VdZ: Die Gefährdungslagen der öffentlichen Sicherheit haben sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Kann die Polizei den Bedrohungen noch gerecht werden?
Bosbach: In den letzten 20 Jahren, insbesondere auf Grund der dramatischen Ereignisse vom 11. September, haben die Politik und die Sicherheitsbehörden unzählige Anstrengungen unternommen, um den vielfältigen Bedrohungen von Freiheit und Sicherheit erfolgreich begegnen zu können. Dies gilt für das rechtliche Instrumentarium für die Verhinderung und Aufklärung von Straftaten ebenso wie für die personelle und technische Ausstattung der zuständigen Stellen. Aber: Es wird eine dauerhafte Aufgabe bleiben, Gefahrlagen zu analysieren, um etwaige Schutzlücken zu schließen. Mit anderen Worten: Viel getan, aber auch noch viel zu tun.
VdZ: Wo sehen Sie für die Zukunft die größten Herausforderungen?
Bosbach: Die besorgniserregendste Bedrohung ist und bleibt die durch den international agierenden, meist islamistisch motivierten, Terrorismus. Auch wenn der IS mittlerweile in seinen Hauptsiedlungsgebieten in Syrien und im Irak militärisch erfolgreich bekämpft werden konnte, lebt seine Ideologie weiter. In terroristischen Zellen oder in den Köpfen fanatischer Einzelkämpfer. Prävention und Repression sind hier gleichermaßen wichtig, um dieser Bedrohung erfolgreich begegnen zu können. Und es ist die Aufgabe der Politik, die Sicherheitsbehörden personell und technisch so auszustatten, dass diese ihre Aufgaben optimal wahrnehmen können.
VdZ: Muss die Politik neben der personellen und technischen Ausstattung weitere Rahmenbedingungen verbessern, damit die Polizei den veränderten Anforderungen gerecht werden kann?
Bosbach: Neben angemessener Personalausstattung und modernster Technik brauchen unsere Sicherheitsbehörden auch das richtige rechtliche Instrumentarium, um die Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung optimal wahrnehmen zu können. Darüber hinaus ist heute eine reibungslose grenzüberschreitende Zusammenarbeit von überragender Bedeutung – und nicht zuletzt im Inland die Zusammenarbeit zwischen den Behörden des Bundes und der Länder. Der real existierende Föderalismus darf kein Hindernis sein.
VdZ: Ob europäische Einbindung, Pakt für den Rechtsstaat, neue Ermittlungsmethoden, einheitliche Rechtsstandards oder zentrale Steuerungsfunktionen bei den Sicherheitsbehörden – die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag viel vorgenommen. Sind die Vorhaben aus Ihrer Sicht angemessen und ausreichend?
Bosbach: Die Pläne der Bundesregierung sind im wahrsten Sinne des Wortes not-wendig, denn je mehr Europa zusammenwächst, je mehr Grenzen an Bedeutung verlieren und zum Beispiel die Organisierte Kriminalität international, ja sogar global operiert, desto notwendiger wird eine gute, konfliktfreie grenzüberschreitende Zusammenarbeit.
VdZ: Die einzelnen europäischen Staaten streben in sehr unterschiedliche Richtungen. Auch in Deutschland wird eine neue Sicherheitsarchitektur als notwendig erachtet. Wie kann eine einheitliche Ausrichtung in Sicherheitsfragen erreicht werden?
Bosbach: Wenn damit ein einheitliches europäisches Straf- und Strafprozessrecht gemeint ist, dann werde jedenfalls ich das garantiert nicht mehr erleben. Das ist allerdings auch nicht so entscheidend wie ein guter Informationsaustausch auf allen Ebenen. Eine "Ich weiß etwas was du nicht weißt"-Haltung kann insbesondere bei der Gefahrenabwehr dramatische Folgen haben.