Paragraph 192a Strafgesetzbuch – die (noch) unbekannte Strafvorschrift
Die „verhetzende Beleidigung“ soll nicht länger straflos bleiben
Beispiel sogenannte „Meinungsdelikte“. Was fällt (noch) unter die Kategorie Meinungsfreiheit und was unter strafbares Unrecht? Selbst erfahrene Juristen und gewiefte Strafrechtler können nicht in allen Fällen auf Anhieb sagen, wo genau die Meinungsfreiheit endet und das Strafrecht beginnt. Und auch die Gerichte sind sich bei der Beurteilung ein- und desselben Sachverhaltes keineswegs einig. Nicht selten muss am Ende das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Zwar sind die Rechtsbegriffe Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung allgemein bekannt und werden jedenfalls vom rechtstreuen Teil des Publikums auch als strafwürdiges Unrecht respektiert, schwieriger wird es aber schon bei der „Volksverhetzung“, § 130 StGB. Eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift setzt nämlich voraus, dass die Tat „geeignet sein muss, den öffentlichen Frieden zu stören“.
Was aber, wenn die breite Öffentlichkeit von der Tathandlung nichts erfährt und der öffentliche Friede deshalb weiterhin friedlich dahinschlummert? Wird die Aufstachelung der Bevölkerung zum Hass gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe dadurch zur bloßen sanktionsfreien Meinungsäußerung, wenn die Öffentlichkeit davon nichts erfährt? Sind homophobe oder rassistische Äußerungen „nur“ in E-Mails noch so eben tolerabel – nur in der Öffentlichkeit nicht?
Strafbestand „verhetzende Beleidigung“
Und sollen sogenannte Feindeslisten weiterhin straflos bleiben, nur weil der öffentliche Friede nicht gebrochen wird?
Zur Schließung dieser Strafbarkeitslücke hat der Gesetzgeber den § 192 a StGB beschlossen, Stichwort „verhetzende Beleidigung“.
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, hat dies ganz ausdrücklich begrüßt: „Die neue Strafvorschrift soll Betroffenen einen umfassenden Schutz bieten, wenn sie per Messenger-Nachrichten, E-Mails oder Briefen direkt angegriffen und beleidigt werden“. Ok, so ganz stringent ist die Argumentation nicht, denn Beleidung ist ja schon strafbares Unrecht, aber wir wissen, was der DPolG Chef uns sagen wollte. Vor allem: Der neue Paragraph ist ein deutlich schärferes Schwert als der herkömmliche § 185 StGB.
Aber am besten wäre es, wenn die neue Vorschrift im Rechtsverkehr erst gar nicht zur Anwendung käme. Kritik üben geht auch ohne Häme, Hetze und Co.
Der Autor ist Kongresspräsident des GDÖS – Berliner Kongress für wehrhafte Deomkratie. Von 1994 bis 2017 war Wolfgang Bosbach Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.