Von Goldbarren, Teppichen, falschen Polizisten und angeblichen Wasserwerkern
Schockanrufer und Trickbetrüger sind keine Gelegenheitsganoven, sondern Profis
Jetzt mal bitte Hand aufs Herz! Wenn Sie in den Medien etwas über raffinierte Betrugsmaschen nach der Methode „Schockanrufe“ oder „falscher Polizist“ lesen, denken Sie dann nicht sehr oft ganz spontan: „MIR könnte so etwas nicht passieren!“? Wenn ja – das dürften wohl die allermeisten Menschen denken. Bis es dann so weit ist.
Anrufer ergaunern Goldbarren
Vor kurzer Zeit in der Bergischen Gemeinde Odenthal: Ein sogenannter Schockanruf um die Mittagszeit. Atemlos und mit tränenerstickter Stimme meldet sich eine junge Frau bei ihren „Eltern“ und behauptet, sie haben einen Verkehrsunfall mit schweren Folgen verursacht. Sofort gab die Anruferin das Telefon dann an eine Polizei-Kommissarin weiter, die in ihrem Leben vermutlich schon manche Tätigkeit ausgeübt hatte – ganz sicher aber nie bei der Polizei. Jedenfalls nicht in deren Diensten, eher als „Kundin“.
Die „Mutter“, eine noch rüstige Rentnerin, wurde aufgefordert, das Festnetztelefonat nicht zu beenden, zeitgleich erfolgte ein Anruf auf dem Handy des „Vaters“, das ebenfalls nicht beendet werden durfte. Die „Mutter“ wurde aufgefordert ihr Handy auszuschalten. Ergebnis: Alle Leitungen für andere Gespräche war nicht mehr zu nutzen.
Zur Vermeidung einer Haftstrafe für die „Tochter“ solle sofort eine Kaution in Höhe von 140.000 Euro gestellt werden. Das Rentnerehepaar bot alternativ Goldbarren im Wert von 27.000 Euro an. Gute Frage der „Eltern“: Warum denn die Kommissarin nicht persönlich vorbei käme!? Spontane Antwort: Ohne vorherigen negativen PCR-Test ginge das nicht …
Schon kurze Zeit später fuhr ein heller Kleinwagen vor, ein Bote der „Polizei“ holte das Gold ab. Erst DANACH rief das Rentnerehepaar ihre Tochter an – die natürlich in keinen Unfall verwickelt war.
Unglaubliche Geschichten
Fälle dieser Art sind mittlerweile Legende. Anders formuliert: Es gibt auch in dieser Hinsicht nichts, was es nicht gibt! Mal tauchen an den Haustüren falsche Wasserwerker auf und verschaffen sich auf diese Weise Zutritt zur Wohnung, mal falsche Polizisten, die ihre Opfer mit großem Geschick und handfesten Lügen auffordern, Wertsachen herauszugeben, um diese auf Echtheit zu überprüfen. Großer Beliebtheit erfreut sich auch die Glücksspiel-Masche: Den Opfern wird via Callcenter erklärt, sie hätten an einem Gewinnspiel teilgenommen und auch gewonnen. Zunächst einmal: Herzlichen Glückwunsch!! Allerdings müsse vor Auszahlung zunächst eine Gebühr entrichtet werden – den Rest kann man sich denken.
Diese Masche wird häufig durch das sogenannte Nummern-Spoofing unterstützt. Dabei ist es technisch möglich, bei den Opfern eine falsche Rufnummer des Anrufers erscheinen zu lassen, zum Beispiel die 110.
Keine Laien, sondern Profis
Derartige Straftaten werden mit einer hohen kriminellen Energie vorbereitet und ausgeübt. Da sind keine Gelegenheitsganoven am Werk, sondern spezialisierte Profis, die nicht selten vor der Tatbegehung ihre Opfer sorgfältig ausspionieren, um deren Lebensgewohnheiten und Vermögensverhältnisse richtig einschätzen zu können. Die strafrechtlichen Ermittlungen in diesem Milieu sind meistens sehr kompliziert. Auch deshalb, weil in der Regel ausländische Call-Center als Mittel zur Tatbegehung genutzt werden. Da braucht es erfahrene und spezialisierte Ermittlerinnen und Ermittler.
Erinnern Sie sich noch an die legendäre TV-Serie „Der 7. Sinn“? Über viele Jahre hinweg sollten kurze TV- Filme für mehr Sicherheit im Straßenverkehr sorgen. Ich habe einmal vorgeschlagen, diese Idee auf die Verhinderung von Trick-Straftaten zu übertragen, um potentielle Opfer anhand von konkreten Beispielen zu warnen. Ein Fachmann der Polizei meinte nur: „Eine nette Idee, das wird aber nichts bringen. Denn alle, die so einen Film sehen, werden spontan denken: MIR könnte das nie passieren!“
Der Autor ist Kongresspräsident des Berliner Kongress wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war Wolfgang Bosbach Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.