"Wir nutzen noch viel zu viele Druckpunkte nicht"
Jürgen Hardt, Außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, im Interview
Jürgen Hardt ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages und seit September 2015 außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Zuvor war der Diplom-Volkswirt von April 2014 bis April 2018 Koordinator für die Transatlantische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt. Geboren 1963 in Hofheim am Taunus, trat er mit 18 Jahren in die CDU ein.
Verwaltung der Zukunft: Könnten Sie bitte zu Beginn in ein paar Sätzen die wesentlichen Bausteine für die Sicherheitspolitik im Wahlprogramm von CDU und CSU darlegen?
Jürgen Hardt: Wir als CDU/CSU legen in unserem Wahlprogramm den Schwerpunkt auf eine kohärente und effektive Sicherheitspolitik. Deutschland muss weg vom Stückwerk einer unkoordinierten, bilateralisierten Außenpolitik, ergänzt durch eine Entwicklungszusammenarbeit mit der Gießkanne. Kein Mensch im Kanzleramt fühlt sich heute zuständig dafür, wenn die Beauftragte für Klimadiplomatie oder der Sonderbevollmächtigte für Migrationsabkommen reist. Jeder bestellt seine zwei Quadratmeter und nachher liegen sich alle in den Armen und bestätigen sich gegenseitig darin, wie unübersichtlich die Welt doch geworden sei. Wir brauchen einen Nationalen Sicherheitsrat, und zwar einen, der funktioniert, und der unsere Politik schärfer auf die einstellt, die unsere Verbündeten und uns aktiv bedrohen: Russland, Iran, China.
Wir brauchen einen Nationalen Sicherheitsrat, und zwar einen, der funktioniert, und der unsere Politik schärfer auf die einstellt, die unsere Verbündeten und uns aktiv bedrohen: Russland, Iran, China.
VdZ: Wie ordnen Sie die aktuelle nationale Sicherheitsstrategie ein?
Jürgen Hardt: Die Nationale Sicherheitsstrategie war schon im Prozess verloren, mit etlichen nur scheinrelevanten Terminen der Öffentlichkeitsarbeit, aber keinem Einbeziehen der Länder. Viele kluge Leute im Auswärtigen Amt machten sich originelle Gedanken, aber dem politisch redigierten Endprodukt fehlt die Entschlossenheit. Von Reviews z.B. der Briten ist das noch weit entfernt. Es hätte unbedingt einer Arbeitseinheit zur Umsetzung bedurft. Auch das könnte ein Nationaler Sicherheitsrat leisten.
VdZ: Wie kann die Priorisierung von Sicherheit in der Finanzplanung umgesetzt werden? Wie bewerten Sie die Nutzung des Sondervermögens für die Bundeswehr, und welche Prioritäten sollten bei der Modernisierung der Streitkräfte gesetzt werden?
Jürgen Hardt: Friedrich Merz kündigte einen Kassensturz nach Regierungsantritt an und nirgends wird er so wichtig sein wie im und für den Verteidigungsbereich. Das Sondervermögen wird leider kurzsichtig und mit wenig strategischer Planung genutzt. Es bräuchte eine noch stärkere europäische und NATO-Abstimmung über die notwendigen Fähigkeiten der Bundeswehr.
VdZ: Wie kann sich die europäische Sicherheits- und Verteidigungsindustrie künftig stärker auf den EU-Binnenmarkt stützen? Inwiefern sind die nationalen Verteidigungsrichtlinien innerhalb der EU kooperationsfähig, und welche konkreten Schritte sind nötig, um die Abhängigkeit von Rüstungsexporten aus den USA zu verringern?
Jürgen Hardt: Klar ist, dass wir in Europa viel stärker als bisher kooperieren müssen und unsere nationalen Projekte der Verteidigungsindustrie viel europäischer denken müssen. Mit Projekten wie der Eurodrohne oder dem FCAS ist bereits ein erster Schritt in die richtige Richtung getan. Der politische Wille der Mitgliedstaaten wird hier für den Erfolg ausschlaggebender sein als institutionalisierte Programme der EU. Dies gilt auch für eine Harmonisierung nationaler Verteidigungsrichtlinien.
