Bosbach
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Macht die Grenzen auf! Macht die Grenzen dicht!

Klartext! ist die neue Kolumne von Wolfgang Bosbach zu Themen der Innen- und Rechtspolitik

„Wie soll das funktionieren? Sie können die Grenzen nicht schließen ...!“ So die Bundeskanzlerin im Herbst 2015 in der Sendung „Anne Will“  zu dem Thema Aufnahmestopp für Flüchtlinge - Ja oder Nein? Wichtiger Hinweis für die besonders Sprachsensiblen: Ja, es ging damals um die Aufnahme von „Flüchtlingen“. Die Streichung dieses Begriffes (obwohl ein Rechtsbegriff) durch das Wort „Geflüchtete“ erfolgte erst später.

Im Herbst 2015 hatten die Vereinfacher Hochkonjunktur. Die einen meinten, endlich sei die Zeit gekommen, in der die Bundesrepublik alle Menschen unbedingt  aufnehmen müsse, die sich im Zuge der großen Migrationsbewegung auf den Weg nach Europa gemacht hätten. Die anderen vertraten mit gleicher Hartnäckigkeit die These, man könne, ja müsse, die Landesgrenzen sofort dicht machen wenn man nur wolle.

Viel hat sich in dieser Hinsicht in den letzten fünfeinhalb Jahren nicht geändert. Beide Ansichten werden auch heute noch mit großer Vehemenz vertreten.

Formal betrachtet hat die Kanzlerin natürlich Recht. Deutschland hat neun Nachbarstaaten, kein Land in der EU hat mehr! Auch weltweit dürfte es nicht viele Staaten mit mehr Nachbarländern geben. Unser Land ist erreichbar zu Lande, zu Wasser und aus der Luft, über ein gutes Dutzend großer Verkehrsflughäfen mit internationalen Verbindungen. Wir sind erreichbar über Hauptverkehrsachsen, aber auch über Nebenstrecken, zur Not auch querfeldein über die viel zitierte grüne Grenze.

Eine abgeriegelte Republik ist gesellschaftlich nicht erwünscht

Deutschland so luftdicht abzuschotten, dass niemand mehr (irregulär) in unser Land einreisen könnte, ist objektiv unmöglich.  Doch selbst wenn es möglich wäre politisch wünschenswert wäre eine derart abgeriegelte Republik ebenso wenig wie gesellschaftlich akzeptiert oder gar erwünscht. 

Das allerdings heißt im Umkehrschluss keineswegs,  dass wir die Landesgrenzen nicht kontrollieren können oder kontrollieren dürften. Kontrolle heißt in diesem Fall die Überprüfung der Erfüllung der Einreisevoraussetzungen bzw. etwaiger Einreisehindernisse. So ist der Datenschutz d i e zentrale Aufgabe der Bundespolizei, was ja rein logisch voraussetzt,  dass ein Schutz unserer Grenzen vor illegaler Einreise tatsächlich möglich ist und auch politisch gewollt. Jedenfalls mehrheitlich.

Erinnern wir uns kurz: Während des G7 Gipfels 2015 gab es sehr wohl die häufig kritisierten stationären Grenzkontrollen mit beachtlichen Fahndungserfolgen. Damals versuchten Tausende irregulär einzureisen. Über 350.000 Personen wurden kontrolliert, dabei circa 3.500 festgenommen.

1.056 Fahndungstreffer wurden erzielt, 153 Haftbefehle konnten vollstreckt werden. Dichtmachen ist nicht möglich,  eine effektive Grenzkontrolle sehr wohl. Wenn man sie denn möchte. Anlassbezogen, lageabhängig, zeitlich begrenzt,  stationär oder durch die sogenannte Schleierfahndung.

Ausweispflicht besteht trotz Schengen 

Oft wird behauptet,  dass durch das Abkommen von Schengen die Landesgrenzen abgeschafft worden seien und deshalb keine rechtliche Bedeutung mehr hätten, was natürlich nicht stimmt. Der Wegfall der permanenten, lageunabhängigen, stationären Grenzkontrollen sollte ja ausdrücklich durch eine intensivere Schleierfahndung kompensiert werden  um ein befürchtetes Sicherheitsdefizit nicht zu groß werden zu lassen. 

Auch heute noch, trotz Schengen, gilt: Wer in ein anderes Land einreisen will, muss die hierfür notwendigen Voraussetzungen erfüllen. Wegen Schengen keine Ausweispflicht mehr? Von wegen! Dann wenigstens ein Verbot der Überprüfung der Erfüllung dieser Pflicht? Auch nicht richtig!

Wegfall der Visumspflicht für Bürgerinnen und Bürger aus visapflichtigen Staaten? Wäre ein Widerspruch in sich! Es sei denn, es bleibt dauerhaft bei der aktuellen Praxis,  dass das kleine Wort Asylantrag die üblichen Einreisebedingungen komplett ersetzt und die Einreise ermöglicht. 

Wer kommt in unser Land? 

Das allerdings ist nicht rechtlich zwingend, das ist politisch gewollt. Problem seit langer Zeit: Woher sollen wir bei komplett fehlenden Personaldokumenten wissen, ob die Angaben zur  Person und/oder die behauptete Staatsangehörigkeit richtig sind? Und wenn eine Person schon einmal in einem anderen Staat registriert wurde, unter einem anderen Namen,  sind wir immer noch nicht schlauer. Stimmt der erste Name oder der zweite oder sind beide falsch? Sehr aufschlussreich hierzu ein Artikel im Berliner Tagesspiegel vom 5. Februar 2021: Herr Ica hat den deutschen Staat zum Narren gehalten und könnte es wieder tun.

Auch nach über fünf Jahren intensiver Debatten bleibe ich dabei: Wir müssen wissen, wer in unser Land kommt!

Der Autor ist Kongresspräsident des GDÖS – Gesellschaftlicher Dialog Öffentliche Sicherheit. Von 1994 bis 2017 war Wolfgang Bosbach Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.