltungsleistungen in einem standardisierten Prozess digital abbildet.
Die dritte Besonderheit bei der Umsetzung ist die große Anzahl an Verwaltungen. Von der Kommune über das Land bis hin zum Bund sind alle Verwaltungsebenen betroffen. Da ist viel Koordination nötig, da fast jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter der Landes- und Kommunalverwaltung in irgendeiner Form vom OZG betroffen ist. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, haben die Landesverwaltung und die kommunalen Spitzenverbände im November 2018 eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, in der sich die Landes- und Kommunalverwaltung Rheinland-Pfalz sich auf die Nutzung einer gemeinsamen E-Government-Infrastruktur verständigt haben, die vom Land zur Verfügung gestellt wird.
Das Nutzerkonto Rheinland-Pfalz und der Bürger- und Unternehmensservice sind die ersten verfügbaren Komponenten. Die weiteren Komponenten werden in den nächsten Monaten bereitgestellt. Ein Kompetenzzentrum zur Umsetzung hat seinen Betrieb bereits aufgenommen. Die Verwaltungen in Rheinland-Pfalz werden regelmäßig über das Vorgehen informiert und bereiten sich auf die Umsetzung ihrer Online-Verfahren vor. Schon Mitte 2020 soll es dann soweit sein, dass die ersten Online-Verfahren mit der neuen IT-Basisinfrastruktur bereitgestellt werden können.