Langfristig muss es unser Ziel sein, ähnlich wie die USA beispielsweise nur einzelne Panzermodelle in Europa zu haben anstelle der heutigen Vielzahl. Dies wird nicht nur das Beschaffungswesen beschleunigen und die Produktionskosten reduzieren, sondern auch die Kooperation innerhalb der NATO deutlich vereinfachen. Und wir werden in Europa, innerhalb der EU und gemeinsam mit den europäischen NATO-Partnern nur vorankommen, wenn wir auch einheitliche und verlässliche Regeln für den Rüstungsexport schaffen.
Klar ist, dass wir in Europa viel stärker als bisher kooperieren müssen und unsere nationalen Projekte der Verteidigungsindustrie viel europäischer denken müssen.
VdZ: Wie sehen Sie die wiederholten Forderungen von Donald Trump an europäische NATO-Mitglieder, ihre Verteidigungsausgaben erheblich zu erhöhen? Welche Auswirkungen hat dies auf die deutsche Sicherheitspolitik?
Jürgen Hardt: Trump ist ein aggressiver Mahner, der mit seinem Fingerzeig leider nur zu oft recht hat. Die US-amerikanische Frustration kann ich nachvollziehen. Warum hat man nicht auf Biden gehört? Es war ja nicht so, als hätte der still im Kämmerlein gesessen, sondern er redete auf uns Europäer ein wie auf das sprichwörtliche Pferd. Zugehört hat man nur in Osteuropa. Nun müssen wir liefern und werden auch liefern.
Die deutsche Sicherheit kann mit einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben nur gewinnen. Außerdem stärken größere Investitionen in unsere Streitkräfte den Zusammenhalt in der NATO. Das ist in unserem gemeinsamen Interesse.
VdZ: Welche Lücken sehen Sie in den aktuellen Sanktionen gegen den Iran und wie sollten diese geschlossen werden?
Jürgen Hardt: Der Iran verkauft weiterhin Öl und Gas, er baut sein Nuklear- und Raketensystem auf und exportiert in großem Stil landwirtschaftliche Produkte. Profiteure sind die Revolutionsgarden als Staat im Staate und keinesfalls die einfachen Menschen. Eine konsequente Sanktionierung der Revolutionsgarden ist daher überfällig. Es erscheint überfällig, die iranischen Revolutionsgarden auf die europäische Terrorliste zu setzen.
VdZ: Welche sicherheitspolitischen Herausforderungen ergeben sich aus dem zunehmenden militärischen und wirtschaftlichen Einfluss Chinas weltweit? Welche Rolle sollten internationale Organisationen und Staaten dabei spielen?
Jürgen Hardt: Eine große Rolle. China empfindet jede geltende Regel als unlautere Einengung seines Anspruchs „Macht durch Stärke“. Die Lösung für Chinas Aufstieg haben wir in der internationalen regelbasierten Ordnung längst, wir dürfen nur nicht zulassen, dass sie von Teilen der BRICS immer weiter pervertiert wird. Wir Deutsche wissen doch, dass selbst die beste Ordnung nur so viel wert ist wie ihre Abwehrkräfte. Diese Lektion gilt es nun verstärkt auf die internationale Ebene zu übertragen. Das wird zu einer Polarisierung führen, aber auch zu mehr Strahlkraft fürs demokratische, letztlich attraktivere Camp.
Wir Deutsche wissen doch, dass selbst die beste Ordnung nur so viel wert ist wie ihre Abwehrkräfte.
VdZ: Wie sollte Deutschland seine Strategie im Umgang mit Russland angesichts des anhaltenden Krieges und der aggressiven Außenpolitik Russlands in den kommenden Jahren ausrichten?
Jürgen Hardt: Ganz simpel: Beendet den Angriff auf die Ukraine, und wir können reden. Tut es nicht, und wir werden die Ukraine solange unterstützen, bis sie gewinnt, und weltweit konsequent gegen die mit euch verbündeten Regimes und Warlords vorgehen. Assads Sturz zeigte uns doch, wie verletzlich die destruktive russische Außenpolitik ist. Wir nutzen noch viel zu viele Druckpunkte nicht. Das heißt, wir sind leider bei der Frage umfangreicher wirtschaftlicher Sanktionen noch zu zögerlich. Es darf nicht sein, dass Russland über seine Schattenflotte ungehindert Ölverkäufe tätigt und damit noch das Ökosystem Ostsee gefährdet.